Das Schloss Schönbrunn, ein Hotspot für Touristen, nun jedoch so leergefegt, dass auch Gastronomen rundum wieder schließen. Die Öffnung erster Grenzen soll die Krise mildern.


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Chris Karl wäre derzeit eigentlich nördlich der Alpen unterwegs. Mit mehr als 30 Touristen aus den USA und Kanada würde sie gerade zwei Wochen quer durch Europa reisen. Zehn bis zwölf Touren leitet sie im Jahr für große internationale Reisebüros. Doch seit Corona ist der Weg in ihren Beruf versperrt. Die Hälfte der fix gebuchten Trips ist bereits verloren. Und die Chancen, Urlauber zumindest in der zweiten Jahreshälfte durch Wien und Europa zu lotsen, stehen schlecht.

Tourismus besteht nicht nur aus einem Hotelbett und Schnitzel, sagt Karl mit Blick auf die Regierung, die Fremdenführer bisher nicht auf dem Radar hatte. Reiseleiter seien das Aushängeschild eines Landes. Doch während emsig an neuen Rettungspaketen für Hoteliers und Gastwirte geschnürt werden, bleibe ihre Branche seit dem Ausbruch von Covid-19 auf der Strecke. "Seit März hat keiner von uns mehr Geld verdient. Die Schließung der Grenzen bedeutet die Schließung unserer gesamten Betriebsstätte."

Viele gut gebildete Frauen

Österreich zählt rund 3000 bei der Wirtschaftskammer gemeldete Fremdenführer und Reiseleiter, 2100 sind aktiv tätig, der Großteil sind Frauen. Fast alle haben studiert, viele unter ihnen Kunstgeschichte, Architektur oder Politikwissenschaften. Der Beruf als Fremdenführer, den die Mehrheit unter ihnen ausübt, ist reglementiert und erfordert eine mehrjährige Ausbildung. Jener der Reiseleiter ist ein freies Gewerbe. Diese dürfen in Österreich, Italien und Großbritannien lediglich geführte Bustouren und schnelle Orientierung in Städten außerhalb der Museen und Kirchen bieten.

Diese Arbeit lasse sich zeitlich schwer mit anderen Berufen vereinbaren. Kaum jemand habe daher ein zweites Standbein, erzählt Karl, die selbst forensische Psychologie und Sportwissenschaften studierte. Die Obfrau der Reiseleiter Austria sieht ihre Kollegen nun angesichts der Krise reihenweise der Branche entfliehen.

Leben von 500 Euro

Die Hilfe aus dem Härtefallfonds beschränke sich in der Praxis aktuell auf monatlich 500 Euro für drei Monate, rechnet Karl vor. Das ist weniger als die Mindestsicherung. Daraus gehören die Beiträge für die Sozialversicherung bestritten, die die Summe von 500 Euro vielfach überschreiten.

Die Krux ist, dass Reiseleiter ihr Einkommen saisonbedingt in acht Monaten erzielen, auf zwölf Monate aufgeteilt, senkt das die Bemessungsgrundlage für den Härtefallfonds. Was dieser an finanzieller Unterstützung offeriere, sei ein Hohn, klagt auch Sonja Thauerböck, die Touristen seit 24 Jahren durch Most-, Wald- und Weinviertel, Wien und Salzburg führt.

Die Oberösterreicherin berichtet von Fremdenführern, die nun Unkraut auf Erdbeerfeldern jäten oder versuchen, dauerhaft in andere Berufe zu wechseln. "Keiner will riskieren, noch einmal vom Staat hängengelassen zu werden."

Verlust von Qualität

Für den Neustart des Tourismus sei das fatal. Ein Engpass an gut ausgebildeten Leuten drohe – deren Erfahrungen ließen sich nicht einfach weitergeben. "Übrig bleiben werden jene Kollegen, die in ihrer Freizeit aushelfen oder als Pensionisten wirtschaftlich nicht mehr darauf angewiesen sind."

Um den Bedarf an Reiseleitern im Urlaubsland Österreich zu decken, werde das nicht reichen. Zumal der Job es erfordere, in der Hochsaison auch sieben Wochen am Stück durchzuarbeiten.

In den Augen der Regierung bestehe ihre Branche aus "mittelalterlichen Tanten, die Gschichtln drucken und lustig in der Gegend herumfahren", ärgert sich Thauerböck. "Aber wir sind das Gesicht Österreichs, viele Urlauber kommen auf ihren Reisen durchs Land nur mit uns in Berührung. Und ich möchte einen Politiker erleben, der unser Bildungs- und Gesundheitssystem prägnant in Englisch, Russisch oder Französisch erklären kann."

Fremdenführer zählen zu den von der Krise sicher am härtesten getroffenen Branchen, heißt es aus der Wirtschaftskammer. Sie verweist auf Anfrage auf den Tourismus, der neu in Schwung kommen müsse. Das schrittweise Öffnen der Grenzen sei dafür ebenso entscheidend wie der Neustart der Gastronomie und Hotellerie.

Urlaub in Österreich ab Juni

Ab 29. Mai soll Urlaub in Österreich wieder möglich sein. Das bekräftigten am Donnerstag Bundeskanzler Sebastian Kurz und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP). Beherbergungsbetriebe dürfen öffnen. Österreich will sich als sicheres Reiseland präsentieren. Das Rezept dazu sind flächendeckende Tests der Mitarbeiter auf den Virus. Diese starten in ausgewählten Regionen, die noch ungenannt bleiben.

Finanziert werden sie von der öffentlichen Hand. Ein in Gründung befindliches privates Konsortium soll sie über die Tourismusdestinationen abwickeln. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer nennt dies "eines der besten Investments für die Standortsicherheit". Begonnen werde mit Servicepersonal, im zweiten Schritt kämen auch die Köche zu den Tests.

Flächendeckend testen

Ziel seien deren 65.000 pro Woche ab Juli. Wird ein Mitarbeiter positiv getestet, kommt er in Quarantäne. Die Tests sollen ein Alleinstellungsmerkmal für Österreich sein, betont Kurz. Der Aufwand sei das wert. Die Österreich Werbung werde mit zusätzlich 40 Millionen Euro um Gäste werben.

Die Grenzen zu Deutschland, Schweiz und Liechtenstein gehen am 15. Juni auf. Mit den östlichen Nachbarn will sich Kurz kommende Woche über das weitere Vorgehen einigen. In Italien und Slowenien "schaue es etwas schwieriger aus". Für die schwer getroffene Stadthotellerie, für Veranstalter und Busunternehmer verspricht er eigene Hilfskonzepte. Details dazu blieben noch offen.

Kein Geld für Reisen

Hoffnung auf Hilfe für die Fremdenführer macht sich Karl wenig. Bisher gab es nur nette Gesten, die nichts an der wirtschaftlichen Misere der tausenden Einzelkämpfer änderten. Wer auf Kunden aus China oder den USA angewiesen ist, müsse nun wohl das gesamte Jahr abschreiben. Kaum Aufträge seien aber auch von den Österreichern oder Deutschen zu erwarten. "Viele Junge verlieren ihren Job und haben kein Geld. Pensionisten haben Geld, aber in Zeiten von Corona Angst zu verreisen. Wer soll noch Urlaube buchen?"

Thauerböck berichtet von Stornierungen österreichischer Unternehmer bis in den Oktober hinein. Sie bezweifelt, dass sich der Markt vor März 2021 erholt. Bis er auf das Niveau von vor der Krise zurückkehrt, werde es zwei weitere Jahre brauchen. Sie selbst arbeitet für Touristen auf Donaukreuzfahrten ebenso wie für Busunternehmer, private Gruppen und Vereine, von der freiwilligen Feuerwehr bis zum Kirchenchor. "Ich habe mich breit aufgestellt und dachte, damit bin ich sicher." Doch jetzt sei ihr Einkommen wie bei allen anderen Kollegen auf null gestellt.

13 Millionen Euro gesucht

Karl fordert für jeden gemeldeten Reiseleiter staatliche Unterstützung von tausend Euro monatlich – unbürokratisch für zumindest ein halbes Jahr. Dies würde den Staat in Summe nur 13 Millionen Euro kosten. "Für dieses Geld macht die AUA einen halben Flügelschlag." Thauerböck appelliert daran, maximal 1800 Euro an Hilfe im Monat beantragen zu können. Zu Jahresende werde abgerechnet: Wer mehr als die tausend Euro monatlich verdiente, zahle die zusätzliche Förderung zurück. "Das wäre ein fairer Deal und kostet kein Vermögen wie die AUA." (Verena Kainrath, 22.5.2020)