Frankreich zuerst. Die Regierung in Paris knüpft die Staatshilfe für die Autohersteller PSA und Renault an patriotisches Verhalten.

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Wien – Wiewohl nicht rechtskräftig, wird das Urteil des Kartellgerichts Wien gegen den französischen Fahrzeughersteller Peugeot "Signalwirkung" haben, sagt "Autoprofessor" Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (Car) in Duisburg. "Das ist ein richtiges und wichtiges Urteil. Denn was Peugeot praktiziert, ist an der Grenze dessen, was sich ein großer Hersteller erlauben darf", sagt Dudenhöffer.

Er verweist auf erodierende Margen, Reglements und Korsette bis hin zu Absatzquoten für Elektro- und Dieselautos, mit denen Autobauer massiven Druck auf ihre Vertragshändler ausüben. Wobei PSA immer am härtesten gegen Händler und Beschäftigte vorgegangen sei. "Scheinbar ist diese Vorgangsweise nicht zulässig", so Dudenhöffer zum STANDARD. "PSA-Chef Carlos Tavares geht stets den harten Weg."

Preisdiktat

Wie berichtet, hat das Kartellgericht Wien Peugeot Austria – nicht rechtskräftig – wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung gegenüber einem oberösterreichischen Fahrzeughändler verurteilt. Die Übermacht des Herstellers/Importeurs manifestierte sich darin, dass die Gestaltung der Endkundenpreise durch Rabattaktionen des Importeurs teilweise massiv eingeschränkt wurde oder die Listenpreise von Handelsbetrieben des Herstellers mittels gestützter Preise unterlaufen wurden. Die Margen wiederum nennen Insider "alchemistisch", weil nicht transparent an nichtnachvollziehbare Ergebnisse von Kundenzufriedenheitsumfragen gekoppelt, was "entwürdigendes Flehen" der Händler bei ihren Autokäufern zur Folge hatte, weil sonst die für die Leistungsprämie notwendige maximale Punktezahl perdu war. Die sohin erodierenden Margen erlaubten laut Beschluss des Kartellgerichts bei einer Umsatzabhängigkeit von 68 Prozent kaum Gegenwehr.

Hochverschuldet

Bei anderen Herstellern seien die Verhältnisse nicht viel besser, wenden Branchenvertreter ein. Viele Einzelhändler sind – auch aufgrund von Vorgaben, Preispolitik und Internetvertrieb ihrer Importeure – hochverschuldet und stehen mit dem Rücken zur Wand. "Je höher die Schulden, desto leichteres Spiel hat der Hersteller mit dem Händler", bringt es ein Branchenvertreter, der nicht genannt werden will, auf den Punkt.

Um fast 90 Prozent ist der Absatz von PSA im April eingebrochen.
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Nun seien die Geschäftspraktiken wohl anzupassen, attestiert Dudenhöffer – auch wenn das Urteil in der von Peugeot angekündigten Berufung beim Kartellobergericht nicht oder nur teilweise Rechtskraft erlange. Besonders gute Karten haben die insbesondere im Werkstättengeschäft abhängigen Vertragspartner in diesem Poker freilich nicht. Seit der Übernahme von Opel sei das Händlernetz noch mehr überbestückt – und die Überkapazitäten werden weiter steigen, sagt Dudenhöffer, denn FCA, also Fiat-Chrysler, die mit PSA (Peugeot, DS, Citroën, Opel) fusioniert, ist noch gar nicht eingerechnet. Anhaltende Marktanteilsverluste bei Opel und Fiat verstärkten den Trend.

Umwälzungen und Internet

Durch die Corona-Krise steigt der Druck, erste Autohäuser wie Honda Havelka in Niederösterreich meldeten im Mai Insolvenz an. Umwälzungen sind bereits im Gang. Daimler hat angekündigt, seine österreichischen Mercedes-Händler ab 1. Jänner auf Fixpreise umzustellen. Feilschen um Extras ist dann passé – allerdings auch der Spielraum für den Händler, der aber bereits enorm unter Preisdruck stehe, sagt Dudenhöffer. Ob diese Art von Agenturmodell Schule machen wird? Die Preisstruktur des Herstellers gewinne dadurch jedenfalls an Stabilität, und der Händler muss die Neuwagen nicht mehr erwerben, um sie weiterzuverkaufen.

Er wird im Gegenzug allerdings zu einer Art Makler degradiert, der Neuwagenverkäufe vermittelt und dafür nur noch Provisionen bekommt. "Das große Händlersterben kommt erst", sagt ein langjähriger Kfz-Verbandsfunktionär resignierend.

Vorrang für Frankreich

Auf harte Bandagen sollte sich auch das Opel-Werk in Wien-Aspern einstellen. Denn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat für die französische Autoindustrie wohl ein acht Milliarden Euro schweres Hilfspaket geschnürt, die Konzerne allerdings aufgefordert, Produktionsstätten aus dem Ausland zurückzuholen und neue Modelle in der Heimat zu entwickeln. Damit und mit einer auf 7.000 Euro erhöhten E-Auto-Prämie soll Frankreich zum Tophersteller sauberer Fahrzeuge in Europa werden.

Renault bekommt den Staatskredit in Höhe von fünf Milliarden Euro erst, wenn sich Führung und Gewerkschaften über die Zukunft der Mitarbeiter und der Werke in Frankreich einig sind. (Luise Ungerboeck, 28.5.2020)