Gesundheitsminister Rudolf Anschober wird von der Opposition heftig kritisiert.

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Innsbruck/Wien – Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gerät im Zuge der Ischgl-Aufarbeitungen ins Kreuzfeuer der Kritik. Die SPÖ wirft ihm nach einer Anfragebeantwortung vor, die Tiroler Behörden in Schutz zu nehmen. Zugleich stand am Freitagvormittag immer noch die Antwort seines Ministeriums zu den am Mittwoch im STANDARD aufgetauchten EWRS-Warnungen aus mehreren europäischen Staaten aus, die gemäß dem Tiroler Krisenstab nicht weitergeleitet worden seien. Sollte sich das bewahrheiten, so FPÖ-Chef Norbert Hofer, sei Anschober "rücktrittsreif".

Die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Julia Herr hatte die parlamentarische Anfrage zur Causa Ischgl im Zusammenhang mit dem Coronavirus an den Gesundheitsminister eingebracht. Die Antworten sind für Herr allerdings unbefriedigend, wie sie sagt: "Die Anfragebeantwortung entbehrt jeglicher Kritik am Vorgehen der Tiroler Behörden. Auf viele konkrete Punkte wurde kaum eingegangen, viele Antworten des Ministeriums fallen schwammig aus." Herr kritisiert, dass ein "Schützen der Verantwortlichen hier klar fehl am Platz" sei.

Keine Kritik am Vorgehen der Tiroler

Minister Anschober attestiert den Tiroler Behörden in seiner Beantwortung, dass sie Warnungen ernst genommen hätten und allen Informationen unverzüglich nachgegangen seien. Auch der Informationsaustausch zwischen Landes- und Bundesebene habe regelmäßig stattgefunden und gut funktioniert. Wobei Anschober einräumt, dass er erst am 6. März durch eine "zufällige Begegnung am Flughafen Schwechat" von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erstmals über die Situation in Ischgl informiert worden sei.

Hinsichtlich der vom Nachrichtenmagazin "Profil" aufgebrachten Vorwürfe, die Tiroler Behörden hätten beim Umgang mit Verdachtsfällen in Ischgl einen Erlass des Ministeriums missachtet, widerspricht Anschober. Er hält ausdrücklich fest, dass am 6. März auf Basis der geltenden Erlässe "die Testung von symptomatischen Personen, die Kategorisierung der Kontaktpersonen sowie deren Absonderung in Ischgl" veranlasst worden seien.

Schweigen Anschobers wird kritisiert

Während der Gesundheitsminister mit Kritik spart, muss er selbst welche einstecken. Denn nach dem STANDARD-Bericht zu Warnungen betreffend Ischgl, die aus mehreren europäischen Ländern laut geworden seien, sagte das Land Tirol, von diesen bislang nichts gewusst zu haben. Das Ministerium habe sie nicht weitergeleitet. Konkret geht es um Meldungen zu infizierten Ischgl-Urlaubern, die über das europäische Frühwarnsystem EWRS aus Dänemark, Deutschland, Kroatien, Großbritannien und den Niederlanden kamen.

Das Gesundheitsministerium konnte die Behauptung der Tiroler am Donnerstag nicht bestätigen oder widerlegen. Man erbat sich Zeit, um die Sachlage genau zu prüfen (Anm: am Freitagnachmittag kam die Antwort des Ministeriums und sie ist hier nachzulesen). FPÖ-Chef Hofer sprach von einem "Verantwortungs-Pingpong" zwischen Tirol und Gesundheitsministerium. Er habe kein Verständnis dafür, dass Anschobers Ministerium für die Antwort auf die Frage, ob Warnungen weitergeleitet wurden, so viel Zeit braucht. Für Hofer sei die ausstehende Antwort ein weiterer Punkt in einer ganzen "Liste der Fehlleistungen", die er dem Gesundheitsminister seit Beginn der Corona-Krise vorwerfe. Er lege ihm daher den Rücktritt nahe.

Auch von SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher kam am Freitag Kritik an Anschobers Schweigen zum Vorwurf aus Tirol, die Warnungen nicht weitergeleitet zu haben. Angesichts "täglich neuer Ungereimtheiten" in der Causa Ischgl fordert Kucher "schonungslose Aufklärung". Die Tiroler Verantwortlichen Platter und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) seien schwer überfordert. "Kanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober tragen hier die Verantwortung, sie können sich jetzt nicht einfach davon verabschieden", sagte Kucher. (Steffen Arora, 22.5.2020)