Ethikunterricht als Pflichtfach soll es ab Herbst 2021 nur für jene Schülerinnen und Schüler geben, die nichts mit Religion am Hut haben.

Foto: AFP/Picturedesk/Fabi

Jetzt sitzt er, der achtjährige Bub, plötzlich im Religionsunterricht der anderen. Mittendrin und doch außen vor. Denn eigentlich hat ihn seine Mutter abgemeldet, "weil ich nicht möchte, dass er mit Religion zu tun hat, solange er ein Kind ist", schrieb sie dem STANDARD: "Er kann später, wenn er älter ist, selbst über Religion entscheiden." Aufgrund Corona-bedingter Änderungen des Schulalltags muss ihr Sohn nun im selben Klassenzimmer bleiben, in dem die anderen Kinder religiös unterwiesen werden. In diesem Setting werde ihr Kind aber "passivem" Religionsunterricht ausgesetzt, kritisiert die Mutter diese Lösung. Corona hin oder her.

Leerstunde statt Religion

Bevor die Corona-Pandemie ausgebrochen war, konnte oder musste ihr Sohn in einem anderen Klassenzimmer lesen, malen oder sich die Zeit irgendwie sonst vertreiben, denn Religion ist nicht als Randstunde programmiert. Der abgemeldete Schüler musste also eine Leerstunde überbrücken.

Aus dem Bildungsministerium hieß es dazu am Dienstag, die Mutter könne "natürlich verlangen, dass er in dieser Zeit in eine andere Klasse oder ins Lehrerzimmer gesetzt wird". Die Regelung für die Abmeldung vom Religionsunterricht sei mit den Covid-Regelungen nicht außer Kraft gesetzt. Wenngleich in dieser besonderen Situation "eine gewisse Toleranz" erforderlich sei, weil die Schulleitungen nicht immer allen Einzelfällen gerecht werden könnten.

Sechs Wochen Begutachtung

Der Achtjährige ist vom Ethikunterricht, der ab Herbst 2021 als Pflichtfach etabliert werden soll, wie DER STANDARD bereits im Februar berichtete, noch nicht so bald betroffen. Bildungsminister Heinz Faßmann hat vergangenen Freitag einen Gesetzesentwurf zur "Sicherstellung eines adäquaten Bildungsangebots ab der 9. Schulstufe für nicht am Religionsunterricht teilnehmende Schülerinnen und Schüler" bis 3. Juli in Begutachtung geschickt. Betroffen sind alle "Religionsabmelder" und Kinder ohne religiöses Bekenntnis. Sie sollen laut Begutachtungstext zu "selbstständiger Reflexion" befähigt werden. Aus dem Bildungsministerium heißt es dazu: "Ethisches Denken und Handeln ist wesentlicher Bestandteil von Bildung, das soll dieses Fach leisten."

Kritik an "diskriminierendem Zwangsethikunterricht"

Empört reagieren die Vertreter des Volksbegehrens "Ethik für ALLE" auf den "diskriminierenden Zwangsethikunterricht ausschließlich für Religionsverweigerer". Das Modell bedeute eine "grobe Verletzung der Religionsfreiheit aller, die keine religiöse Erziehung erhalten", und werde einer pluralistischen und weitgehend säkularen Gesellschaft nicht gerecht, kritisiert Mitinitiator Eytan Reif. Es benachteilige aber auch religiöse Schülerinnen und Schüler, denen das weltliche Fach Ethik verwehrt werde, wo sie ergebnisoffen über verschiedene Religionen diskutieren könnten. (Lisa Nimmervoll, 26.5.2020)