Donald Trump sieht in der Einhaltung des Open-Skies-Vertrags keinen Sinn, weil sich auch Russland nicht daran halte.

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Washington/Berlin – Die USA haben ihren angekündigten Ausstieg aus dem Open-Skies-Abkommen über militärische Beobachtungsflüge gegen internationale Kritik verteidigt. Robert O'Brien, Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, sagte der "Bild"-Zeitung vom Samstag: "Die Russen verletzten den Vertrag systematisch, indem sie amerikanischen und verbündeten Flugzeugen Überflüge verweigerten."

Zugleich habe Russland Überflüge genutzt, "um zivile Einrichtungen zu überfliegen, das Weiße Haus, Camp David und einen Golfplatz, auf dem sich auch der Präsident aufhält".

EU-Außenminister bedauern Ausstieg

Die USA hatten am Donnerstag erklärt, dass sie sich aus dem Vertrag zwischen Nato-Staaten und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts zur gegenseitigen militärischen Luftüberwachung zurückziehen. Als Grund gaben sie Vertragsverletzungen durch Russland an, weshalb auch die USA nicht mehr daran gebunden seien. Die Ankündigung löste international Irritation aus. Russland dementiert die Vorwürfe.

Auch wenn man Zweifel an der Einhaltung der Vertragsklauseln durch Russland teile, bedauere man die Ankündigung, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Mitteilung der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens und weiterer EU-Länder. Der Vertrag sei ein "entscheidendes Element zur Vertrauensbildung" und trage viel zur Verbesserung der Transparenz und Sicherheit bei.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief die USA auf, den Ausstieg zu überdenken. "Der Vertrag schafft Transparenz und Vorhersehbarkeit. Er ist ein wichtiger Beitrag zur europäischen und globalen Sicherheit uns Stabilität", betonte er.

Nato appelliert an Russland, Vertrag einzuhalten

Die Nato pochte gegenüber Russland auf die Einhaltung von Open Skies. Die USA hätten erklärt, ihren Rückzug zu überdenken, sofern sich Russland wieder an die Vertragsbestimmungen halte, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Da die Aufkündigung des Abkommens erst in sechs Monaten in Kraft trete, habe Moskau die Möglichkeit, seinen Kurs noch zu ändern. Russland verhänge "seit vielen Jahren Flugbeschränkungen, die nicht mit dem Vertrag vereinbar sind".

Open Skies erlaubt den zuletzt 34 Unterzeichnerstaaten unter anderem mehrere Beobachtungsflüge pro Jahr im Luftraum der Vertragspartner. Der Vertrag wurde 1992 abgeschlossen und trat 2002 in Kraft. Er gibt allen Vertragsstaaten das Recht, unbewaffnete militärische Aufklärungsflüge über den Territorien aller anderen Vertragsstaaten durchzuführen. Wie viele Flüge pro Jahr ein Staat zulassen muss bzw. zu wie vielen er selbst berechtigt ist, wird mit bestimmten Quoten festgelegt. Bisher gab es seither mehr als 1.500 Beobachtungsflüge. Sie dienen vor allem der Vertrauensbildung. An allen Flügen nehmen sowohl Vertreter der beobachtenden als auch der beobachteten Staaten teil.

US-Botschafter kritisiert Maas

Der deutsche Außenminister Heiko Maas hatte am Donnerstag erklärt, man werde sich dafür einsetzen, "dass die US-Regierung ihre Entscheidung noch einmal überdenkt". Kritik an Maas äußerte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. "Anstatt sich über die Reaktion der USA zu beklagen, hätte Heiko Maas in den letzten Jahren den Druck auf Russland erhöhen sollen, seinen Verpflichtungen nachzukommen", sagte Grenell der "Rheinischen Post" vom Samstag.

Auch in den USA gab es Kritik an der Ankündigung. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, erklärte am Freitag, der Rückzug "untergräbt die Glaubwürdigkeit Amerikas in der Weltgemeinschaft weiter und macht Amerikaner weniger sicher". Der Schritt mache die USA "blind" und ermutige ihre Feinde.

Der Rückzug aus solch wichtigen Verträgen sei "eine weitere Etappe der Demontage der internationalen Sicherheit", sagte Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Russland fühle sich dem Vertrag dennoch verpflichtet. Demnach plant Moskau bis auf weiteres keinen Ausstieg, das Abkommen könnte zumindest zwischen europäischen Nato-Ländern und Russland weiter Bestand haben.

Die USA haben unter Trump bereits zahlreiche internationale Abkommen verlassen, darunter das Atomabkommen mit dem Iran, das Pariser Klimaabkommen und den INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen. Letzterer war von den USA und der Sowjetunion geschlossen worden und war für Europa der wichtigste Vertrag zur atomaren Abrüstung. Trump will, dass künftige Abrüstungsverträge neben Russland auch China einschließen. (APA, 23.5.2020)