Das Café Central gehörte den Touristen, jetzt sind nur noch Wiener zu Gast.

Foto: Heribert Corn

Im Café Landtmann hat man sich zuletzt um einen Tisch noch gerissen. Momentan findet man in dem Kaffeehaus in der Wiener Innenstadt leichter einen Platz

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Der erste Öffnugstag der Gastromie nach der Corona-Sperre im Café Rüdigerhof vergangenen Woche.

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Am sonnigen Freitagvormittag war der Gastgarten im Café des Palmenhaus im Wiener Burggarten gut befüllt.

Foto: Heribert Corn

Draußen sitzen Gäste noch lieber als in geschlossen Räumen. Im Café Jelinek ist auch drinnen was los.

Foto: Christian Fischer

Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht: Noch Anfang des Jahres war die Aufregung um lange Schlangen vor Wiens Kaffeehäusern groß. Fotos von Menschenmengen, die dafür anstanden, einen Platz im berühmten Café Central in der City zu ergattern, machten die Runde. Mittlerweile zeichnet sich ein anderes Bild ab. Coronabedingt bleiben die Touristen aus, für einen Tisch wartet man nicht mehr.

Vor wenigen Monaten sei nur ein geringer einstelliger Prozentsatz der Gäste einheimisch, also aus Wien, gewesen, jetzt seien es 100 Prozent, scherzt ein Kellner hinter dem Plastikvisier, das seit Neuestem zu seiner Arbeitsuniform gehört. In dem weitläufigen Innenraum ist nicht einmal jeder zweite Tisch belegt. Statt einer Speisekarte gibt es einen QR-Code, den man mit dem Mobiltelefon abrufen kann. Zuckerstreuer finden nur mehr auf Anfrage den Weg zu den Gästen.

Packerl statt Streuer

Überhaupt sind Zuckerstreuer eine Seltenheit. "Wir machen jetzt mehr Müll", sagt Viola Bachmayr-Heyda, die ihr kleines Café im Achten betreibt. Dort gibt es nun Zuckerpäckchen "wie im Flugzeug". Der Schanigarten ist Freitagvormittag voll. Zwei Tische weniger als sonst stehen entlang der Straße, damit der Abstand eingehalten werden kann. Drinnen fehlen vier weitere. "Es tröpfeln die Gäste so herein", sagt die Patissière. Einbußen hat sie trotzdem: Hochzeiten werden abgesagt, diese Aufträge bleiben aus. Auch Feiern dürfen im Lokal nicht stattfinden.

Dieses Verbot plage auch die Wirte am Land, sagt der Obmann Gastronomie in der Wirtschaftskammer Steiermark, Klaus Friedl, zum STANDARD. Das, wovon Legionen von Gasthäusern leben – Taufen, Begräbnisse, Hochzeiten oder Geburtstage –, ist weggefallen. "Ich kann nicht verstehen, warum diese Feiern nicht erlaubt sein sollen. Es ist ja immer nur ein kleiner Familienkreis, der sich kennt." Was Friedl aktuell aus seiner Wirte-WhatsApp-Gruppe mitbekommt, deute auf düstere Zeiten hin: "25 Prozent der Betriebe, wenn nicht mehr, werden es nicht derpacken und aufgeben."

Andernorts hat man den Eindruck, als sei überhaupt nichts passiert. Der Grazer Kaiser-Josef-Platz nahe der Oper etwa wirkt vitaler als vor Corona. Wo bis Mittag die Bauern der Umgebung Gemüse, Fisch, Fleisch oder Blumen feilbieten, bevölkern am Nachmittag Grazer aller Alters- und Einkommensklassen den Platz, der zur autofreien Zone erklärt worden ist. Die Lokale durften ihre Schanigärten erweitern, der Umsatz nähert sich alten Höhen. Hinzu kommt, dass das Areal nun auch von Skatern, Kindern und älteren Anzugträgern bevölkert wird, die auf den Bauernstandl-Brettern Getränke und Essen von den Lokalen ringsum verzehren.

Neue Normalität

Sorgen dürfte allen Gastwirten hingegen eine Wandlung im Konsumverhalten machen. In der Zeit, als die Lokale geschlossen waren, hat sich eine Picknick-Kultur entwickelt. Jeder bringt sein eigenes Getränk und Essen mit.

Freilufttreffen boomen auch an der Donaulände in Linz und am Donaustrand in Urfahr – hier können Nachschublieferanten ein gutes Geschäft machen. "Es ist mehr als früher los. Auch Leute, die vorher noch nie da waren und jetzt gezwungen sind, draußen zu sitzen, bestellen bei uns", sagt ein Lastenradfahrer, der kalte Getränke verkauft. Auch Lokale mit Schanigärten werden bevorzugt. Sie sind gut besucht, zumindest auf dem niedrigeren Niveau der "neuen Normalität". Im früher stets proppenvolle Kunsthaus-Café in Graz etwa findet man durchaus freie Plätze.

Bei den Donauwirtinnen in Alturfahr direkt am Donaustrand sind am Feiertag mittags alle Tische im Gastgarten reserviert. An einem Stehtisch werden die Gäste den Plätzen zugewiesen. Desinfektionsmittel steht bereit, die Speisekarten sind foliert und werden nach der Bestellung abgewischt. Einiges hat sich seit der Wiedereröffnung geändert: Die drei Inhaber stehen alleine in der Küche und bedienen die Gäste. Neun Mitarbeiter mussten zu Beginn der Krise gekündigt werden. Um die Küche zu entlasten, gibt es nur eine reduzierte Karte mit zwei Mittagsmenüs und Flammkuchen.

Katastrophale Bilanz

Die Bilanz nach einer Woche Wiederöffnung sei katastrophal, sagt wiederum Peter Lammer, der Wirt im Johanneskeller in der Stadt Salzburg. "Wir erreichen nur 30 Prozent des Umsatzes, den wir brauchen würden." Der Arkadengarten im Innenhof, wo Einheimische sitzen, war in der ersten Woche gut gefüllt. Aber der vordere Gastgarten, wo sich sonst Städtetouristen niederlassen, blieb leer. Die Stammgäste waren die Rettung, "sonst würden wir nächste Woche zusperren", sagt der Wirt. Auch Angst halte die Menschen vom Gasthausbesuch ab: "Einige Stammgäste fürchten sich, zu kommen. Die Angst, mit der wir monatelang indoktriniert wurden, war ein riesengroßer Fehler."

"In allen touristischen Bereichen läuft es schlechter als gedacht", bilanziert der steirische Gastronomieobmann Friedl. Vor allem zu Mittag. "Da spüren wir, dass noch viele Menschen im Homeoffice sind." Auch das intensivere Takeaway-Geschäft helfe wenig. "Manche Lokale, die schnell umgestellt haben, verbuchen zwar höhere Umsätze, verdienen aber weniger. Es fallen die Gewinnbringer, die Getränke, der Kaffee weg", sagt Friedl. Viele Gastronomen haben daher gar nicht erst geöffnet. Die Wiener Restaurants Figlmüller und Plachutta vertrösten ihre Gäste in der Wollzeile auf später. Szenelokale wie das Café Concerto am Gürtel verharren im Tiefschlaf. Cafetier Berndt Querfeld verlängert die Sperrstunde für drei seiner zehn Betriebe. "Es ist wie bei einem Bergrestaurant im Winter: Die Seilbahn macht es wieder erreichbar, der Schnee aber fehlt, daher kehrt kein Skifahrer ein." Das Café Residenz in Schönbrunn habe er gar nicht erst aufgemacht, was für Friktionen mit dem Schloss sorgte. Das Café Museum schloss nach fünf Tagen erneut die Pforten. Auch das Café Hofburg wartet auf bessere Zeiten. Bei 123 Euro Umsatz in der Woche an einem wunderschönen Platz bleibe ihm nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen.

Wenige Anzeigen

Simon Moser und Magali Castan führen das Café Trabant in Währing mit gemischten Gefühlen. "Am Eröffnungswochenende war viel los, gerade am ersten Tag wollten die Leute reservieren. Wir haben etlichen absagen müssen", sagt Moser. In den vergangenen Tagen habe der Andrang wieder nachgelassen. Kontrollen gab es bei bisher nicht, auch keine Probleme mit den Hygieneauflagen – die Gäste hielten sich an die Vorgaben. Ein paar Anfragen für größere Gruppen als vier Personen habe es gegeben, "ihnen mussten wir leider absagen".

Die Polizei wirke am Vollzug der Covid-Verordnungen im Gastrobereich mit, heißt es aus dem Innenministerium. Sie schreite aber nur ein, wenn es Anzeigen gibt oder Übertretungen im Streifendienst wahrgenommen werden. Deren Zahl sei bisher "sehr überschaubar" gewesen. Dabei können Strafen für Gäste, die Anordnungen ignorieren, bis zu 3600 Euro betragen. Bei Gastwirten, die Auflagen nicht einhalten, können bis zu 30.000 Euro anfallen. (Verena Kainrath, Oona Kroisleitner, Walter Müller, Bernadette Redl, Stefanie Ruep, 23.5.2020)