Der ehemalige Kabinettschef im Justizministerium Georg Krakow zeigt im Gastkommentar auf, wie schwierig die Formulierung eines Gesetztes gegen (Kandidaten-)Bestechung und Mandatskauf ist und fordert Einsicht für den Rechnungshof in Kassen von Vorfeld- und unterstützenden Organisationen der Parteien.

Die grüne Justizministerin Alma Zadić will eine Strafbarkeitslücke schließen, die sich vor einem Jahr auftat, als "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" das Ibiza-Video veröffentlichten.
Screenshot: Spiegel/SZ

Das Ibiza-Video hat eine Lücke in der Korruptionsbekämpfung aufgezeigt, die davor anscheinend niemand so wahrgenommen hat. Die Bestechung von Kandidaten und von designierten Amtsträgern ist bis heute nicht von den Strafbestimmungen umfasst. Wer also etwa den neuen Bürgermeisterkandidaten der größten Fraktion mit Geld versorgt und dabei darauf hinweist, dass er sich nach der Wahl Entgegenkommen erwarte, ist nicht strafbar – schließlich war der Kandidat zur Zeit des unseligen Versprechens noch kein Amtsträger im Sinne des Gesetzes. Selbst wer auf Nummer sicher geht und das Geld erst nach der erfolgreichen Wahl zusteckt, ist nicht strafbar, wenn der Kandidat sein Angebot vor dem Amtsantritt gemacht hat.

Die zweite – demokratiepolitisch genauso gefährliche – Lücke zeigt sich beim Mandatskauf: Wer einem Parteiobmann Geld gibt, damit ein befreundeter Kandidat an aussichtsreiche Stelle gereiht wird, ist heute nicht strafbar – schließlich ist der Parteiobmann kein Amtsträger, und es bestehen (zum Glück!) keine gesetzlichen Regelungen zur Erstellung einer Kandidatenliste.

Komplexe Abgrenzungen

Justizministerin Alma Zadić hat angekündigt, diese beiden Lücken zu schließen. Das ist gut und notwendig und kommt zur richtigen Zeit. Doch es ist gar nicht einfach, eine Bestimmung zu formulieren, die das strafbare Verhalten ausreichend präzise umschreibt, ohne Augenauswischerei oder ausufernd zu sein. Denn es macht einen Unterschied, ob jemand dem Kandidaten einer chancenlosen Splitterpartei Vorteile verspricht oder dem Obmann einer großen Partei, die vor einer Regierungsbeteiligung steht. Die Gefährdung unseres demokratischen Systems und der Unparteilichkeit der Verwaltung ist in diesen Fällen nicht miteinander zu vergleichen.

Können sich die Täter, also Bestecher und Bestochener, nicht immer darauf ausreden, dass der Kandidat ja nur einer unter vielen Abgeordneten wäre? Dass die Verfassung überhaupt keine Kandidatur als Regierungsmitglied kennt? Dass er ja als Minister nur ein Mitglied eines Kollegialorgans wäre, das noch dazu einstimmig beschließen müsse? Jede neue Bestimmung, die ernst genommen werden will, muss sicherstellen, dass solche Ausreden nichts gelten. Auch die faktischen Einflussmöglichkeiten, wie Parteifunktionen, müssen berücksichtigt werden – so wie im Wirtschaftsstrafrecht und bei Finanzvergehen ja aus gutem Grund nicht nur die satzungsmäßigen Organe, sondern auch die faktischen Geschäftsführer zugerechnet werden.

Radikale Schritte notwendig

Wenn wir mit Recht sagen können wollen: "So sind wir nicht!", dann werden Strafbarkeit für Kandidatenbestechung sowie Mandatskauf und auch der dickste Korruptionsbericht nicht ausreichen. Sollte jemand, der rechtskräftig wegen (Kandidaten-)Bestechung oder Mandatskauf verurteilt wurde, für die nächste Wahl kandidieren dürfen? Derzeit endet jeder Ausschluss von der Wählbarkeit sechs Monate nach Vollzug – was bei Legislaturperioden von fünf Jahren zu kurz scheint.

Um die Sumpfpfade für fantasiebegabte Korruptionisten auszutrocknen, bedarf es zusätzlich wesentlicher Schritte bei der Transparenz der Parteienfinanzierung: Vorfeld- und unterstützende Organisationen müssen in die Spendengrenzen eingerechnet werden. Der Rechnungshof muss endlich umfassend Einsicht nehmen können und Gesetzwidrigkeiten auch veröffentlichen dürfen. Immerhin geht es um jene Parteien, die bei Wahlen öffentlich um die Gunst der Bürger werben. Da wüsste man schon gerne, ob sie sich auch an die Regeln zur Parteienfinanzierung halten.

Gift für Wirtschaftsstandort

Und eine Unsitte im bestehenden Korruptionsstrafrecht muss fallen: Derzeit ist es erlaubt, Geld im Austausch für eine Amtshandlung statt dem Amtsträger gemeinnützigen Organisationen zuzuwenden. Wer hinter diesen Organisationen steckt, wird nicht geprüft. Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet. In einem Rechtsstaat hat man für pflichtgemäße Amtshandlungen niemandem etwas zuzustecken – auch nicht gemeinnützigen Organisationen. Diese Ausnahme dient nur der Umgehung und benachteiligt Bürger, die sich solche Zuwendungen nicht leisten können.

Das angekündigte Paket kann man als frühlingshaftes Lebenszeichen der Regierung in Sachen Korruptionsbekämpfung sehen. So wie eine Schwalbe aber noch keinen Sommer macht, ist dieses erfreuliche Lebenszeichen allein noch nicht genug. Die türkis-grüne Bundesregierung sollte – gerade nach Ibiza – Korruptionsbekämpfung zu einem echten Schwerpunkt machen. Es muss Schluss sein mit allen Spielarten von "Geld gegen Amtsgeschäft" oder "Geld gegen Gesetzeserlass". Abgesehen von den oft beschriebenen toxischen Auswirkungen von Korruption auf die Gesellschaft und die Politik sind solche unlauteren Praktiken auch Gift für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts. Und gerade jetzt brauchen wir die besten Voraussetzungen für das Wiederaufleben des Landes. (Georg Krakow, 24.5.2020)