Rapper neigen zu Allmachtsfantasien. Irgendwann reicht die melodische Ausübung kranker und genialer Ideen nicht mehr. Sie gestalten Schuhe, malen Bilder, drehen Filme – alles, um sich unsterblich zu machen. Paradebeispiel Kanye West titelte eine Nummer auf seinem 2013er-Album Yeezus dezent I Am a God. Von der im Song oft wiederholten Verlautbarung ist er wohl überzeugt. Und wenn die Jünger ihrem Gott keine Statue bauen, muss er selbst ran.

So hat Kanye West, neben seiner Musik und Klamottenlinie, einen Ausflug in die Architektur gewagt. Die sogenannten Yeezy Homes sollen leistbare Behausungen für Obdachlose darstellen und sind von den Siedlungen des Planeten Tattooine aus der Star Wars-Saga inspiriert. Das berichten zumindest die wenigen Medien, die sie bislang sehen durften. Der Rapper Pharrell Williams enthüllte kürzlich Pläne, zusammen mit dem Architektenbüro IBI Group einen zweitürmigen Wolkenkratzer in Toronto zu bauen. Bisher gibt es vage Visualisierungen, die das Design andeuten. Ex-NBA-Star Shaquille O’Neal will in Newark ebenfalls ein Hochhaus mit insgesamt 33 Stockwerken und 370 Wohnungen bauen lassen. Hollywood-Sternchen Leonardo DiCaprio plant ein Öko-Resort in Beliz und David Beckham ein neues Stadion für seinen erst kürzlich aus dem Boden gestampften Inter Miami CF.

Das Projekt "Untitled" des Rappers Pharrell Williams soll in Toronto entstehen.
Foto: IBI Group

Etwas zu bauen, damit es bleibt, ist kein neues Phänomen, weiß Julia Rüdiger vom Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der Katholischen Privatuniversität Linz. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. ließ sich Schloss Versailles als Zentrum seines Machtapparats ausbauen. Gleiches gilt für den Bau der Pyramiden von Gizeh. Dass Architektur etwas ist, das bleibt, hat bereits der römische Architekturtheoretiker Vitruv festgeschrieben, indem er drei Hauptanforderungen aufstellte: Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nützlichkeit) und Venustas (Schönheit). "Die Firmitas bedeutet zunächst Festigkeit im statischen Sinne, in Kombination mit Nützlichkeit und entsprechendem Ornament kann das Bauwerk den gesellschaftlichen und kulturellen Status über Generation widerspiegeln", sagt Rüdiger.

Dass man sich heutzutage Denkmäler in Form von Architektur anstatt Statuen setzt, hat einen simplen Grund. Personendenkmäler sind out. Hochkonjunktur hatten sie im 19. Jahrhundert, nachdem sie vom Bürgertum als Repräsentationsmittel entdeckt worden waren. Zeitgenossen diagnostizierten eine "Selbstbedenkmalungsarroganz". Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte eine weitere Welle, die schließlich abflaute. Es gab schlichtweg zu viele Statuen, die Leute hatten sich daran sattgesehen. Damit verlor auch der Einzelpersonenkult seine Bedeutung, auch in Hinblick auf die schrecklichen Taten unter den Führerkulten in Deutschland und Italien. "Das erkennt man auch daran, dass die Qualität der neueren Personendenkmäler nicht vergleichbar ist mit der ihrer Vorbilder", früher seien die Statuen und Büsten viel detaillierter gewesen.

Wer hat den Höchsten?

"Wer stattdessen in Architektur investiert, macht sich weniger eines Personenkultes verdächtig, wirkt aber mindestens so repräsentativ", sagt Rüdiger. Und besonders dann, wenn sie im urbanen Raum stehe und Platz für ein großes Schild habe. Der Trump Tower ist so ein Beispiel. Auf der Fifth Avenue gelegen, prangt der Name Trump in goldenen Lettern an der Fassade des rund 200 Meter hohen Turms. "So etwas ist eben viel sichtbarer als ein Denkmal, das irgendwo in einem Park steht."

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Kanye West orientiert sich laut Medienberichten an den Siedlungen des fiktiven Wüstenplaneten Tattooine aus der "Star Wars"-Saga, um sich sein Denkmal zu bauen.
Foto: Getty Images

Stichwort Sichtbarkeit: Dass Pharrell Williams sich für einen Wolkenkratzer entschieden hat, wirkt gut durchdacht. Denn Höhe spielt eine große Rolle. Bereits im späten Mittelalter entstanden in Italien die sogenannten Geschlechtertürme. Die untereinander in Fehden stehenden italienischen Adelsgeschlechter trugen ihre Wettbewerbe unter anderem durch Architektur aus. Kurz gesagt: Wer den höheren Turm baute, war einflussreicher und vermögender. Davon zeugt noch heute beispielsweise San Gimignano in der Toskana, die "Stadt der Türme".

Auch Wien ist davon nicht ausgenommen. "Es ging ja lange darum, dass kein Turm höher sein durfte als der Stephansdom, das höchste Gotteshaus der Habsburgermonarchie", sagt Rüdiger im Hinblick auf den Mariendom in Linz, der rund zwei Meter niedriger ist, oder auch die Höhenkonkurrenz zwischen Votivkirche und Rathaus.

Geschafft hat das bisher unter anderem Donald Trump in New York – mit reichlich Höhe, viel Gold und Namensschild.
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Sehen wir bald eine Wolkenkratzer von Yeezus?
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Es ist gerade einmal zehn Jahre her, dass mit dem Burj Khalifa der höchste Turm der Welt eingeweiht wurde. Dieser wurde erst nachträglich zum Denkmal. Eigentlich sollte er "Burj Dubai" heißen. Doch wegen einer großzügigen Finanzspritze aus dem Nachbaremirat Abu Dhabi wurde er nach Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan, Sohn des Staatsgründers Zayed, Herrscher von Abu Dhabi und Staatsoberhaupt der Vereinigten Arabischen Emirate, benannt.

Ein Schelm, wer Frivoles dabei denkt, dass Männer sich selbst Denkmäler bauen, die höher in den Himmel ragen als die ihrer Konkurrenten.

Wenn man Göttern also keine Statuen mehr baut, dann bauen sich die Götter diese eben selbst. Und am liebsten noch besonders hoch. Bei Wolkenkratzern stört das auch niemanden. Das wäre bei Statuen noch anders gewesen, die baut man sich eben nicht selbst, "das gebietet der Anstand", sagt Rüdiger.

Ob Kanye West auch genug Anstand hat, sollte er je auf die Idee kommen, einen Wolkenkratzer zu bauen, nicht in goldenen Lettern "God" draufzuschreiben? (Thorben Pollerhof, 16.6.2020)