Spatenstecher beim Spatenstechen. Oberwart/Felsöör/Borta/Erba wird ein neues Krankenhaus kriegen. Jetzt aber wirklich.

Foto: Hans-Christian Siess/Landesmedienservice Burgenland

Gut Ding, sagt man, braucht Weile. Im Burgenland, wo mit Inbrunst nicht gehudelt wird, hält man sich gerne an diese Lebensweisheit. Man neigt aus Überzeugung dazu, sich erst einmal zusammenzusetzen (zurzeit halt mit Maske), zu beratschlagen und abzuwarten. Wenn dann nichts passiert ist, kann man immer noch ein Gutachten in Auftrag geben. Und eventuell ein zweites. Dann setzt man sich wieder zusammen, beratschlagt, wartet ab. Und so weiter. Ehe man sich's versieht, sind auch schon wieder zwanzig Jahre ins Land gegangen. Dann sagt man: "Kinder, Kinder: wie die Zeit vergeht."

Ganze Politikergenerationen kommen und gehen, doktern herum und hinterlassen den Nachfolgern die Angelegenheit so weit intakt, dass die Neuen auch was zum Herumdoktern haben. Altgediente Berichterstatterinnen und Berichterstatter haben es da leicht. Sie müssen, um Neuigkeiten auszutrommeln, sich nur erinnern. Und wenn das Langzeitgedächtnis auch nicht mehr funktioniert, kann man immer noch im Archiv nachschauen.

In Stein gemeißelt

Ein Beispiel: Im Turbulenzjahr 2015 ist Norbert Darabos als SPÖ-Gesundheitslandesrat ins Burgenland zurückgekehrt. Bei einem seiner ersten Pressegespräche kam er auf den Neubau des Schwerpunktkrankenhauses in Oberwart zu reden. 2021, so der neue Landesrat, werde dieser schon sehr lange ins Auge gefasste Bau endlich vollendet sein. 160 Millionen Euro werde der dann allerhöchstens gekostet haben. (Georg Gesellmann, der wunderbare, 2016 viel zu früh verstorbene Kollege vom "Kurier", stieß mich mit dem Ellbogen an und flüsterte: "Soll ich ihn fragen, ob das in Stein gemeißelt ist?" Ich nickte. Er frug. Es war.)

Am vergangenen Dienstag, dem 19. Mai des Jahres 2020, geschah dann – immerhin – der Spatenstich. Die Gesundheit ressortiert nun beim Landeshauptmann, bei Hans Peter Doskozil. Und jetzt soll es aber wirklich ruck, zuck gehen. Eröffnung: 2024. Baukosten: 235 Millionen. Doskozil: "Das ist die Obergrenze, die wir nicht überschreiten werden." Read my lips, sozusagen.

Lizitationen

Begonnen hat die Geschichte 2004. Da war das Krankenhaus 25 Jahre alt, aber baulich marod. Roter Gesundheitslandesrat war Peter Rezar, roter Landeshauptmann Hans Niessl. Man setzte sich zusammen, beratschlagte. Und wartete einmal ab.

2007 entschied man zu sanieren: Fertigstellung 2013, Kosten 80 Millionen.

2010 evaluierte man: Zustand noch schlechter als schlecht; daher Kosten von 100 Millionen.

2013 – man hatte sich zusammengesetzt, beratschlagt und plante schon auf Teufel komm raus – kam der Planungsstopp: Der Bauzustand wäre irreparabel, also Neubau. Kosten: 150 bis 160 Millionen.

2015 übernahm Darabos, 2018 Doskozil. Und der sagte, was Rezar und Darabos auch gesagt haben ein ums andere Mal: "Alle Pläne müssen neu überdacht werden."

In der Zwischenzeit schaute der Bundesrechnungshof nach. 9,3 Millionen – hätt mas net, dann tät mas net – waren schon verplant. "Verlorenes Geld", so der Rechnungshof im vorigen Jahr.

Lange kurze Autobahn

Auch höher- und hochrangige Straßenbauten finden sich auf der langen Bank. Die S7, die Fürstenfelder Schnellstraße, die den Industriestandort Heiligenkreuz/Szentgotthárd mit der Südautobahn verbinden soll, startete bereits in den 1990er-Jahren in die Planungsphase. Jetzt gerade entsteht dafür bei Rudersdorf Burgenlands erster Tunnel.

Dass die A3, die Südostautobahn, irgendwann bis an die ungarische Grenze führen werde, schien auch von Anfang an – Verkehrsfreigabe von Baulos eins, Eisenstadt–Großhöflein, war 1974 – klar zu sein. Jetzt, 2020, würden nur noch knapp zehn Kilometer fehlen.

Lückenschluss

Im Jahr 2002 wurde diese Lücke zwischen Eisenstadt und der Grenze zwecks baldiger Schließung in das Bundesstraßengesetz aufgenommen. Und zwar auf ausdrücklichen Wunsch – "Entschließung" heißt das auf parlamentarisch – des burgenländischen Landtages. In einem "Memorandum of Understanding" garantierte Österreich daraufhin dem ungarischen Nachbarn den Lückenschluss für den Fall des Falles.

Und der tritt nun gemeinerweise ein.

Wünschen

Nun gilt es, sich zurückzuwünschen. Denn spätestens 2023 wird die M 85 auf ungarischer Seite an die österreichische Grenze stoßen. Im März des Vorjahres hat sich der Landtag von der Landesregierung gewunschen, sie möge in die Verlängerung der A3 nicht einwilligen, wenn in einer der Anrainergemeinden dem nicht zugestimmt werde. Siegendorf/Cindrof ist so eine Gemeinde, Zagersdorf/Cogrštof auch.

Der grüne Nationalrat Michel Reimon ist ein Siegendorfer, sein türkiser Kollege Christoph Zarits ein Zagersdorfer. Die zwei wünschten sich mit ihren Parteifreunden im November von der Übergangsbundesregierung, man möge "evaluieren" und bis zum 31. Juni 2020 "einen Bericht vorlegen". (So sagt man in Wien, wenn man "z'sammsetzen, beratschlagen, abwarten" meint.)

Risiko

Der burgenländische Landtag mochte aber auf diesen Bericht nicht warten. Man war ganz ungewohnt betriebsam und wünschte sich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen schon im heurigen April, es doch besser überhaupt gleich sein zu lassen. Man möge die A3, bitt' schön, herausnehmen aus dem Bundesstraßengesetz.

Auf dass die Ungarn dann halt eine Sackautobahn errichten. Burgenlands Grünen-Chefin Regina Petrik im Überschwang der jännerlichen Landtagswahl tatsächlich: "Wenn die Ungarn bis zur Grenze bauen, ist das ihr Risiko."

Rechtssicherheit

Die rote Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf erläuterte unlängst: "Wir wollen diese Diskussion endlich vom Tisch haben." Denn: "Da geht es nicht nur um ein klares Bekenntnis seitens des Bundes gegen das Verkehrsprojekt, sondern auch um Rechtssicherheit für die Gemeinden."

Nur für den Fall, dass die Ungarn nachfragen: jogbiztonság heißt Rechtssicherheit in deren Sprache.

Optimismus

Die Asfinag hat vorderhand einmal eh die praktische pannonische Variante gewählt. "Der Baubeginn ist aus derzeitiger Sicht für 2027 geplant", hieß es vor ein paar Monaten.

Wir erlauben uns zu mutmaßen: Das ist die optimistischere Planungsvariante. (Wolfgang Weisgram, 26.5.2020)