Slowenien hat das Virus scheinbar erfolgreich zurückgedrängt.

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Slowenien ist Pandemie-Europameister. "Derzeit haben wir keinerlei neue Fälle, was bedeutet, dass der Reproduktionsfaktor jetzt in Slowenien praktisch null beträgt oder sehr nahe bei null liegt", sagt der Physikprofessor Matjaž Perc von der Universität Maribor, der Studien zum Covid-19-Verlauf macht, zum STANDARD. Er verweist darauf, dass der Reproduktionsfaktor (R) bereits am 3. April in Slowenien unter eins gefallen war.

Der Reproduktionsfaktor zeigt, wie viele Menschen ein Covid-19-Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Wenn die Zahl unter eins liegt, gilt die Pandemie als eingedämmt. "Am 10. Mai hatten wir insgesamt 1.460 bestätigte Fälle, heute haben wir 1.469 bestätigte Fälle. Die Berechnungen aufgrund dieser Daten ergeben also eine Reproduktionsrate von praktisch null", führt Perc aus. Derzeit gebe es noch etwa zehn Infizierte Personen in ganz Slowenien, und die Zahl bewege sich weiter nach unten.

"Wenn die Grenzen geschlossen bleiben würden, würden wir sicherlich Covid-19 loswerden", meint Perc, der auch das Complex Systems Center in Maribor leitet. "Aber weil sie in ganz Europa nun geöffnet werden, gibt es einige Bedenken, dass es möglicherweise zu einer zweiten Welle kommen könnte." Zurzeit gebe es aber noch nicht ausreichend Daten, um die Situation für den Herbst zu prognostizieren. "Wir wissen es einfach noch nicht, und niemand kann wirklich langfristige Voraussagen machen", so der Physiker.

Merkwürdiges Argument

In Slowenien hat die Aufrechterhaltung der Quarantänebestimmungen für Personen, die nach Österreich einreisen – sie müssen sich zwei Wochen lang selbst isolieren –, zu Kritik geführt. In Ljubljana verweist man darauf, dass Wien Vorbehalte habe, dass Italiener via Slowenien nach Österreich einreisen könnten, aber auch dass die illegale Migration wieder zunehmen könnte. "Das erste Argument wird in Ljubljana aber als merkwürdig erachtet, weil die Grenze zwischen Italien und Slowenien geschlossen ist, und das zweite Argument hat nichts mit der Covid-Krise zu tun", sagt der Politologe Marko Lovec von der Universität Ljubljana zum STANDARD.

Weshalb Slowenen, Kroaten oder Österreicher in Österreich in Heimquarantäne gehen müssen, wenn sie aus Slowenien kommend einreisen, ist ohnehin nicht nachvollziehbar. "Viele denken, dass das de facto ein protektionistischer Schritt von Österreich ist, um Wettbewerb zu verhindern, sowohl im Bezug auf Urlaubsreisen von Österreich nach Slowenien als auch im Bezug auf Arbeitsmigration von Slowenien nach Österreich. Zudem geht es um die Förderung rechter Migrationspolitik", so Lovec. Andere meinen in Ljubljana, dass Slowenien auf der EU-Ebene marginalisiert werde und sich diplomatisch nicht habe durchsetzen können. Jedenfalls trauen sich viele EU-Bürger nicht, nach Slowenien oder Kroatien zu fahren, weil sie Angst haben müssen, bei der Rückkehr in die österreichische Quarantänefalle zu tappen. Viele meinen, dass Österreich einfach versuche, die Touristen im eigenen Land zu halten, weil es ums Geld geht.

Schlecht für ein offenes, kleines Land

De facto sind Slowenen zurzeit an allen anderen Staatsgrenzen Beschränkungen ausgesetzt, obwohl sie aus einem Land kommen, das die Pandemie viel besser im Griff hat als alle Nachbarn. Offiziell gibt es auch in Slowenien Quarantänepflicht, aber es gelten seit Dienstag 17 Ausnahmen – so gilt etwa keine Quarantäneverpflichtung für Touristen aus EU-Staaten oder Personen, die nur durch Slowenien durchfahren wollen. Trotzdem könnte es – auch wegen der Haltung der Nachbarstaaten – nun wieder mehr Kontrollen an den Grenzen geben, was natürlich zu Reiseverzögerungen führen wird.

"Das sind schlechte Nachrichten für die Reisefreiheit in der EU und schlechte Nachrichten für kleine und offene Staaten", resümiert Lovec. "Das Ganze könnte aber für Österreich nach hinten losgehen – denn viele Slowenen waren daran gewöhnt, in Klagenfurt und Graz einzukaufen, ganz zu schweigen von den Skiurlauben." (Adelheid Wölfl, 27.5.2020)