Mit dem Spruch des Kartellgerichts wurde der Streit zwischen PSA und dem Händlerverband vertagt. Der Autobauer will beim Kartellobergericht in die Berufung gehen.

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Wien – Paukenschlag im Autohandel: Das Kartellgericht Wien hat den französischen Autohersteller PSA wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung im Neuwagenvertrieb in Österreich verurteilt. Der gegen Generalimporteur Peugeot Austria Mitte Mai ergangene Beschluss des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien ist nicht rechtskräftig.

Peugeot wurde von dem Beschluss offenbar kalt überrascht. Ein Sprecher bestätigte die Entscheidung des Kartellgerichts im Verfahren Büchl GmbH gegen die Peugeot Austria GmbH und räumte ein, dass der Spruch "für uns teilweise sehr überraschend" ist. Viele der Ausführungen des Erstgerichts zu den dem Antrag stattgebenden Punkten seien "schlicht nicht nachvollziehbar. Sie decken sich aus unserer Sicht auch nicht mit den Ergebnissen des bisherigen Verfahrens", teilte Peugeot Austria mit und kündigte Rechtsmittel vor dem beim Obersten Gerichtshof angesiedelten Kartellobergericht an. "Wir gehen daher davon aus, dass die Entscheidung in dieser Form nicht in Rechtskraft erwachsen wird."

Freiheit der Preissetzung

Es sind an die zehn Punkte, die der Richtersenat des Kartellgerichts unter Vorsitz von Richterin Sabine Völkl-Torggler beanstandet. Peugeot Österreich praktiziere gegenüber den Fahrzeughändlern einseitige Beschränkungen der Preissetzungsfreiheit und zwinge die Vertragshändler wirtschaftlich zur Teilnahme an Preisaktionen des Herstellers. Damit werde die Freiheit bei der Preisgestaltung beim Endkunden unzulässig eingeschränkt, zitiert ein Insider aus dem Beschluss. "Ein Händler ist nur so lang frei und selbstständig, als er seine Preise selbst bestimmen kann. Sonst ist er ein Agent", sagt Rechtsanwalt Peter Thyri, der den oberösterreichischen Peugeot-Händler rechtsfreundlich vertritt.

Auch die von Peugeot-Händlern kritisierte Koppelung von Prämienzahlungen an Umfragen zur Kundenzufriedenheit erachten die Kartellwächter als unzulässig. Die Kosten für Mystery-Shopping und aufwendige Kontrollsysteme (Audits) für das Neuwagen- und Werkstättengeschäft darf der Hersteller künftig nicht mehr auf die Vertragshändler überwälzen. Dem Vernehmen nach wurden allein für Mystery-Shopping rund 2000 Euro in Rechnung gestellt.

Überhöhte Verkaufsziele

Zudem seien durch bewusst überhöhte Verkaufsziele die Handelsspannen reduziert worden, heißt es in dem Beschluss, der auch von Händlern anderer Autokonzerne als Meilenstein gefeiert wird. Druck auf die eigenen Händler wurde demnach von PSA (Peugeot, Citroën , DS, Opel – und nach der Fusion mit FCA auch Fiat, Lancia und Chrysler) selbst ausgeübt, indem konzerneigene Handelsbetriebe Fahrzeuge zu gestützten Preisen verkauften und so die Vertragshändler unter Druck brachten. Anders als beim Händler gleicht der Konzern die sohin entstandenen Verluste der konzerneigenen Betriebe aber aus. Angesichts eines Umsatzanteils des französischen Konzerns von 68 Prozent sei der Händler wirtschaftlich abhängig und Peugeot als marktbeherrschend einzustufen, so das Gericht. Da nicht ausreichend Ausweichmöglichkeit auf andere Fahrzeugmarken bestehe, sei die Abhängigkeit existenzbedrohend.

"Richtungsweisende Entscheidung"

"Das ist eine richtungsweisende Entscheidung für die österreichischen Fahrzeughändler", sagt der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde BWB, Theodor Thanner, dessen Behörde im Kartellverfahren Parteienstellung hat. "Dadurch wird kaufmännische Freiheit wiederhergestellt."

Der Spruch des Kartellgerichts ist das vorläufige Ende eines jahrelangen Rechtsstreits zwischen dem Peugeot-Händlerverband und PSA. Geklagt hatte die oberösterreichische Büchl GmbH mit Standorten in Ried, Schärding und Mattighofen. Der Kfz-Einzelhandel reagiert erwartungsgemäß positiv. Das Kräfteverhältnis zwischen Herstellern, Importeuren und Fahrzeugbetrieben habe sich zusehends zulasten der Händler verschlechtert. Nun wurde vom Gericht eine Klarstellung vorgenommen", sagt Gremialvorsteher Josef Schirak dem STANDARD. Er erwartet, dass Hersteller und Importeure die Händlerverträge adaptieren. Als einen Riegel gegen wirtschaftlich und kartellrechtlich "äußerst bedenkliche Forderungen" sieht der Obmann des Verband österreichischer Kraftfahrzeugbetriebe, Stefan Hutschinski, den Beschluss des Kartellgerichts. Wiewohl nicht rechtskräftig, seien nun alle Hersteller europaweit gefordert, "die Zusammenarbeit kaufmännisch vernünftig und kartellrechtlich sauber auszurichten".

Investitionen zumutbar

Abgeblitzt ist der Händler beim Kartellgericht bezüglich der vom Konzern vorgeschriebenen Investitionen etwa in die Ausstattung der Schauräume und die Verrechnung von Schulungspauschalen. Diese sind zumutbar, zumal Peugeot nicht nur die Art und Beschaffenheit von Einrichtung und Böden vorgeschrieben, sondern sich an den im Sinne der Corporate Identity vorgeschriebenen Kosten auch beteiligt habe. (Luise Ungerboeck, 26.5.2020)