Hubert Schmalix vergleicht sein Wohnen mit der Arbeit an seinen Gemälden. Bei beidem geht es ihm um eine Art von Harmonie, die seine Handschrift tragen soll.

Foto: Jessica Chappe

Am großen Esstisch sind an jedem Freitag seine Töchter mit den Enkeln zu Gast.

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Es ist ein Leichtes, die Bleibe von Hubert Schmalix mit einem Song zu beschreiben. Nur ein paar Sekunden dauert es, bis einem beim Anblick seines Anwesens der Ohrwurm California Dreamin’ in die Gehörgänge kriecht. Klischee? Yes! Und? California Dreamin’ also, so weit das Auge reicht. Ohne Wenn und Aber.

Der Himmel so blau wie Blau nur sein kann, die prächtig wuchernde Flora so grün wie Bambus, Palmen, British-Racing-Green, Jägerloden und was es sonst noch an Grünzeug gibt. Und die Sonnenstrahlen? Die scheinen hier produziert zu werden. Der Smog mancher Tage allerdings auch.

Der Künstler Schmalix kann gar nicht genug von Dingen bekommen. Bücher, Skulpturen, Vasen, Designklassiker. Von allem will er immer noch mehr und das noch Bessere haben.
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Der gebürtige Grazer mit ein paar italienischen Wurzeln muss ein zufriedener Mann sein. Und doch mosert er ein kleines bisschen, der 67-Jährige, der sich in den 1980er-Jahren mit anderen Vertretern der Kunstbewegung namens Neue Wilde auf einen Stockerlplatz der Kunstszene malte.

Es ist ein charmantes Mosern, kein wienerisch-raunziges. "Es hat sich viel verändert, seit ich 1987 hierherkam. Damals gab es noch die amerikanischen Schlitten, die Cabrios und das amerikanische Gefühl der Freiheit. Dieser kalifornische Way of Life verschwindet zusehends. Was man sich früher unter Amerika vorgestellt hat, kippt immer mehr ins Negative", meint Schmalix und sagt: "Cowboys, große Autos, Filmstars und all das weicht immer mehr einem Einheitsbrei."

Dennoch möchte der Künstler in den Staaten bleiben. Viermal pro Jahr fliegt er für zwei Wochen wegen Ausstellungen nach Österreich und dann wieder zurück in sein Haus, um das man ihn – Einheitsbrei hin, Einheitsbrei her – auch weiterhin beneiden darf. Und um den Garten. Und den Pool. Und die unzähligen Kubikmeter Ausblick. Und noch mehr.

Er möchte sich von Dingen umringen und umzingeln lassen. Die Objekte sind dazu da, ihm Geschichten zu erzählen.
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Durchgestartet ist diese Ecke in den nordöstlichen Hügeln von L.A. 1909 mit einem Hotel auf der Spitze des Mount Washington. Nach dem ist der ganze Stadtteil benannt. Jahrzehnte später wurde das Hotel vom Yogalehrer Paramahansa Yogananda gekauft. Seine Sekte der Self-Realization Fellowship ist auf einem großen Areal noch heute aktiv und pflegt die Gegend.

Ein Schuss Hippie

Schmalix erzählt von Nonnen in wallenden Gewändern. Angeblich ist auch Elvis seinerzeit immer wieder heimlich bei den Brüdern und Schwestern aufgekreuzt. Ansonsten war und ist die Gegend sehr mexikanisch geprägt, auch wenn sie sich mit der Zeit mehr und mehr zu einer Enklave für Künstler, Schauspieler oder Uniprofessoren entwickelte. "Weiße Liberale mit einem Schuss vergangener Hippie-Tage" nennt es Schmalix.

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Im Viertel Mount Washington stehen viele einfache Häuser, auch Gebäude im sogenannten Craftman-Stil und Schmuckstücke von Architekten wie Richard Neutra oder John Lautner. Die Geschichte des Schmalix-Hauses? Schon bevor der Künstler im Jahre 2000 in dieses Zuhause zog, wohnte er in der Gegend, zwei Minuten von seinem jetzigen Daheim entfernt. Irgendwann hatte er genug vom Pendeln zwischen Haus und Pinseln, wollte beides unter einem Dach vereint.

Eines Tages, Schmalix brachte seine Töchter zur Klavierstunde weiter oben am Hügel, bog er der Neugierde halber in eine Quergasse und entdeckte ein zum Verkauf stehendes Grundstück, das es ihm sogleich angetan hatte. "Ich stellte zu jener Zeit im Wiener Museum Moderner Kunst aus, das Ehepaar Essl hat mir ein paar Bilder abgekauft, und ich habe zugeschlagen."

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Freiheit für die Architekten

Nach dem Kauf des Grundstücks passierte ein Jahr lang gar nichts. 1997 kamen dann die Architekten Fung + Blatt ins Spiel. "Ich ließ den Architekten viel Freiheit, habe ihnen keine Architekturzeitschriften oder so etwas vorgelegt. Ich sagte ihnen lediglich, wie viele Zimmer ich brauchte, wie viele Bäder und wie hoch die Räume sein sollten. Ferner müssten alle Zimmer einen Ausgang zum Garten haben."

Alle Zimmer, das sind vier Schlafräume, drei Bäder, zwei Wohnräume, eine Küche, wobei die Übergänge sehr offen und fließend wirken. Mittlerweile wohnt Schmalix mit seiner Frau allein im Haus. Die beiden Töchter sind ausgezogen, kommen aber jeden Freitag samt ihren Partnern und den Enkerln an einem großen Tisch zum Essen zusammen. Darauf legt Schmalix großen Wert.

Gebaut wurde drei Jahre, statt des einen, das veranschlagt war. Das lag vor allem daran, dass der Bauleiter ein "kauziges Unikum war, das am liebsten alles selbst und allein gemacht hat", erzählt der Künstler, dem es allerdings nicht sonderlich pressierte.

California Dreamin’ – von der Einfahrt bis zum Pool entspricht das Haus von Hubert Schmalix einem lässig-kalifornischen Traum im Stadtteil Mount Washington, wo der 67-Jährige seit vielen Jahren zu Hause ist.
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Großzügige Burg

Stilistisch ist das Haus schwer zu fassen, es ist modern, das schon. Und sonst? Es versprüht einen Charme, als hätten es eher weniger konservative Heimwerker zusammengebastelt, aus Dingen, die sie halt so zusammentrugen. Ein Teil des Daches erinnert an eine Waschtrommel, sonst wirkt es ausbaldowert verschachtelt – eine großzügige, lässige L.A.-Burg bestehend aus großen Kisten, Rohren und einem Schuss Charles und Ray Eames. Reihenhäuschen geht anders. Insgesamt misst das Haus 350 Quadratmeter, 250 sind zum Wohnen da, der Rest zum Malen.

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Was sein Haus sonst noch besonders macht, ist die angewandte Technik. Normalerweise baut man in Kalifornien alles aus Holz, Schmalix entschied sich für eine Metallstruktur. Erstens weil Metall seinerzeit günstiger war, ein weiterer Grund liegt darin, dass es Termiten fernhält. "In Kalifornien ziehen spätestens nach zehn Jahren Termiten in jedes Haus. So spare ich mir den Kammerjäger und das Gift."

Jäger von Objekten

Jäger ist Schmalix selbst. Ein Jäger von Objekten: Geistert man durch sein Haus, wird sehr schnell klar, dass er sich gern von Dingen umringen lässt. Dingen, die ihm gefallen, alte Dinge, schöne Dinge. Er ist Sammler von Büchern, Möbeln, Teppichen, Bildern, Keramik. "Von allem möchte ich noch mehr haben und das noch Bessere", sagt er.

Es befriedigt ihn, auf ein schönes Tischtuch zu schauen, auf seine alte Leuchte von Josef Hoffmann oder ein Stück von Ettore Sottsass. Ein Vorhang muss die Farbe haben, die er sich genau überlegt hat, der Boden beim Darübergehen das Geräusch verursachen, das er sich wünscht. Eine Vase darf kein Massenstück sein. Die Dinge, die Hubert Schmalix im positiven Sinne umzingeln, sollen ihm Geschichten erzählen. Und das tun sie. Nicht nur ihm.

Warum nicht mehr Menschen ein solches Bewusstsein für Dinge haben, die sie im Alltag umgeben? "Wohl weil sie sich zu wenig damit beschäftigen, zu wenig Interesse zeigen. Ein solches Bewusstsein muss wachsen. Wenn ich mir ein Buch kaufe, schaue ich mir den Schrifttyp, den Druck, den Einband und das Papier an. Es muss mir Freude machen. Es geht nicht nur um die Information in dem Buch", erklärt Schmalix, der in den 70ern an der Akademie der bildenden Künste bei Max Melcher studierte.

Der Künstler in seinem 100-Quadratmeter-Studio. Auf einen Stockerlplatz der Kunstszene pinselte er sich in den 1980er-Jahren als Teil der Bewegung "Neue Wilde". Zu dieser zählen unter anderem auch Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Alois Mosbacher und Herbert Brandl.
Foto: Jessica Chappe

Die Begeisterung für seine Umgebung herrscht auch bei der Arbeit. Ein Keilrahmen, Pinsel und Farben, alles muss passen. Die Leinwände lässt sich Schmalix aus Belgien schicken.

Dieser fast fetischistische Zugang fließt auch unmittelbar in seine Kunst ein. Es geht ihm nicht ausschließlich um das Motiv, sondern um den Pinselstrich, die Harmonie. Um das Tun. "Die Oberfläche muss zu einem Juwel werden." Seine Gemälde mit seinem Haus zu vergleichen ist für ihn tadellos zulässig. Auch in dieser Beziehung gehe es um Harmonie. Wie verhält sich Beton zu Holz und Glas, wie stehen die Farben zueinander, wie eine Mauer zu einem Bücherregal?

"All das", so Schmalix, "muss wie bei einem Bild erarbeitet werden. Auf diese Art wird eines meiner Bilder zu einem ‚Schmalix‘. Und mein Haus auch." Der Künstler, der nur bei Tageslicht arbeitet, bezeichnet seinen Beruf übrigens als einen "Nine-to-five-Job". Nach acht Stunden hat er genug. Wie ein Arbeiter. Den Heimweg kann er sich sparen. (Michael Hausenblas, RONDO Exklusiv, 11.8.2020)