Der erste Lockdown im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen dauert ab Ende März fünf Wochen, der jetzige zweite soll bis 3. Juni reichen.

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Traiskirchen/Wien – Ihre Tage sollen sie auf ihren Zimmern verbringen, und zwar möglichst ununterbrochen. Hinaus dürfen sie nur, um im Speisesaal Essen zu holen, um sich untersuchen zu lassen sowie um im Lagerareal kurz spazieren zu gehen: Seit vergangenem Mittwoch leben die rund 480 Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingserstaufnahmestelle Traiskirchen in Niederösterreich unter strengen Kontaktbeschränkungen, berichtet ein Insasse.

Im größten österreichischen Flüchtlingsbundesquartier ist das bereits der zweite Lockdown mit solch einschränkenden Auflagen, die angesichts der vielfach eng belegten Zimmer besonders hart erscheinen.

Bis zu 3.600 Euro Strafe

Ein erstes Betretungsverbot in der Stelle galt fünf Wochen lang, von 24. März bis 30. April, nachdem drei Corona-Fälle aufgetreten waren. Einer der Erkrankten starb. Die nunmehrige "Verordnung über das Verbot des Verlassens und des Betretens der Betreuungsstelle Ost" soll bis 3. Juni aufrecht bleiben. Flüchtlingen, die gegen sie verstoßen, drohen bis zu 3.600 Euro Strafe.

Grund dafür sind zwei positiv auf das Coronavirus getestete Flüchtlinge. Laut dem Traiskirchen-Bewohner handelt es sich um "zwei Maghrebiner", die neu ins Lager gekommen sind. Einer von ihnen soll seit 15. Mai Krankheitssymptome gezeigt haben, berichtet die APA. Beide Betroffene seien abgesondert worden.

Flächendeckende Tests

Laut dem Lagerbewohner wurden am Freitag sämtliche Traiskirchen-Insassen getestet, ebenso alle Personen, die auf dem Areal arbeiten. Testresultate gebe es noch nicht. Aus dem Innenministerium kamen an Sonntag keine Informationen, man werde am Montag Stellung nehmen.

Die neue Lockdown-Verordnung gilt nur für die Flüchtlinge, nicht aber für die Exekutive, Blaulichtorganisationen, Zulieferer, Betreuungspersonal sowie "vorzuführende Asylantragsteller". Sie enthält eine Frist, die laut dem aktuellen Wissensstand über das Coronavirus und die Validität von PCR-Tests befremdlich erscheint.

Seltsame 14-Tage-Frist

Von den Kontakteinschränkungen ausgenommen seien Personen, deren "negativer molekularbiologischer Test auf Sars-CoV-2 nicht älter als 14 Tage" sei, heißt es darin. Mögliche Infektionen in den zwei Wochen danach werden so nicht abgetestet.

Überhaupt sei das neuerliche Betretungsverbot nur deshalb notwendig geworden, weil das zuständige Innenministerium nichts gegen die in Epidemiezeiten inakzeptablen Lebensbedingungen in der Erstaufnahmestelle unternommen habe, kritisiert Lukas Gahleitner von der NGO Asylkoordination.

Übersiedlung gefordert

"Dass die Infektionsgefahr umso höher ist, je mehr Leute auf einem Haufen sind, weiß man. Warum also wurden die Flüchtlinge aus Traiskirchen nicht in kleinen Gruppen in andere Quartiere übersiedelt, wo sie sich besser voneinander fernhaltenkönnen?", fragt er.

Leerstehende Asylbundesquartiere gebe es genug, sagt Gahleitner: "Das Innenministerium zahlt derzeit für 15 ungenutzte Gebäude Miete." Wahrscheinlich fürchte man im Fall von Asylwerberverlegungen Ablehnung in Städten und Gemeinden.

Tatsächlich hatte man im Ministerium Ende März überlegt, leerstehende Gebäude in Leoben und am Semmering als Reservequartiere im Fall von Quarantäne in anderen Unterkünften zu nutzen. Einen Tag später ergänzte man: Ob es überhaupt zu Verlegungen komme, sei "derzeit noch nicht klar". (Irene Brickner, 24.5.2020)