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Mitte März gelang den Sozialpartnern ein Kunststück: Innerhalb weniger Stunden einigten sie sich auf ein neues Modell für die Kurzarbeit. Der Arbeitgeber soll seine Beschäftigten nur noch für die tatsächlich geleisteten Stunden bezahlen. Das AMS übernimmt im Gegenzug eine Förderung für die Ausfallzeit. Je nach Bruttobezug bekommt ein Arbeitnehmer einen neuen Kurzarbeitslohn von netto 80, 85 oder 90 Prozent des vorherigen Verdiensts. Das Modell gilt für sechs Monate ab Anfang März.

Doch aktuell ringen die Sozialpartner um eine Korrektur dieser Vorgaben, bereits in der kommenden Woche dürften neue Richtlinien präsentiert werden. Eines der Probleme: Das Modell ist zu teuer, und Förderungen kommen nicht immer dort an, wo sie am meisten gebraucht werden. Besonders bei Unternehmen, die verhältnismäßig wenig von der Krise getroffen sind, kommt es zu Überförderungen.

Dass Korrekturbedarf besteht, darüber dürfte zwischen den Sozialpartnern und der Regierung Konsens bestehen, bestätigen dem STANDARD involvierte Verhandler. Auffassungsunterschiede gibt es nur bei der Größe des Problems und der Frage, wie es zu entschärfen ist. Auf Arbeitnehmerseite kursiert die Zahl, dass die Überförderungen mehr als 500 Millionen Euro kosten könnten.

Die exakte Summe kennt noch keiner, weil sie vor allem davon abhängt, wie stark die Kurzarbeit wirklich genutzt wird. Aber ohne Zweifel geht es um viel Geld. Zum Vergleich: Für die gesamte Kurzarbeit sind aktuell zwölf Milliarden Euro veranschlagt. Außer bei den Arbeitnehmervertretern wird diese Zahl als viel zu hoch angesetzt gesehen. Dass es eine Änderung geben soll, wird aber nicht angezweifelt.

Aber worum geht es überhaupt? Um Fälle mit wenigen Ausfallstunden. Ein Beispiel: Frau Yvonne Muster ist eine Arbeitnehmerin, die 3.000 Euro brutto für ihren 40-Stunden-Job bekommt. Sie wird auf Kurzarbeit geschickt und hat den Vorgaben der Sozialpartner gemäß Anspruch auf 80 Prozent ihres alten Nettolohns. Aus diesem errechnet sich der neue Bruttolohn.

Die ursprüngliche Idee war nun: Jenen Teil des neuen Gehalts, für den sie arbeitet, soll ihr der Arbeitgeber zahlen. Jenen Teil, für den sie nicht arbeitet, zahlt auch das Unternehmen, lässt sich aber dies vom AMS fördern. Aber was geschieht in der Praxis? Das AMS fördert pauschal alle entfallenen Arbeitsstunden – also auch jene zwischen 80 und 100 Prozent – und schaut nicht darauf, was der Arbeitgeber Frau Muster für geleistete Stunden auszahlt.

Das führt zu einem kuriosen Ergebnis, wie Alexandra Platzer, Expertin für Kurzarbeit beim Personalberater PwC, erklärt. Wenn ein Arbeitnehmer in der Kurzarbeit vom Arbeitgeber viel beschäftigt wird, erhält er schon dafür das fixierte neue Mindestbruttogehalt.

Wie das Körberlgeld entsteht

Der Unternehmer trägt jedoch keine Kosten für entfallene Stunden. Dennoch kann sich der Arbeitgeber an das AMS wenden, um die Förderung für entfallene Stunden ansuchen und wird diese als Beihilfe erhalten. An den Arbeitnehmer weiterreichen tut er es nicht. Besonders dieser Punkt ist umstritten: Denn die Arbeitnehmervertreter sind der Ansicht, die Gelder wären weiterzugeben. Doch dazu noch später.

Nehmen wir nun an, Frau Muster arbeitet 80 Prozent ihrer früheren Arbeitszeit. Der Arbeitgeber zahlt ihr 2.400 Euro brutto dafür. Für die nichtgeleisteten Stunden, acht pro Woche, bekommt der Arbeitgeber 742 Euro vom AMS als Beihilfe. Das bleibt dem Arbeitgeber zwar keinesfalls voll – er muss unter anderem Sozialversicherungsbeiträge auf das volle Entgelt zahlen. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt gebühren voll. Aber selbst wenn man das einrechnet, bleiben ihm etwa 300 Euro Körberlgeld. Doch was wird damit gefördert? Keine Kurzarbeit.

Wenn wenig gearbeitet wird ...

Anderes Beispiel: Arbeitet die Frau nur zu 50 Prozent, weil das Unternehmen wenige Aufträge hat, schmilzt dieser Überschuss fast weg, um die circa 100 Euro bleiben. Ironie: Je weniger gearbeitet wird, umso mehr verkehrt sich das Ganze und kann auch zu Unterförderung werden. Besser ausgelastete Betriebe profitieren also tendenziell.

Die Förderungen zu beschreiben ist nicht trivial. Ein zweiter Blick via Grafik.

Bei der alten Kurzarbeit, die als Folge der Krise 2008 eingeführt wurde, hat das AMS einen Pauschalbetrag für jede nichtgearbeitete Stunde bezahlt, der 1:1 an den Arbeitnehmer ging. Nun ist das anders, weil die neue Kurzarbeitsvereinbarung sehr auf die Nettoersatzraten abstellt, wie Platzer von PwC sagt. "Der Arbeitgeber bekommt einen Pauschalersatz vom AMS als Beihilfe. Aber das, was er dem Arbeitnehmer zahlen muss, ist davon entkoppelt."

Sie weist darauf hin, dass es allerdings auch Arbeitgeberleistungen für Beschäftigte gibt, die höher sind, als der Arbeitszeit in der Kurzarbeit entsprechen würde: Das ist beim Sachbezug der Fall.

Unter der Hand heißt es jedenfalls aus Regierungskreisen und bei den Sozialpartnern, dass mit einer Formel die Überförderung abgeschmolzen und begrenzt werden soll. Das soll nicht rückwirkend gelten, also nicht für die ersten drei Monate der Kurzarbeit, sondern nur für die kommenden drei Monate. Die Sozialpartner dürften so weit einig sein. Die Formel: Die Arbeitgeber wollen juristische Unsicherheit vermeiden und dürften daher einer neuen Lösung zustimmen und Arbeitnehmern hier etwas entgegenkommen. Das AMS will sich offiziell nicht äußern.

Im Finanzministerium hält man sich ebenfalls bedeckt. Dort heißt es nur: Die Kurzarbeit habe viele Jobs gerettet. "Klar ist, dass bei der Fülle an Anträgen immer wieder Fälle dabei sein können, die man sich im Einzelfall gesondert ansehen muss." (András Szigetvari, Andreas Schnauder, 23.5.2020)