Zumindest die Künstler haben den Großteil ihrer Freiheit zurückgewonnen: Bei Proben und Aufführungen setzt die Regierung ab sofort auf Eigenverantwortung. Abstandsregeln und Masken gibt es dort, wo die künstlerische Arbeit Nähe erfordert, nicht. Auf den Bühnen wird man von Covid-19 nichts merken. Im Publikum sieht das anders aus. Es gibt ab Freitag sowohl Personenbeschränkungen als auch Abstandsregeln. Gestartet wird mit 100 Personen, ab August sollen dann im Inneren bis zu 1.000 möglich sein, draußen 1.250. Wenn der gebotene Abstand von einem Meter eingehalten werden kann, braucht es keine Masken. Sollte die Ein-Meter-Regel unterschritten werden – etwa bei der Sitzplatzanordnung im Schachbrettmuster –, sind Masken vorgeschrieben. Und: Wie im Restaurant dürfen bis zu vier befreundete Personen sowie Menschen aus demselben Haushalt ohne Abstand sitzen. Eine Herausforderung für die Kartenbüros. Nachfolgend ein Überblick, wie die Veranstalter mit Abstandsregeln und Publikumsbeschränkung umzugehen planen.

So werden in Chinas Theatern die Zuschauerräume desinfiziert.
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  • Popkonzerte und Festivals

Häuser wie das Rockhouse Salzburg und das Wiener Wuk begrüßen die neuen Bestimmungen und sind – mit dem Taschenrechner in der Hand – bemüht, noch etwas für den Sommer auf die Beine zu stellen. Beim Poolbar-Festival in Feldkirch (23. Juli bis 30. August) hat man die Veranstaltungen im Innenraum komplett abgesagt und nutzt den 4.000 Quadratmeter großen Park. Securities und spezielle Bereichsmarkierungen sorgen für den nötigen Abstand. Vorarlberger Bands und andere Acts aus Österreich wie Mavi Phoenix stehen im Zentrum.

Große Veranstalter wie Arcadia Live werden im Sommer pausieren. Internationale Acts brauchten zu viel Vorlaufzeit in der Planung, die Reisebestimmungen verunmöglichen Touren aber sowieso. "Außerdem befindet sich die gesamte Belegschaft in Kurzarbeit; selbst für kleinere Shows müsste man sie wieder rekrutieren, was sich wirtschaftlich leider nicht wirklich rechnet", sagt CEO Filip Potocki. An kreativen Konzepten für die Zukunft wird aber im Rahmen der neugegründeten Interessengemeinschaft der Österreichischen Veranstaltungswirtschaft (IGÖV), zu der sich viele der großen Player zusammengeschlossen haben, gearbeitet.

  • Theater

Die Theater reagieren individuell. Das Klagenfurter Ensemble kann dank des nahen Messeparkplatzes ein Autotheater anbieten und muss sich um Mund-Nasen-Schutz (MNS) nicht kümmern. Ansonsten sind künftig vor allem die Kartenbüros gefordert, die die Wer-sitzt-wie-nahe-Frage bei der Buchung zu eruieren haben. Onlinedirektbuchungen sind ausgesetzt. Große Bühnen wie das Schauspielhaus Graz wägen noch ab, ob ein Meter Abstand oder MNS sinnvoll ist. Der Spielbetrieb wird ebendort im Juni teilweise wieder aufgenommen, im Herbst soll früher gestartet werden. Das Theater Arche in Wien weiß es schon und bevorzugt die Ein-Meter-Regel. Vom Theatersommer Niederösterreich sind nur noch sechs Spielstätten im Rennen. Man macht derzeit Probebestuhlungen.

  • Kino

Die meisten Kinos sollten die Projektoren am 1. Juli wieder anwerfen, eventuell geschieht dies nun bereits früher. Die Mehrheit der Betreiber plant, sich dabei an die Ein-Meter-Abstand-Regel zu halten, um dem Publikum ein optimales Filmerlebnis zu gewähren. Für Mario Hueber, Geschäftsführer der Hollywood-Megaplex-Kinos, ist das gut umsetzbar: Die moderne Bestuhlung seiner Säle würde bereits im Schachbrett-Muster die Kriterien erfüllen. Masken sind kein Thema, nicht nur wegen Nachos und Popcorn. Symbolischer Neustart ist Christopher Nolans Thriller Tenet (16. Juli), der Starregisseur hielt aus Kinoliebe an dem Termin fest.

Schon ab 1. Juli stehen mit Christian Petzolds Undine oder Damien Manivels Isadoras Kinder wichtige Autorenfilme an. Michael Stejskal (u. a. Votiv-Kino), der mit Die perfekte Kandidatin loslegt, überlegt noch, anfangs beide Varianten, Maskenpflicht und Abstandsregel, auszutesten. Die Launen des Publikums sind auch für Norman Shetler (Gartenbaukino) unwägbar: Er plane im Sommer nichts Aufwendiges, sondern eher "Flickwerk", dazu zählt ein Neustart wie Bertrand Bonellos Zombi Child (1. Juli) – bei einem Meter Abstand.

  • Klassik und Jazz

Die Häuser erwachen, und auch das Wiener Konzerthaus wird ab "Juni erste und durchaus attraktive Konzerte unter Einhaltung der erlaubten maximalen Anzahl an Besucherinnen und Besuchern pro Veranstaltung durchführen", sagt Mathias Naske. Die nunmehr angekündigten Regelungen seien aber nicht mehr als ein erster Schritt. "Ab September müssen wir die Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit der Bedrohung durch Covid-19 wieder bei den Menschen selbst ansiedeln und wieder ohne Einschränkung spielen", sagt der Konzerthauschef. Sein Kollege Thomas Angyan vom Musikverein plant jedenfalls schon ab 2. Juni Konzerte. Dirigenten wie Riccardo Muti, Franz Welser-Möst und Daniel Barenboim werden mit den Philharmonikern musizieren. Bald wird auch die Wiener Staatsoper mitteilen, was sie nun doch noch im Juni vorhaben könnte.

Auch die Bundesländer ruhen nicht: Im Brucknerhaus wird es unter besonderen Bedingungen Konzerte und das Brucknerfest geben. Und in Graz wird das Recreation-Orchester Graz (von 7. bis 10. Juni) zehnmal in der Helmut-List-Halle für jeweils 100 Besucherinnen spielen. Das Ensemble ist quasi ein Vorbote für die Grazer Styriarte. Das Festival hat sich in den Juli hinübergerettet und will mit neuen Formaten u. a. in der List-Halle Musik ermöglichen. Etwas leichter hat es der Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Dort wird die Reihe The show must go on(line) Samstag einfach fürs Publikum geöffnet. "Wir haben alle möglichen Sitzplatzvarianten ausprobiert und glauben, eine praktikable Lösung für knapp 90 Besucher gefunden zu haben", sagt Chef Christoph Huber. Der reguläre Betrieb wird aber erst ab 1. 9. wieder aufgenommen.

  • Literatur

Per Liftboy gelangt man ab Mitte Juni ins Literaturhaus am Inn. Er drückt zur Vermeidung einer Corona-Infektion die Knöpfe, wenn für drei oder vier Lesungen wieder geöffnet wird. Eingeladen werden bewusst österreichische Autoren, um die heimische Szene zu unterstützen. Über Bestuhlung sowie Masken wird nicht nur hier noch diskutiert: Auch das Literaturhaus Graz und die Alte Schmiede Wien organisieren für Juni eine Handvoll Lesungen. Weil die Schmiede mit mehr Publikum als Plätzen rechnet, will sie Termine auch streamen. Das Stifterhaus Linz plant Freiluftlesungen mit Livestreams.

Zu spät kommt die Lockerung für das Literaturhaus NÖ – es hat um Honorare Schreibaufträge vergeben. Das Musil-Institut in Klagenfurt startet lieber früher als sonst wieder. Geschlossen bleibt auch as Literaturhaus Wien. Dem Literaturhaus Salzburg fehlt es zum Aufsperren an Rechtssicherheit, solange die Verordnung nicht schriftlich vorliege. Wichtiger sei, ob im Herbst Vollbetrieb möglich sei. Programme und Druckwerke dafür werden nämlich gerade erstellt. (stew, abs, afze, kam, tos, wurm, 27.5.2020)