Zweiter Tag der Budgetdebatte im Nationalrat, neue Aufregung: Die rot-blau-pinke Opposition ist Mittwochvormittag nach wie vor empört, dass Türkis-Grün am Donnerstag den durch die Corona-Misere veralteten Haushaltsplan für 2020 von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) beschließen will. Auf der Regierungsbank sitzt diesmal seine grüne Regierungskollegin Leonore Gewessler. Auch die Superministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie kann sich von 9 Uhr früh an schon einiges anhören.

Musste sich Mittwochmorgen schon einiges anhören: die grüne Superministerin Leonore Gewessler.
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Etwa von Ex-Sozialminister Alois Stöger (SPÖ): "Wo im Budget haben Sie die Sicherung von österreichischen Arbeitsplätzen in der Luftraumfahrt abgebildet?", fragt er in Anspielung auf die finanzmarode AUA und Laudamotion. "Und nett formuliert: Wo ist die Nahverkehrsmilliarde?" – und, und, und. FPÖ-Abgeordneter Gerhard Deimek besteht am Rednerpult wiederum auf einer Regierungsvorlage bis Mitte Juni, die ein Forschungsfinanzierungskonzept beinhaltet. Neos-Mandatar Michael Bernhard vermisst in der Corona-Krise neue Jobs, Jobs, Jobs, die Arbeitslose nun im Zuge eines engagierten Klimaschutzes auffangen könnten: "Wo ist eine Qualifikationsoffensive, dass etwa gelernte Nachrichtentechniker für die Installation von Fotovoltaikanlagen eingesetzt werden können?", bohrt er bei Gewessler nach.

Die Ministerin beruhigt: Über das zwischen ÖVP und Grünen ausverhandelte Budget werde entsprechend in den Umweltschutz investiert: 2,4 Milliarden für die Schienen-Infrastruktur seien der bisher höchste Wert. 847 Millionen und damit 91 mehr als im letzten Budget würden dafür aufgewendet, et cetera, et cetera.

Rotes Duo sieht schwarz für Hilfsgelder

Zu diesem Zeitpunkt trommeln SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried und der rote Budgetsprecher Kai Jan Krainer die Medien am Rande der Nationalratssitzung zusammen, Anlass: Man habe ein Gutachten des Verfassungsexperten Karl Stöger von der Universität Graz erstellen lassen, das begründe, warum die Vorgangsweise von Finanzminister Blümel nicht verfassungskonform sei.

Erstens habe in einem Finanzplan "Budgetwahrheit" zu herrschen, bedeutet: Dort hätten richtige statt falscher Zahlen zu stehen, wie Blümel selbst zugegeben habe. Zweitens gelte der Grundsatz der "Budgetklarheit", heißt wiederum: Alles, was man zum jetzigen Zeitpunkt an Einnahmenentfall und Ausgabenmehraufwand wegen der Pandemie schon wisse, sei ins Budget auch einzupreisen, also detailliert anzuführen – Deutschland habe das bereits genauso gemacht.

Warnen vor Blümels Budget samt möglichen Folgen: SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried und der rote Budgetsprecher Kai Jan Krainer.
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Daraus folgern Leichtfried und Krainer: Die Hilfspakete, die die Regierung permanent in Pressekonferenzen ankündige, seien im Budget darzustellen. Da die Koalition diese Vorgaben offensichtlich verletze, sei der Haushaltsplan ein Fall fürs Altpapier, erklärt Krainer, und mehr noch: Weil Blümels Budget quasi verfassungswidrig sei, hätten "wir dann auch den Salat, dass die Hilfsgelder wackeln", denn genau das müsse der Verfassungsgerichthof am Ende bewerten.

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Das Gutachten im Wortlaut

Leichtfried mahnt, es sei an der Zeit, dass die Regierung endlich wieder auf den Boden der Verfassung zurückkehre, und Krainer kritisiert: Nach Brüssel habe Blümel schon per 30. April gemeldet, mit welchen Ausfällen und Ausgaben wegen des Virus er rechne – doch bis heute habe sich der türkise Finanzminister geweigert, die Zahlen dem Parlament vorzulegen.

Krainer will sich den von Blümel bereits angekündigten Abänderungsantrag genau ansehen – dass es zu diesem kommt, sieht die SPÖ als ihr Verdienst. Im Finanzministerium sieht man das alles freilich anders, dort wurden ebenfalls Fachleute rund um das eigene Vorgehen vorgeschickt.

Blümel gesprächsbereit

Blümel selbst gab sich am Mittwoch gesprächsbereit. Wenn die Kritik gerechtfertigt sei, wolle er darauf eingehen, versicherte er bei einer Pressekonferenz. "Wir haben natürlich das Budget nach entsprechender Sorgfalt und nach Rücksprache mit den Expertinnen und Experten des Finanzministeriums so vorgelegt", sagte er. Wenn es sachlich gerechtfertigte Punkte gäbe, "dann können wir auch sehr gerne darauf eingehen". Nachsatz: "Es ist nur in den letzten Tagen etwas schwierig geworden prinzipielle Oppositionskritik von sachlicher Kritik zu unterscheiden."

Die Neos sehen sich durch das von der SPÖ präsentierte Gutachten der SPÖ bestätigt. Bereits am Dienstag habe man einen Antrag auf Rückverweisung des Budgets in den Ausschuss gestellt, erinnerte Budgetsprecherin Karin Doppelbauer: "Jetzt kann es für Finanzminister Blümel nur heißen: Zurück an den Start."

Besonders ärgerlich ist für sie die fehlende parlamentarische Mitwirkung aufgrund der Überschreitungsermächtigung. Dass Blümel in Zukunft nach Gutdünken per Verordnung ohne begleitende parlamentarische Kontrolle über das Geld verfügen- und alles Denkbare beschließen könne, was in die sehr weit gefassten gesetzlich festgelegten Verwendungszwecke der Mittel falle, sei demokratiepolitisch "ungeheuerlich". Hier werde versucht, Milliarden am Parlament vorbeizuschleusen", argwöhnt Doppelbauer. (Nina Weißensteiner, 27.5.2020)