Mit in der Schule vertriebenen Zeitschriften sollen Kinder und Jugendliche ans Lesen und an Werte herangeführt werden. Das Rote Kreuz mischt nun selbst im Geschäft mit.

Foto: Verlag Jungösterreich

Wien – "Spatzenpost" gegen Rotes Kreuz, das ist Brutalität: Der Zeitschriftenverlag Jungösterreich hat Anfang Mai das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) am Landesgericht Wien verklagt. Der Verlag fordert 1,5 Millionen Euro Schadenersatz.

Der Vorwurf des Innsbrucker Verlags, der auf Bildungsmedien spezialisiert ist und der Stuttgarter Klett-Gruppe gehört: Das Rote Kreuz habe den Kooperationsvertrag gebrochen, noch während der Partnerschaft Titelschutz für eigene, neue (Konkurrenz-)Zeitschriften für junge Menschen beantragt und bringe diese nun selbst heraus. Jungösterreich habe das einen Abo-Rückgang eingetragen, man habe die der Leseförderung dienenden Zeitschriften neu konzipieren und eine neue Vertriebsstruktur aufbauen müssen.

Zeitschriften für Kinder

Und warum gerade "Spatzenpost"? Sie ist wohl die bekannteste Kinder- bzw. Schülerzeitschrift aus dem Repertoire der beiden bisherigen Geschäftspartner. Schon in den 1960ern haben sich die zusammengetan, um Kinder-, Schüler- und Jugendzeitschriften herauszugeben, deren Ziel ein pädagogisches ist und die der Leseförderung dienen sollen.

Im Juli 1990 schlossen sie dahingehend eine Vereinbarung (konkret mit dem Jugendrotkreuz), die Blattlinie müsse "die Förderung des Ideenguts" des Jugendrotkreuzes sein, war darin festgeschrieben. Der Vertrag wurde unbefristet geschlossen, das ÖRK sollte nur kündigen dürfen, wenn dieser Zweck nicht mehr erfüllt würde.

Rotkreuz-Erlass des Ministeriums

Neben der "Spatzenpost" gibt es etwa noch "Mini-Spatzenpost", "Topic" und "Ich + Du", sie alle werden in Kindergärten, Volksschulen und anderen Lerneinrichtungen vertrieben. Die Lehrer bestellen, die Eltern zahlen. Der große Vorteil: Das Unterrichtsministerium unterstützte die Zeitschriften quasi, in Erlässen wurden Landesschulräte und pädagogische Hochschulen ersucht, "Schulen und Lehrkräfte (…) über dieses Angebot (die genannten "Lernbehelfe") zu informieren (…) und Schülern die Nutzung des Angebots zu ermöglichen", hieß es im sogenannten Rotkreuz-Erlass 2016.

2006 schloss sich der Buchklub der Jugend an, die Kooperation gedieh. Das Jugendrotkreuz wurde u. a. an Inseraten- und Aboerlösen beteiligt, heißt es in der Klage, habe dann aber immer mehr Geld gewollt. Am 6. Februar 2019 kündigte das ÖRK, dessen österreichweite Vernetzung dem Geschäft höchst dienlich war, den Vertrag "abrupt", kurz darauf ging auch der Buchklub. Die Förderung der Idee des Jugendrotkreuzes sei nicht mehr gewährleistet, so das Trennungsargument des ÖRK.

"Schamlos Kontakte" zu ÖVP ausgenützt

Ab April habe das schon fünf neue Zeitschriften beworben, die der "Spatzenpost" und Co frappant geähnelt hätten, heißt es in der Klage sinngemäß. Noch während aufrechter "Spatzenpost"-Ehe (im Juni 2018) habe das Rote Kreuz Titelschutz für seine neuen Zeitschriften wie Hallo Schule, Meine Welt und Co beantragt, moniert der klagende Verlag. Und: Im April 2019 habe das Unterrichtsministerium einen neuen Informationserlass herausgegeben, in dem es über "das neue Leseangebot des ÖRK" informierte.

"Schamlos" habe das Rote Kreuz "seine engen Kontakte und politischen sowie personellen Verbindungen zum ÖVP-geführten Unterrichtsministerium ausgenützt", heißt es in der Klage der Grazer Kanzlei Eisenberger Herzog. Das Ministerium nahm dazu auf Anfrage nicht Stellung.

Nach Ansicht des klagenden Verlags hat das ÖRK schon Monate vor der Vertragskündigung "aus rein finanziellen Motiven" mit der Arbeit an seinen Zeitschriften begonnen und damit auch gegen das Konkurrenzverbot verstoßen. Gesamtschaden für die "Spatzenpost"-Verleger: 1.528.335,81 Euro.

Bessere Wertevermittlung

Das ÖRK, das die Klage laut seinem Sprecher nicht kennt, erklärt sein Vorgehen so: Mit den neuen Produkten könne man das Ziel der Werteerziehung und Lesekompetenz besser erreichen. Die NGO sei nicht mehr bloß Kooperationspartner und Herausgeber, sondern könne die Publikationen als Medieninhaber nun selbst gestalten. Zudem habe man ein neues didaktisches Konzept entwickelt.

Und um welche Werte geht es da? Laut Gesetz hat das Rote Kreuz die Aufgabe, "junge Menschen zu humanitärer Gesinnung und mitmenschlichem Verhalten hinzuführen". (Renate Graber, 27.5.2020)