Hundert Jahre lagen zwischen Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, die 1915 Gravitationswellen vorhersagte, und dem tatsächlichen Nachweis dieses Phänomens: Mit den 2015 erstmals empfangenen Gravitationswellensignalen, die bei der Verschmelzung zweier stellarer Schwarzer Löcher entstanden sind, hat die Ära der Gravitationswellenastronomie begonnen. Nun wollen Astrophysiker ein neues Kapitel aufschlagen und auch Gravitationswellen im Nanohertzbereich aufspüren. Solche Gravitationswellen würden etwa einander umkreisende supermassereiche Schwarze Löcher auslösen – lange, bevor sie ineinander stürzen.

Die indirekte Beobachtung eines solchen Systems aus supermassiven Schwarzen Löchern ist nun einem internationalen Fordscherteam gelungen. Die Wissenschafter haben damit den Beweis erbracht, dass es sich bei dem Quasar OJ 287 um ein Doppelsystem von zwei gigantischen Schwarzen Löchern handelt, deren Wechselwirkung miteinander Gravitationswellen im Nanohertzbereich abstrahlen sollte. Mehr noch: Die Astrophysiker verifizieren überdies das sogenannte "No-Hair"-Theorem zu Schwarzen Löchern.

Die Illustration zeigt das Zentrum von OJ 287. Zwei supermassereiche Schwarze Löcher umkreisen einander in diesem Quasar mit einer Umlaufperiode von 12 Jahren auf relativistischen Umlaufbahnen.
Illustration: NASA/JPL-Caltech

Hochpräzise Messungen

In der aktuellen Ausgabe der "Astrophysical Journal Letters" stellen die Forscher ihre Beobachtungsdaten vor, die im vergangenen Jahr aufgenommen wurden. "Unterstützt wurden die Messungen des Spitzer-Weltraumteleskops durch optische Beobachtungen von der Erde aus", berichtet Markus Mugrauer, Koautor der Studie vom Astrophysikalischen Institut und der Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Die Beweisführung liegt darin, dass die Beobachtungen zuvor anhand der Allgemeinen Relativitätstheorie gemachte Vorhersagen mit hoher Genauigkeit bestätigen. "Wir wussten bereits, dass OJ 287 ein Quasar ist — ein quasi stellares Objekt —, das zwar durch ein Fernrohr betrachtet wie ein Stern erscheint, tatsächlich aber das extrem leuchtkräftige Zentrum einer Galaxie ist", so Mugrauer.

Auffällig an dem etwa vier Milliarden Lichtjahre entfernten Objekt im Sternbild Krebs ist die zeitliche Variabilität der Leuchtkraft: Zweimal in zwölf Jahren erhöht sich die Helligkeit von OJ 287 innerhalb von nur zwei Tagen deutlich im Vergleich zur restlichen Zeit. Dieses eigentümliche Verhalten hatten sich Astronomen damit erklärt, dass sich im Zentrum von OJ 287 nicht nur ein, sondern gleich zwei supermassereiche Schwarze Löcher befinden, die einander mit einer Umlaufperiode von zwölf Jahren umkreisen.

Durch die Akkretionsscheibe

Doch bisher war das nur eine Theorie. Die Berechnungen sagten einen erneuten Helligkeitsausbruch von OJ 287 für den Morgen des 31. Juli 2019 voraus. "Auf seiner Umlaufbahn durchstößt das sekundäre Schwarze Loch eine Akkretionsscheibe aus Gas, die das primäre Schwarze Loch umgibt", sagt Mugrauer. Dabei wird jedes Mal in einer heftigen Explosion extrem heißes Gas freigesetzt, was sich von der Erde aus als Helligkeitsausbruch beobachten lässt.

OJ 287, aufgenommen im R-Band (659 nm) mit der Schmidt-Teleskop-Kamera am 90-Zentimeter-Spiegelteleskop der Universitäts-Sternwarte in Großschwabhausen.
Foto: M. Mugrauer, F. Hildebrandt/FSU

Der für 2019 berechnete Ausbruch sollte ähnlich verlaufen wie der, der im Jahr 2007 beobachtet wurde, da das sekundäre Schwarze Loch die Scheibe um das primäre Schwarze Loch fast am selben Punkt und in gleicher Richtung durchquerte wie zwölf Jahre zuvor. Und tatsächlich konnten die Astrophysiker genau das beobachten: Das Teleskop fing das erwartete Signal des Ausbruchs in der Lichtkurve von OJ 287 ein, mit einer Abweichung von weniger als vier Stunden vom vorhergesagten Zeitpunkt.

Schwarze Löcher sind "glatte" Objekte

Mit den veröffentlichten Beobachtungen konnte das Forschungsteam zudem ein fundamentales Theorem der Physik Schwarzer Löcher verifizieren, das als "No-Hair"-Theorem bezeichnet wird. Dieses Theorem besagt, dass Schwarze Löcher völlig glatte Körper sind — scherzhaft "ohne Haare" — was jegliche Unebenheiten ihres Ereignishorizontes ausschließt.

Eine Möglichkeit der Beweisführung ist es, die Bewegung eines Satelliten um ein Schwarzes Loch mit großer Genauigkeit zu untersuchen: Wenn das Schwarze Loch Unebenheiten, also "Haare", aufweisen würde, dann sollte sich die Umlaufbahn des Satelliten auf eine bestimmte, messbare Weise verändern. Die jetzt aufgenommenen Daten sowie frühere Beobachtungen der Helligkeitsausbrüche von OJ 287 ermöglichten es, den Orbit des sekundären Schwarzen Lochs sehr präzise zu bestimmen, was die Gültigkeit des "No-Hair"-Theorems belegt. (red, 31.5.2020)