Sein Körper ist ein Trümmerhaufen. Er ist der kaputteste, gebrochenste Leinwandheld, den das Kino seit langem gesehen hat. Aber er liefert im Ring ab. Und das Publikum grölt. The Show must go on. In "The Wrestler" (2008) spielt Mickey Rourke den alternden Profi-Wrestler Randy "The Ram" Robinson. "The Ram" geht es schon lange nicht mehr ums Gewinnen. Weitermachen ist angesagt. Einst ein großer Star der Szene, muss er sich seit Jahren auf heruntergekommenen Provinzbühnen durchschlagen, um sich finanziell über Wasser zu halten.

Der Trailer zu diesem besonderen Film.
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"Ich fand den Film und besonders die Ringkämpfe sehr gut gemacht", sagt Walter Hahn, und er muss es wissen. Der 32-Jährige ist der erste österreichische Wrestler in der World Wrestling Entertainment (WWE). Hahn, der im Ring einfach nur "Walter" gerufen wird, hat auch bereits einen Titel errungen, ist "NXT UK Champion", beim britischen Ableger der WWE. Seine Bühne glitzert im Vergleich zum Film, die WWE hat im Vorjahr einen Rekordumsatz von mehr als 930 Millionen Dollar erzielt. "Robinson wurde als tragische Figur dargestellt, die falsche Entscheidungen getroffen hat. Das ist natürlich nur ein Ausschnitt aus der Wrestling-Welt, das kann man nicht pauschalisieren. Die meisten Kämpfer gehen einen gesünderen Weg", sagt Hahn.

Beim Wrestling steht, anders als in anderen Sportarten, der Sieger schon im Vorhinein fest. Es gibt meist ein Kampfdrehbuch. Tangiert es Hahn, dass Wrestling oft als Fake-Sport belächelt wird? "Gar nicht. Wenn man das behauptet, hat man sich damit nicht auseinandergesetzt. Wrestling ist kein Wettkampfsport. Als Wrestler will man durch seine sportliche Leistung unterhalten und dem Publikum mit dem Kampf eine emotionale Geschichte erzählen."

"The Wrestler": Mickey Rourke spielt einen vom Leben gezeichneten Menschen und damit auch sich selbst.
Foto: WDR/ARD Degeto

Gut gegen Böse, Angst gegen Mut, Beliebt gegen Unbeliebt. Und obwohl Schläge und Tritte oft vorgetäuscht werden, kann es richtig wehtun. Das zeigt auch der Film von Regisseur Darren Aronofsky. In "The Wrestler" lässt sich Rourke mit Tischplatten, Maschendraht oder einer Tackermaschine zurichten, bis Blut fließt. Ein Sprung vom Seil auf den Gegner ist unangenehmer als Schmusen. "Man kann gewisse Dinge nicht vortäuschen. Als Wrestler lernt man keinen Zaubertrick, mit dem man die Schwerkraft außer Kraft setzen kann", sagt Hahn.

Schauspieler Mickey Rourke, im Film 55 Jahre alt, brilliert mit guter Technik im Ring, braucht aber nach jedem Kampf eine Wagenladung Painkillers von einem Dealer, um seinen schmerzenden Körper ruhigzustellen. Hahn sieht eine deutliche Verbesserung der medizinischen Betreuung im Vergleich zu früher. "Die Kämpfer sind durchwegs Topathleten. Wrestling lässt sich so durchaus zehn bis 15 Jahre auf hohem Niveau betreiben. Aber auch nicht ewig." Verletzungen werden überdramatisiert. "Die gibt es auch in jedem anderen Hochleistungssport." Er selbst habe noch nie nach einem Kampf zu Medikamenten greifen müssen.

Der Wiener Walter Hahn ist eine Zukunftshoffnung für die WWE.
Foto: WWE

Für den gebürtigen Wiener Hahn war der Heumarkt Inspiration, wohin ihn sein Vater zum Catchen mitnahm. Aber natürlich auch Wrestling aus den USA, das vor der Klage des World Wide Fund For Nature (WWF) noch unter dem Namen World Wrestling Federation firmierte. Fast jedes Kind hatte Actionfiguren, kannte Hulk Hogan oder den Undertaker. Mit 16 Jahren folgte der Wechsel vom Fußball (Simmering, Himberg) in die Wrestling-Schule von Michael Kovacs in Favoriten. Die Eltern waren wenig begeistert, doch Hahn blieb dran, flog mit 18 Jahren nach Japan, um Wrestling von Grund auf zu lernen. "In Japan ist Wrestling ein seriöser Wettkampfsport, während es sich in den USA in Richtung Unterhaltung entwickelte. Viele Top-Wrestler, etwa Hogan, lernten in Japan ihr Handwerk. Ohne Feuerwerk, ohne Lichtshow. Man wird auf sich selbst und seine Ringerfähigkeiten zurückgeworfen."

Hahn übersiedelte bald ins deutsche Wrestling-Mekka nach Oberhausen im Ruhrpott, arbeitete im Brotberuf als Spediteur, bis er 2016 zum Profi avancierte. Der steile Aufstieg als europäisches Aushängeschild könnte bald in einem Engagement in der US-amerikanischen WWE gipfeln, es wäre der "logische nächste Schritt".

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Rourke und Regisseur Darren Aronofsky räumten international viele Preise ab, aber einen Oscar gab es nicht.
Foto: Reuters/DENIS BALIBOUSE

Für Mickey Rourke ist es nicht so gut gelaufen. Weder im echten Leben noch in diesem Film. Deshalb braucht er in "The Wrestler" das Auslaufmodell auch nicht zu spielen, er ist es. In den 80er-Jahren war Rourke das Sexsymbol Hollywoods, "9 1/2 Wochen" mit Kim Basinger machte ihn berühmt. Steil bergab ging es mit seiner Karriere, als er in den 90ern in den Boxring wechselte und sich in mehreren Profikämpfen sein Gesicht verunstalten ließ. Sein gespenstisches Aussehen verdankt er auch mehreren schiefgegangenen Schönheitsoperationen. In "The Wrestler" scheitert "The Ram" auch außerhalb des Rings. Er lebt in einem Wohnwagen, für den er kaum die Miete aufbringen kann, arbeitet im Supermarkt in der Feinkostabteilung und hat ein zerrüttetes Verhältnis zu seiner Tochter, um die er sich nie gekümmert hat: "Ich bin ein altes, heruntergekommenes Stück Fleisch."

Herausgekommen ist ein Film, der mehr bietet als ein einfaches Drehbuch. Es geht um das Stehen im Rampenlicht, "The Ram" ist süchtig danach, und er weiß, dass er außerhalb der Bühne nichts zählt. Eine Analogie zur Filmindustrie in Hollywood, in der Altern verboten ist und nichts als der Erfolg zählt. Der große Triumph war Rourke nicht gegönnt, es blieb bei der Oscar-Nominierung für den besten Hauptdarsteller 2009.

"The Wrestler" bietet auch Raum für Nostalgie in einer Zeit, in der die Unterhaltungsindustrie zunehmend den arbeitenden, schwitzenden Körper durch Computereffekte ersetzt. Hahn: "Wrestling hat zu tun mit Traditionen, Emotionen, der Leidenschaft für den Ringkampf. Das ist etwas Archaisches, das macht den Sport einzigartig. Das kann virtuelle Unterhaltung nicht liefern." (Florian Vetter, 28.5.2020)