Jeden Tag mehr als ein Vorfall. In Österreich wurden im vergangenen Jahr jüdische Kinder tätlich attackiert, es wurden Hakenkreuze geschmiert, sogar auf Exponate einer Ausstellung über NS-Opfer. Insgesamt weist der am Mittwoch veröffentlichte Antisemitismusbericht 550 Vorfälle aus. Ein historischer Höchststand.

Dazu passt, dass Wiener Schülerinnen und Schüler einen bescheidenen Wissensstand über den Nationalsozialismus haben. Eine Untersuchung des Zentrums für Politische Bildung im Auftrag der Arbeiterkammer Wien offenbarte dieser Tage eklatante Bildungslücken: 81 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler konnten entweder gar keine oder nur eine falsche Definition des Begriffs Antisemitismus nennen. Nur ein Drittel der 1185 Befragten weiß, wie die einzige zugelassene Partei zur Zeit des Nationalsozialismus hieß. Auch das Novemberpogrom im Jahr 1938 ist den Jugendlichen weitgehend unbekannt.

Diese Zahlen sind bedrückend und beschämend, zeigen aber, dass zu wenig gegen Antisemitismus unternommen wird. Von der Politik hört man nur Sonntagsreden. Fatal ist, was nicht ausgesprochen wird. So schwieg Bundeskanzler Sebastian Kurz zu eindeutigen Aussagen aus den Reihen seines einstigen Koalitionspartners FPÖ. Und auch jetzt hält er sich zurück, wenn auf Corona-Demos die Shoah relativiert wird, indem etwa die Maskenpflicht mit dem Tragen des Judensterns im Nationalsozialismus verglichen wird. Ein Fehler, denn nur entschiedenes Auftreten auf allen Ebenen wirkt gegen Antisemitismus. (Markus Sulzbacher, 27.5.2020)