Iran zu Zeiten von Corona: Der religiöse Führer spricht.

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Die Corona-Krise hat den Iran, trotz zuletzt einiger Lockerungen der Maßnahmen, noch immer im Griff – aber die iranische Aburteilungsmaschinerie arbeitet wieder. Am Mittwoch wurde der 73-jährige österreichische Staatsbürger iranischer Herkunft Massud Mossaheb wegen Spionage für Israel und – einigermaßen originell – Deutschland in Teheran zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Die angeblichen Beweise dafür lagen beim Prozess nicht einmal dem Staatsanwalt und dem Anwalt des Beschuldigten vor. Es reicht, wenn sie der Richter "in der Schublade" hat, er urteilt nach seinem eigenen Gutdünken. Nach seiner eigenen Aussage hätten es auch zwanzig Jahre oder ein Todesurteil sein können. Allerdings ist eine Berufung gegen das Urteil möglich.

Mossaheb, Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft – deren Raison d’être es ist, sich für die guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten einzusetzen –, ist nicht der einzige österreichische Häftling im Iran: Der Geschäftsmann Kamran Ghaderi wurde 2016 zu zehn Jahren Haft verurteilt, ebenfalls wegen Spionage. Und die beiden Österreicher stehen wiederum in einer Reihe von europäischen und anderen Doppelstaatsbürgern, die in die Mühlen der iranischen Justiz geraten sind. Vier von ihnen hatten in den vergangenen Tagen ihre immer wieder – zuletzt wegen der Corona-Krise – verschobenen Prozesse.

Drei weitere Urteile

Ein prominenter Fall ist der von Fariba Adelkhah, einer französischen Sozialanthropologin, die vor einem Jahr verhaftet wurde. Ihr Urteil lautet fünf Jahre wegen Verschwörung gegen die nationale Sicherheit des Iran und ein Jahr für antiiranische Propaganda. Ihr Mann, der Soziologe Roland Marchal, der verhaftet wurde, als er sie besuchen wollte, wurde im März im Zuge eines Gefangenenaustauschs freigelassen. Aber Marchal hat, anders als Adelkhah, nur einen französischen Pass. Teheran erkennt im Falle von Doppelstaatsbürgerschaften nur die iranische an.

Massud Mossaheb wurde bereits im Jänner 2019 verhaftet, damals befand er sich im Kontext eines Projekts der niederösterreichischen MedAustron, die in Teheran ein Zentrum für Ionentherapie errichtet hat, in Teheran. Mossaheb machen wegen seines fortgeschrittenen Alters und multipler Erkrankungen die Zustände im Evin-Gefängnis in Teheran schwer zu schaffen, seine gesundheitliche Verfassung ist sehr schlecht. Zuletzt litt er an Anfällen von Angina Pectoris.

Dazu kommt die Angst vor Covid-19. Im März hatte sich der britisch-iranische Gefangene Anoosheh Ashoori über seine Familie an die Öffentlichkeit gewandt, um auf die chaotischen Zustände in den iranischen Gefängnissen während der Corona-Krise aufmerksam zu machen. Die iranische Justiz hat, nachdem die Pandemie massiv ausgebrochen war, tausende Häftlinge nach Hause entlassen, aber so gut wie keine politischen. Eine Ausnahme war die Britin Nazanin Zaghari-Ratcliffe, deren Hafturlaub nun noch einmal verlängert wurde.

Berufung wird eingelegt

Massub Mossaheb, so berichtet die Familie dem STANDARD, wird gegen das Urteil berufen. Es gehört zu den Eigenheiten des iranischen Justizsystems, dass in der nächsten Instanz manches anders läuft: So wird er, anders als beim vorigen Termin, von dem von ihm betrauten Anwalt vertreten werden können. Vor allem aber besteht die Hoffnung, dass sein Gesundheitszustand Grund für eine Haftentlassung sein könnte.

Das österreichische Außenministerium, hält die Familie fest, arbeite intensivst hinter den Kulissen, um sich um die Freilassung zu bemühen. Und das iranische Argument, dass vor einem Prozess eine Entlassung völlig unmöglich sei, ist nun zumindest gefallen.

Das gilt auch für Adelkhah. Sie hatte im Februar gemeinsam mit der australischen Nahostwissenschafterin Kylie Moore-Gilbert einen Hungerstreik begonnen, der sie sehr mitgenommen hatte. Adelkhah hatte zur Zeit ihrer Verhaftung zum personellen Austausch des schiitischen Klerus im Iran, in Afghanistan und im Irak geforscht. Der Iran ist ein verbotenes Pflaster für Forscher und Forscherinnen geworden – wobei das aber auch für etliche arabische Länder wie Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate gilt. (Gudrun Harrer, 22.5.2020)