Die Richtung.

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Dortmund – Für seine Klarstellung ging Lucien Favre demonstrativ vor dem schwarz-gelben Mannschaftsbus mit dem riesigen BVB-Logo in Position. "Ich werde weitermachen. Ich habe einen Vertrag. Ich werde diesen Vertrag erfüllen. Es gefällt mir hier", sagte der Trainer von Borussia Dortmund im Sky-Interview und beendete damit zumindest vorerst die Spekulationen über seine Zukunft.

Als tags zuvor der Meistertraum wohl endgültig geplatzt war, hatte Favre mit kryptischen Äußerungen diese selber angeheizt. "Das sagt man hier seit Monaten. Ich weiß, wie das läuft", hatte Favre nach dem 0:1 (0:1) im Liga-Gipfel gegen Bayern München über die Kritik geäußert, er könne keine Titel holen. "Darüber", fügte der Schweizer an, "werde ich in ein paar Wochen sprechen."

Spontanität

Damit hatte er die Büchse der Pandora geöffnet. "Favre weg, Niko Kovac kommt", sagte Lothar Matthäus spontan. Doch davon wollte Favre am Mittwochmittag im strahlenden Sonnenschein auf dem BVB-Gelände nichts wissen. Seine Worte seien "nicht gut interpretiert" gewesen. Er sei von der Wirkung "total überrascht" worden: "Das ist unglaublich."

Vor der Richtigstellung des 62-Jährigen war schon Hans-Joachim Watzke um Schadensbegrenzung bemüht. "Es gibt aktuell überhaupt keinen Anlass für eine Trainerdiskussion", sagte der Geschäftsführer den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir spielen eine sehr, sehr gute Rückrunde, hatten vor dem Spiel 27 von 30 Punkten geholt, sind überall gelobt worden." Favre habe lediglich sagen wollen, dass "wie immer" am Ende der Saison eine Analyse gemacht werde. Das bestätigte auch Favre (Vertrag bis 2021) im blauen Jeanshemd und versprach in der neuen Saison "wieder anzugreifen".

Zweifel

Doch so einfach dürfte es nicht werden. Ungeachtet der Niederlage gegen den FC Bayern spielt der BVB zwar eine starke Rückrunde. Doch die Zweifel, dass Favre die Dortmunder zum ersehnten Titel führen kann, wachsen. In seiner bald zweijährigen Amtszeit scheiterte Favre in den Cup-Wettbewerben (Champions League und DFB-Pokal) viermal bereits im Achtelfinale. Zudem verspielten die Dortmunder in der Liga in der vergangenen Saison einen Neun-Punkte-Vorsprung.

Angesichts hochkarätiger Verstärkungen im Sommer (Julian Brandt, Hummels, Thorgan Hazard) und im Winter (Erling Haaland, Emre Can) rief Watzke für diese Spielzeit die Meisterschaft als Ziel aus. Doch in der Hinrunde wurde es bereits eng. Erst eine Systemumstellung nach dem 0:4 in München und dem 3:3 gegen Paderborn retteten Favre den Job.

Doch an den Bayern beißen sich die Schwarz-Gelben bei sieben Punkten Rückstand und noch sechs ausstehenden Spielen anscheinend wieder die Zähne aus. Es werde schwer, brutal schwer, sagte Favre über die Aussichten im Meisterrennen.

Kritik

Damit wächst wieder die Kritik an seiner Person. Er sei kein Titel-Trainer, lautet einer der Vorwürfe. Er stehe sich selbst im Wege, ein anderer. Der Name des derzeit vereinslosen Niko Kovac geisterte schon durchs Dortmunder Umfeld. Abwehrchef Mats Hummels wäre aber vermutlich alles andere als begeistert, wenn er erneut Kovac vorgesetzt bekäme. Der Kroate hatte entscheidenden Anteil am Abschied des Weltmeisters von 2014 aus München.

Bei Taktikfuchs Favre werden allerdings Mut und Emotionen vermisst. "Ich habe heute nicht den Mut gesehen. Diese Gier hat mir gefehlt. Ich hätte anders aufgestellt", kritisierte Sky-Experte Matthäus.

Ruhe

Der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Can hatte auf einen Startelfeinsatz gehofft. "Der Trainer hat so entschieden, das muss man so akzeptieren. Es ist jetzt blöd gelaufen, hätten wir gewonnen, würden wir hier stehen und sagen, es war alles richtig. Jetzt kann man diskutieren", sagte der Nationalspieler.

Favre will sich nun erst einmal auf die letzten Spiele konzentrieren. "Ich bleibe ruhig, ich vertraue mir", sagte Favre nach dem Geister-Gipfel, bevor er am Mittwoch einiges klarzustellen hatte. (sid, 27.5.2020)