Petra Lederer jongliert. Die Mitarbeiterinnen, die Eltern, die Kinder – alle haben unterschiedliche Bedürfnisse. Und dann sind da natürlich noch die Hygieneregeln im Kampf gegen das Coronavirus. "Es ist organisatorischer Wahnsinn", sagt sie. Lederer leitet einen Kindergarten für 160 Kinder und ist Sprecherin des Forums für Elementar- und Hortpädagogik der Gewerkschaft Younion in Tirol. Die Leiterin muss jede Woche einen neuen Plan ausklügeln, bei dem die Räume nicht zu voll werden, die Kinder, wenn möglich, in ihren Stammgruppen bleiben können und auch noch Wünsche nach Betreuung an unterschiedlichen Wochentagen berücksichtigt werden.

Neun Gesetze, viele Auslegungen

Seit 15. Mai sind nicht nur die Mittelschulen und Unterstufen wieder regulär geöffnet, auch für die Kindergärten gibt es vom Bund keine rechtlichen Einschränkungen mehr. Was das für die einzelnen Einrichtungen heißt, ist je nach Bundesland und Betreiber unterschiedlich. In Österreich fallen die Kindergärten unter die Landesgesetzgebung, umgesetzt wird diese von den Erhaltern – das können Gemeinden, die Länder selbst, aber auch private Betreiber sein.

Man hätte sich ein geordnetes Hochfahren der Kindergärten gewünscht.
Foto: EPA/IAN LANGSDON

Die Konsequenz sind neun unterschiedliche Gesetze und äußerst verschiedene Auslegungen derselben. Insgesamt seien die Regelungen sehr schwammig, sagt Kindergartenleiterin Lederer.

Widersprüchliche Empfehlungen

So heißt es etwa in einer Information der Bildungsdirektion Oberösterreich an die Leitungen der Kindergärten in einem Absatz: "Kinder brauchen die Begegnung, und viele Kinder sehnen sich bereits sehr nach ihren Freunden und ihren Bezugspersonen in den Einrichtungen. Ab 18. Mai sollen daher Kinder wieder die Möglichkeit haben, ihre gewohnte Einrichtung zu besuchen." Ein paar Sätze weiter steht: "Weiterhin gilt der Appell an die Eltern, Sozialkontakte zu vermeiden, und damit auch dort, wo es einfach geht und gut organisierbar ist, Kinder zu Hause zu betreuen."

Der Bund empfiehlt, Kindergartenkinder im letzten Jahr wieder in die Einrichtung zu holen, um den Übergang in die Schule im Herbst zu erleichtern. Auch jene, die im vierten Kindergartenjahr sind und einen erhöhten Sprachförderbedarf haben, sollen wieder kommen. Manche Bundesländer setzen das so um, andere – wie etwa Salzburg – haben schon länger vermehrt Kinder zurück in die Einrichtungen geholt. Die zuständige Landesrätin Andrea Klambauer (Neos) rechnet in den nächsten Wochen mit einer Auslastung von 90 Prozent.

Platz für alle, die ihn brauchen

Tirol wiederum appelliert an die Eltern, alle Kinder – außer jene im letzten Jahr und jene mit Sprachförderung im vierten Jahr – noch zu Hause zu betreuen. Vorarlberg öffnet erst am 2. Juni die Kindergärten ohne Einschränkungen. Klar ist aber in allen neun Bundesländern: Die Kindergärten müssen jedem einen Platz geben, der einen braucht.

Eine Anfrage des STANDARD bei den neun zuständigen Landesrätinnen und -räten zeigt: In fast allen Bundesländern besuchen wieder mehr als die Hälfte der Kinder die Einrichtungen. Alle Landesräte rechnen damit, dass es in den kommenden Wochen noch mehr werden.

Aus Oberösterreich gibt es keine zentralen Zahlen – aufgrund der vielen Betreiber, heißt es. In Linz sind derzeit knapp fünfzig Prozent der Kinder zurückgekehrt. Die Wiener Zahlen beziehen sich nur auf die städtischen Kindergärten, nicht auf die privaten Einrichtungen.

Und dann wird es eng. "Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst an die Grenze kommen werde", sagt Lederer. Entweder die Pädagoginnen gehen ihr aus – oder der Platz im Kindergarten. Schließlich ist sie dazu angehalten, die Gruppen möglichst klein zu halten, abweisen darf sie aber auch niemanden. Ein Drahtseilakt. Das gilt auch für die Umsetzung der Hygieneregeln.

Nicht auf Augenhöhe

"Manche Empfehlungen im Handbuch des Ministeriums sind unrealistisch", sagt Lederer. Als Pädagogin zu kleinen Kindern immer Abstand zu halten sei unmöglich. Auch wird empfohlen, dem Kind nicht auf Augenhöhe zu begegnen. "Sobald ich ein Würfelspiel mache, muss ich mich mit dem Kind hinsetzen."

Trotzdem lasse sich mit Hausverstand einiges machen. Alle Spielsachen, die nicht waschbar sind, wurden verbannt. Beim Händewaschen singen die Kinder ein Lied, das so lange dauert, wie sie ihre Hände waschen sollen. "Jede Gruppe hat ein eigenes", sagt Lederer. Bei Spaziergängen gehen die Kinder an einem Seil – jedes hat seinen eigenen Knopf nach einem Meter. Wie überall sind auch hier Kinder unter sechs Jahren vom Tragen der Maske befreit. Die Pädagoginnen in Lederers Kindergarten tragen Mund-Nasen-Schutz oder Visiere.

Ohne Maske

Ivonne Mayr ist Leiterin eines Montessori-Kindergartens in Oberösterreich. Ihre Einrichtung ist wesentlich kleiner als die Lederers – es sind 24 Kinder angemeldet, neben Mayr gibt es noch eine Pädagogin.

Oberösterreich schreibt den Kindergärtnerinnen das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes nicht vor. "Es steht den Rechtsträgern frei, diesen einzusetzen", heißt es in den Empfehlungen des Landes. Mayr hat deshalb gemeinsam mit dem Vorstand ihres Kindergartens entschieden, keine Masken zu tragen.

Kinder "können das"

"Unser Gesichtsausdruck ist für die Kinder enorm wichtig. Eine Maske wäre da sehr kontraproduktiv", sagt Mayr. "Ich als Pädagogin trage Eigenverantwortung, und die Kinder halten sich vorbildlich an alle Hygieneregeln. Sie halten Abstand zu uns und waschen sich mehrmals täglich die Hände." Die Kinder könnten sich allein an- und ausziehen, auch bei den Schuhen bräuchten sie kaum Hilfe, und die Pädagoginnen müssen sich so nicht in Bodennähe und damit in Ansteckungsgefahr begeben. "Unsere Kinder sind so selbstständig, die können das allein."

Das Virus basteln

Ein selbstgebasteltes Corona-Bilderbuch unterstütze die Kleinen beim Verhalten in der Gruppe. Auch ein Virus aus rosa Karton haben sie gebastelt. Hygienevorschriften wie das Husten in den Ellbogen hätten sie den Kindern sowieso schon immer vermittelt, sagt Mayr. "Es läuft sehr gut, auch wenn wir schon wieder ein volles Haus haben." 21 der 24 angemeldeten Kinder sind zurückgekehrt.

Eines haben beide Leiterinnen gemeinsam: den Wunsch nach einheitlichen Rahmenbedingungen. "Der andere Kindergarten im Ort nimmt nicht alle Kinder auf, weil sie einen eingeschränkten Betrieb haben", erzählt Mayr. "Jeder macht seine eigenen Regeln, das ist nicht nachvollziehbar."

Lederer hätte sich vor allem ein geordnetes Hochfahren der Kindergärten gewünscht. "Bei den Schulen gab es ein klares Konzept: erst die Abschlussklassen, dann die Jüngeren und am Schluss die Oberstufen. Bei uns heißt es, wir müssen alle nehmen, die einen Platz brauchen." Es gebe keine Strategie. "Man denkt sich, die Kindergärten werden das schon richten." (Lisa Kogelnik, 26.5.2020)