Erstmals seit Ausbruch der Pandemie hierzulande werden im Nationalrat am Dienstagvormittag vor der dreitägigen Budgetdebatte Plastikvisiere an die Abgeordneten ausgeteilt – und das scheint auch durchaus Sinn zu machen: nicht zuletzt, weil die Opposition sichtlich schäumt.

Hält Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) Planlosigkeit vor: SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner.
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Denn mitten in der Corona-Misere ist jetzt schon klar, dass die vorlegten Budgetzahlen nicht halten – basiert der Haushaltsentwurf von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) doch auf den Berechnungen vor der Krise, obwohl wegen des verhängten Lockdowns der Bund heuer deutlich weniger einnehmen und gleichzeitig viel mehr ausgeben wird.

Rot, Blau und Pink stoßen sich vor allem daran, dass Blümel nicht einmal den Versuch gestartet habe, den Finanzplan für 2020 zu aktualisieren. Stattdessen wollen die Koalitionsfraktionen, ÖVP und Grüne, quasi an der Kontrolle der Opposition vorbei der Regierung per "Überschreitungsermächtigung" erlauben, wegen der Hilfsmaßnahmen die Ausgaben um 28 Milliarden Euro zu überziehen.

Blümel rechtfertigt sein Vorgehen im Plenum damit, dass die Prognosen der Wirtschaftsforscher heuer von einem gebremsten Wachstum zwischen minus 3,5 und neun Prozent ausgehen – und er verspricht: Im Herbst werde es einen Kassasturz geben, "und da werden wir auch das Budget für 2021 diskutieren".

Retourkutsche an Rendi-Wagner

SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner lässt das nicht gelten: Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Shutdowns seien unübersehbar, und der Finanzplan für 2020 bilde die Jahrhundertkrise nicht im Geringsten ab. Deutschland, moniert sie, habe sehr wohl ein detailliertes Nachtragsbudget mit Mindesteinnahmen und Zusatzausgaben errechnet. Rendi-Wagners Befund für die Republik: "Es fehlt ein Plan, es mangelt an Perspektive!" Und das, obwohl es derzeit einen historischen Höchststand an Arbeitslosen sowie Kurzarbeitern gebe und hunderttausende Unternehmen um ihr Überleben bangten. "All das findet sich in Ihren Zahlen nicht wieder!"

ÖVP-Klubchef August Wöginger geht prompt in den Gegenangriff über: Bei der Kurzarbeit erarbeiteten die Sozialpartner viel Gutes – "und dann stellen Sie sich her und kritisieren, was Ihre Gewerkschafter mitbestimmen!" Daher konstatiert Wöginger: "Das ist unseriöse Politik!"

Aus dem Mistkübel

Weil FPÖ-Klubchef Herbert Kickl verhindert ist, tritt statt ihm Hubert Fuchs, unter Türkis-Blau Finanzstaatssekretär im Finanzressort, ans Rednerpult. Er prangert an, dass Blümel selbst Mitte März seinen Haushaltsentwurf für 2020 im Mistkübel entsorgt habe, und nun habe er das Konvolut wieder herausgeholt, und es werde damit weiterhantiert. Paragraf 28, Absatz 2 des Bundeshaushaltsgesetzes halte fest, dass bei nicht zu errechnender Vorausschau zumindest Schätzungen abzugeben seien. Seine Empfehlung an Türkis-Grün: "Hören Sie nicht auf Ihre Experten, hören Sie auf das Gesetz!" Jetzt steuere man jedenfalls darauf zu, dass 97 Abgeordnete von ÖVP und Grünen am Donnerstag ein falsches Budget beschließen. Man stelle sich vor, die finanzmarode AUA würde derartige Bilanzen vorlegen, dann bekäme sie doch keinen einzigen Cent von Blümel.

Trotz der aktuellen Corona-Troubles preist Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer das von Türkis-Grün im Herbst und bis zu Jahresbeginn Ausverhandelte an: Schließlich seien im Budget Klimaschutz-, Umwelt- und Mobilitätsmaßnahmen festgehalten, die es auch auf den Weg zu bringen gelte. Dass die Opposition von einem "Fake-Budget" spreche, halte sie für unangebracht, weil das ja bedeuten würde, dass es gefälscht sei. Würde man nun falsche Zahlen einfügen, "dann würden Sie uns dafür auch prügeln", hält Maurer in Richtung Rendi-Wagner fest.

Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger äußert zwar Verständnis dafür, dass in Blümels Budget nicht alles auf Punkt und Beistrich stimmen könne, aber: Hier sei nicht einmal der Versuch einer Aktualisierung gestartet worden – das sei "eine Respektlosigkeit gegenüber dem Nationalrat und dem Land". Dabei stelle die Kurzarbeit eine Liquiditätsfalle für Unternehmer dar, ebenso seien die Ansuchen an den Härtefallfonds für Hilfen an Bürokratie kaum zu überbieten. Meinl-Reisingers Fazit: "Sie nutzen die Krise für eine Entmachtung des Parlaments!"

Freudige Minister

Am Abend durfte sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) über die Aufstockung ihres Budgets freuen, mit der es gelungen sei, den befürchteten "stillen Tod der Justiz" abzuwenden. Ebenfalls Anlass für gute Laune budgetär gesehen hatte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Gemäß den Vor-Corona-Zahlen stehen seinem Ressort rund 107 Millionen mehr als zuletzt zu. Damit wird vor allem der weitere Ausbau der Plan- und Ausbildungsstellen in der Exekutive finanziert.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hob in seinem Kapitel die Aufstockung der Auslandskatastrophenfonds von zehn auf 25 Millionen hervor sowie die "wesentliche" Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit.

Fortsetzung folgt in den nächsten drei Tagen bis Donnerstagabend. (Nina Weißensteiner, 26.5.2020)