Virologe Christian Drosten kritisiert die "Bild"-Zeitung.

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Berlin – Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité-Klinik wirft der "Bild"-Zeitung tendenziöse Berichterstattung vor. Auf Twitter veröffentlichte er am Montag eine Rechercheanfrage der "Bild" und postete dort den Screenshot einer Mailanfrage eines Redakteurs inklusive dessen Daten, anfangs unter anderem auch der Handynummer. Der "Bild"-Redakteur konfrontierte Drosten in der Anfrage mit angeblicher Kritik von Experten an seiner Studie zur Viruslast von Kindern und Erwachsenen und forderte von Drosten innerhalb einer Stunde eine Stellungnahme.

In seinem Tweet meinte Drosten, er habe "Besseres zu tun", und schrieb: "Interessant: Die 'Bild' plant eine tendenziöse Berichterstattung über unsere Vorpublikation zu Viruslasten und bemüht dabei Zitatfetzen von Wissenschaftlern ohne Zusammenhang."

Experten stellen sich hinter Drosten

Nach Drostens Veröffentlichung der Anfrage distanzierten sich jene Wissenschafter von der "Bild"-Zeitung, die in der Anfrage als Kritiker erwähnt werden, und stellten sich hinter Drosten.

So schrieb der Bonner Professor Dominik Liebl: "Ich wusste nichts von der Anfrage der 'Bild' und distanziere mich von dieser Art, Menschen unter Druck zu setzen, aufs Schärfste." Christoph Rothe, Professor an der Uni Mannheim, twitterte: "Niemand von der 'Bild' hat mit mir gesprochen, und ich distanziere mich ausdrücklich von dieser Art der Berichterstattung."

Nicht nur die erwähnten Experten stärken Drosten den Rücken, Reaktionen auf die "Bild"-Anfrage kamen auch vonseiten der Politik. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb etwa: "Da Methodik der Studie einwandfrei ist (und sich mit der anderer Studien dazu deckt), würde ich mir keine Sorgen machen."

Auch Grünen-Politikerin Renate Künast unterstützte Drosten auf Twitter. Unter die vielen Unterstützungserklärungen mischte sich aber auch Kritik – vor allem daran, dass Drosten zunächst auch die Handynummer des "Bild"-Redakteurs veröffentlicht hatte. Dieser Tweet wurde von Drosten gelöscht, bearbeitet und später wieder gepostet. "Wenn es gegen die vermeintlich Richtigen geht, scheint alles erlaubt", twitterte dazu der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer.

"Die 'angeblichen Kritiker' distanzieren sich von der 'Bild' – das ist ihr gutes Recht, aber sie bleiben bei ihrer Kritik an der Studie. Diese öffentlich geäußerte Kritik haben wir zitiert", verteidigt sich "Bild"-Redakteur Filipp Piatov. Der Titel der "Bild"-Story dazu lautet: "Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch – Wie lange weiß der Star-Virologe schon davon?", nachzulesen hier auf bild.de.

Auch Wirtschaftsprofessor Jörg Stoye wird in dem "Bild"-Artikel zitiert. "Wir sind alle in gleichem Maße unglücklich damit. Ich will nicht Teil einer 'Bild'-Kampagne sein. Ich hatte keinen Kontakt zu 'Bild', sie haben mich nicht angefragt, ich habe mich auch nicht angeboten", sagt er dem "Spiegel". Die Zitate würden aus einem Aufsatz, den er auf Englisch verfasst habe, stammen – diesen habe "Bild" "recht freihändig" übersetzt. Stoye: "So, wie 'Bild' meine Zitate verwendet, stehe ich auf keinen Fall dazu."

Update: Drohpakete an Drosten und Lauterbach

Am Dienstag haben SPD-Politiker Karl Lauterbach und auch Christian Drosten nach eigenen Angaben Drohpakete erhalten. Lauterbach veröffentlichte auf Twitter ein Bild, darauf ist ein Paket mit einer Flüssigkeit und dem Aufdruck 2019-nCov positiv mit dem Spruch "trink das – dann wirst du immun" zu sehen.

(red, 26.5.2020, Update: 27.5.2020)