Comic anlässlich der Theaterarbeit "Ultraworld" an der Berliner Volksbühne.

Foto: Julian Röder / M. Selg, Comic „Ultraworld“, 2020

Susanne Kennedys Blick auf die Welt: "Was mich überhaupt nicht interessiert, ist Ironie", behauptet sie. Doch die Ironie scheint sich für sie zu interessieren.

Foto: Franziska Sinn

Loslassen können ist eine Option. Vielleicht, um ein Frank zu werden. "Hello, Frank, are you awake?", fragt ein Mädchen aus dem Off einen Mann mit VR-Brille. Der meditiert in einer von Susanne Kennedy zusammen mit dem bildenden Künstler Markus Selg generierten "Ultraworld".

Selg hat uns eine Botschaft aus "Ultraworld" (siehe das Comic links auf S. 10) zur Verfügung gestellt. Darin gestattet er einen Blick auf jenen Ort, den das Künstlerduo in seinem jüngsten Werk als vorapokalyptische Cyberhalluzination vorgaukelt.

"Das Theater muss kosmisch sein", sagt Kennedy. Ihres ist auch komisch. "Come on, Frank, it’s time", heißt es, als Frank – im Promovideo für das Stück – abhebt und ins Pink eines letzten Tunnels gleitet, während die echte Welt draußen von einer höhnischen Sonne gedörrt wird.

Ist es noch kosmisch ...

Selg und Kennedy bereiten den Auftritt ihrer virtuellen "Welt" als Trip in ein psychedelisches Paradies auf. "Das Ziel dieser Reise ist Ekstase", schrieb Timothy Leary. "Falls dir Zweifel kommen, schalte den Geist ab, entspanne dich, lasse dich mit dem Strom treiben."

Wer nicht erwachsen werden will, hört so etwas gerne. "So leben wir eigentlich alle. Irgendetwas hindert uns immer daran, erwachsen zu werden und wirklich zu leben", meinte Susanne Kennedy in einem Gespräch über ihr Stück "The Virgin Suicides", das 2018 bei den Wiener Festwochen zu sehen war.

Den Schritt zum Erwachsensein habe auch sie erst spät vollzogen, gibt die 1977 in Friedrichshafen geborene Regisseurin zu. Irgendwann zwischen 30 und 40 habe sie aufgehört, "auf andere zu warten, andere zu beschuldigen oder sich an anderen zu orientieren".

... oder schon ein Traum?

Als Künstlerin setzt Kennedy cyberfeministische Visionen ("Women in Trouble", 2018) in Szene, überträgt ihre Faszination für Ablebensprozesse auf die Bühne (vor "The Virgin Suicides" etwa in "Orfeo – eine Sterbeübung", 2015) oder lockt ihr Publikum aus unser aller Sicherheitsdenken: "Du weißt nicht, ob du deiner eigenen Wahrnehmung trauen kannst."

Daher sollte man bei ihren üppig bunten Arbeiten nie sicher sein, ob man tatsächlich noch in einem Theater sitzt oder vielleicht doch schon in einen Traumraum gebeamt wurde.

Besser gesagt, in ein virtuell-analoges Zwischenreich, wo ein Gespenst – zum Beispiel das der Kommerzkultur – Zauberkunststückchen vorführt. (Helmut Ploebst, 16.6.2020)