Wie viel der ÖBB-Güterverkehr an Corona-Hilfen bekommen wird, darüber wird dem Vernehmen nach noch verhandelt. Fix sind laut dem Budgetvoranschlag zumindest 32,3 Millionen Euro an zusätzlicher Förderung für den Schienengüterverkehr, wie aus der Analyse des Budgetdienstes des Parlaments hervorgeht. Diese dürften, wie die bisherigen Förderungen auch, fast zur Gänze der unter Corona-Krisendruck geratenen ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria (RCA) zugutekommen. Denn Transporte im Einzelwagenverkehr und auf der Rollenden Landstraße, für die die RCA zuletzt zwischen 80 und 90 Millionen Euro an Förderungen lukriert hat, führt de facto nur die ÖBB-Tochter durch.

Für das Jahr 2017 hatte das Verkehrsministerium diese finanzielle Unterstützung nachträglich massiv (auf fast hundert Millionen Euro) erhöht, wobei der Großteil auf den sogenannten Einzelwagenverkehr entfällt. Dabei werden Waggons unterschiedlicher Beladung zu einem Zug zusammengebunden, was allerdings teurer ist als der multimodale Containerverkehr. Den kleinen Rest der Zuschüsse teilen sich der Unbegleitete Kombinierte Verkehr (UKV; also Containertransporte) und die Rollende Landstraße.

Autotransporte sind wie Rohstoffe klassischer Bahngüterverkehr. Als die Autowerke stillstanden, ging auch den Bahnen die Fracht aus.
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Ein weiterer Brocken an Schienengüterförderungen soll laut STANDARD-Informationen indirekt erfolgen, also nicht in Form von Zuschüssen, sondern im Wege einer neuerlichen Senkung der Schienenmaut für Güterzüge und einer Verbilligung des Bahnstroms, wie sie im Zuge der RCA-Sanierung seit 2010 mehrfach erfolgte. Beides kommt wohl allen Bahngüterunternehmen zugute, zum überwiegenden Teil aber dem Ex-Monopolisten und Marktführer im Schienengüterverkehr.

Die der ÖBB-Infrastruktur auf diesem Wege entzogenen Einnahmen wird der Staat den Österreichischen Bundesbahnen freilich in Form höherer Zuschüsse ersetzen müssen, diesfalls aber außerhalb des EU-Beihilfenregimes. Die Zuschüsse steigen im Corona-Jahr massiv: Der Entwurf zum Bundesfinanzrahmengesetz 2020 bis 2023 sieht jährliche Steigerungen der Auszahlungen zwischen 1,6 und 5,5 Prozent vor, sodass die Auszahlungen von 4,08 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 4,46 Milliarden Euro im Jahr 2023 steigen. Darüber hinaus sind Rücklagenentnahmen (allein heuer 27,5 Mio. Euro) budgetiert. Vom Verkehrsministerium war zum Thema Förderungen für den Güterverkehr auf mehrfache Nachfrage keine Stellungnahme zu erhalten.

Lkw hat Güterzug abgehängt

Stellt sich die Frage, ob der Staat mit dieser Art von Finanzhilfe die gewünschte Verlagerung der Güter auf die Schiene erreicht. Wohl eher nicht, denn der Straßengüterverkehr hat die Schiene längst abgehängt (siehe Grafik). Vom massiven Einbruch des Frachtaufkommens in der Finanzkrise haben sich die Güterbahnen nie mehr erholt. Die RCA hat sich in diesem Rennen im Vergleich zur EU-Konkurrenz zwar wacker geschlagen, die beförderte Tonnage stagniert aber auch bei ihr. Auf den ersten Blick scheint das Frachtvolumen unverändert, rechnet man aber die 2009 in die ÖBB konsolidierte ungarische Güterbahn Rail Cargo Hungaria (ehemals MávCargo) heraus, wird ein beträchtlicher Rückgang sichtbar.

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Einfacher wird das Geschäft mit dem Schienengüterverkehr auch nach der Corona-Krise mit Sicherheit nicht, denn Lkw-Transporte sind nicht nur deutlich flexibler, sie kommen vor allem auch ohne Umladen aus. Hinzu kommt, dass die RCA – abgesehen von den Transporten von den europäischen Seehäfen – den überwiegenden Teil der Fracht im Einzelwagenverkehr transportiert. Das ist aufgrund der notwendigen Verschubleistungen (die teils unterschiedlich beladenen Waggons müssen jeweils zu einem Zug zusammengeführt werden) deutlich teurer als einheitlich beladene Ganzzüge von Punkt zu Punkt.

Rollende Landstraße

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt die Verteilung der von der RCA transportierten Fracht: Von insgesamt 104 Millionen Tonnen entfallen knapp 83 auf den konventionellen Wagenladungsverkehr, und nur 16,3 sind Container-Transporte (UKV). Eine "quantité négligeable", allerdings mit besonderer politischer Bedeutung, stellt mit zuletzt 5,4 Millionen Tonnen auch die Rollende Landstraße dar.

"Der Zeitpunkt für eine Umstellung auf Intermodalität und Containertransporte wäre jetzt zweifellos günstig", sagt der Transportwirtschaftsprofessor der Wirtschaftsuni Wien, Sebastian Kummer. Er verweist allerdings auf hohe Investitionen, etwa in Fuhrpark und Containerterminals, die notwendig wären. "Der Einzelwagenverkehr ist sicher nicht die Zukunft." Er sei insbesondere auf der Kurzstrecke "kostenmäßig eine Katastrophe". Hinzu komme, dass mit der Effizienz der Lkws der Klimavorteil der Bahn abnehme. Allerdings würde der ÖBB-Güterverkehr bei einer Redimensionierung des Einzelwagenverkehrs extrem viel an Marktanteil einbüßen.

RCA-Chef Clemens Först verweist auf einen "Masterplan, Schienengüterverkehr", den es in der EU dringend brauche. Dazu gehöre insbesondere Kostenwahrheit beim Lkw-Verkehr. (Luise Ungerboeck, 23.5.2020)