Anders als den deutsch-französischen Hilfsplan in der Corona-Krise will die EU-Kommission den Gegenentwurf der vier Nettozahlerländer rund um Österreich nicht kommentieren.

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Brüssel – Die EU-Kommission wird "zum überwiegenden Teil Subventionen" für ihren Wiederaufbauplan am Mittwoch vorsehen. Wie der EU-Kommissionsvertreter in Wien, Martin Selmayr, am Montag weiter sagte, will die EU-Kommission am Mittwoch einen Wiederaufbauplan in Höhe von 500 Milliarden Euro und einen EU-Finanzrahmen für 2021 bis 2027 im Umfang von rund einer Billion Euro vorschlagen.

Die Nettozahler Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden hatten am Wochenende auf zwei Jahre befristete und rückzahlbare Notkredite für die EU-Wiederaufbauhilfen verlangt, was etwa von Italien heftig kritisiert wurde. "Der überwiegende Teil werden Subventionen sein", sagte Selmayr. Dies ergebe sich aus dem EU-Budget, das zum Großteil aus Zuschüssen bestehe, und andererseits aus dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom 23. April, das EU-Budget für den Wiederaufbau zu nutzen. Das genaue Verhältnis von Subventionen und Krediten – 60 zu 40 Prozent oder 70 zu 30 Prozent – sei noch zu klären, sagte Selmayr.

"Gemeinsame Schnittmenge"

Der EU-Kommissionsvertreter ortet dennoch keinen Richtungsstreit in der EU, sondern "eine gemeinsame Schnittmenge von 90 Prozent". Der Kommissionsvertreter zeigte sich zuversichtlich, dass der EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 im Sommer beschlossen werde. Eine Chance biete der EU-Gipfel am 18. Juni, wahrscheinlich brauche es aber noch einen weiteren Anlauf Ende Juni oder Anfang Juli, sagte er. Europa müsse "jetzt klotzen, nicht kleckern", sagte der Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erwartet harte Verhandlungen über den Hilfsplan. Der von Deutschland und Frankreich dazu gemachte Vorschlag dazu sei "kühn" und "absolut notwendig", sagte Borrell am Montag. Er sei aber angesichts der tiefen Kluft zwischen den Mitgliedstaaten "nicht ausreichend". Den Gegenentwurf zu dem deutsch-französischen Vorhaben aus den vier Nettozahler-Ländern um Österreich wollte die Kommission in Brüssel nicht kommentieren.

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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erwartet harte Verhandlungen über den Hilfsplan.
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Kosten für Österreich

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten vor einer Woche einen 500 Milliarden Euro schweren Fonds vorgeschlagen, der die am stärksten betroffenen Länder mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen unterstützen soll. Die EU-Kommission soll dazu die Erlaubnis erhalten, "im Namen der EU" Schulden an den Finanzmärkten aufzunehmen.

Laut Berechnung des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), würde der deutsch-französische Plan Österreich zwischen 3,4 und 4,4 Milliarden Euro kosten, also rund ein Prozent seiner Wirtschaftskraft. Der deutsche Nettobeitrag betrüge demnach 24 bis 38 Milliarden Euro. Größte Profiteure wären Italien (19 bis 26 Milliarden) und Spanien (14 bis 24).

Telefonat nach Kritik aus Italien

"Wir müssen ganz Europa zusammenbringen", sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell bei der Jahreskonferenz der deutschen Botschafter per Video. "Das ist schwierig, das ist hart, weil es in vielen Fragen große Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten gibt." Deshalb reiche der deutsch-französische Plan alleine nicht aus.

Der italienische Minister für Europa-Angelegenheiten, Vincenzo Amendola, führte am Montag ein Telefonat mit seiner österreichischen Amtskollegin Karoline Edtstadler (ÖVP).
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Der italienische Minister für Europa-Angelegenheiten, Vincenzo Amendola, führte am Montag ein Telefonat mit seiner österreichischen Amtskollegin Karoline Edtstadler (ÖVP). Amendola hält den Gegenentwurf von Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Corona-Krise als "unangemessen". "Die ´sparsamen Länder' zählen zu den EU-Staaten, die die meisten Vorteile von dem EU-Binnenmarkt haben. Sie müssen begreifen, dass der Recovery Fund dem gemeinsamen Markt dient. Wenn der europäische Markt zusammenbricht, wird es für alle 27 EU-Länder keine Zukunft geben. Kein Land rettet sich allein", sagte der italienische Minister.

Gegenentwurf legt "Finger in Wunde"...

Das CDU-Präsidium unterstützte nach Angaben aus Teilnehmerkreisen den Merkel-Macron-Plan. Die deutsche Kanzlerin bekräftigte demnach am Montag, es werde Deutschland "nur gut gehen, wenn es Europa gut geht".

Allerdings lobte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfang Steiger, auch den Gegenvorschlag aus Österreich, Dänenmark, Schweden und den Niederlanden, der nicht auf Zuschüsse, sondern rückzahlbare Kredite setzt und eine Vergemeinschaftung von Schulden ablehnt. Der Plan sei "eine wirklich schnell helfende Alternative zur deutsch-französischen Initiative", sagte Steiger dem "Handelsblatt". Der Merkel-Macron-Plan berge dagegen die Gefahr einer Schuldenunion und wirke zu spät.

"Der Vorschlag der 'Sparsamen Vier' legt den Finger in die Wunde des Verschuldungsverbots", erklärte auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Er mache "sehr deutlich, woran die deutsch-französischen Überlegungen aus der vergangenen Woche kranken: einer seriösen Finanzierung". Allerdings helfe auch Sparsamkeit alleine nicht, sonst sei Europa nicht mehr handungsfähig. Nötig sei ein Kompromiss.

...oder gilt als "Provokation"

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen nannte den Vorschlag der Vierer-Gruppe dagegen "eine einzige Provokation". Die zu hohe Verschuldung einzelner EU-Länder sei nicht mit dem Angebot weiterer Schulden zu lösen, sagte Röttgen der "Süddeutschen Zeitung".

Die Grünen-Europaexpertin Franziska Brantner sprach in der "SZ" von einem "verlogenen Schwarzfahrer-Vorschlag". "Die geizigen Vier profitierten selber ökonomisch massiv von einem funktionierenden Binnenmarkt, wollen aber den Beitrag dafür auf die Schultern der anderen verteilen und gleichzeitig zu Hause populistisch dagegen agitieren."

Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich, Christoph Leitl, forderte Kompromissbereitschaft. "Die deutsche Regierung ist vorangegangen. Nun müssen andere folgen, damit die Länder, die am dringendesten auf Hilfe angewiesen sind, diese rasch bekommen", verlangte Leitl. Auch stärkere Länder müssten allergrößtes Interesse daran haben, dass die schwächeren schnell wieder auf die Beine kommen. Das gelte gerade auch für Österreich. "Unser Wohlstand basiert wesentlich darauf, dass es Europa gut geht, dass es offene Grenzen gibt – für Waren und für Menschen", sagte Leitl. (APA, AFP, 25.5.2020)