Der britische Premier Boris Johnson bleibt stur.

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Wenn die Brexit-Verhandlungen über den zukünftigen EU-Handel kommende Woche in die entscheidende Runde gehen, will die britische Regierung von Premier Boris Johnson weiterhin Härte demonstrieren. Bei einer Anhörung des zuständigen Unterhaus-Ausschusses bekräftigte Kabinettsbürominister Michael Gove den bestehenden Zeitplan: Sollte es zu keiner Vereinbarung kommen, kappt Großbritannien Ende des Jahres alle Verbindungen zum größten Binnenmarkt der Welt.

Seit dem EU-Austritt Ende Jänner verharrt das Vereinigte Königreich in einer Übergangsphase bis Silvester 2020. Das Brexitland verfügt über keinerlei Mitspracherecht mehr, muss aber alle Vorschriften der Gemeinschaft erfüllen und wie bisher rund zehn Milliarden Euro jährlich in die Brüsseler Kasse einzahlen. Für die Zukunft wünscht sich Brüssel eine Gesamtvereinbarung; die Briten wollen über einzelne Themengebiete wie Fischerei, polizeiliche Zusammenarbeit oder den Status von Nordirland je eigene Abkommen abschließen.

Der britische Chefunterhändler David Frost gab nun erstmals ein wenig Einblick in seine Taktik. So verteidigte der Vertraute des Premierministers seinen robusten offenen Brief an EU-Chefverhandler Michel Barnier von vergangener Woche: Von Zeit zu Zeit sei es wichtig, "sich an ein größeres Publikum" zu wenden. Gemeint sind in erster Linie die 27 Mitgliedsstaaten. London verdächtigt die EU-Kommission, britische Verhandlungspositionen nicht korrekt in die Hauptstädte weiterzuleiten.

Stopp wegen Pandemie

Die Corona-Pandemie hat eine Verhandlungsrunde im März torpediert. Seither treffen sich die Delegationen nur online. Waren zwischendurch eine Reihe von Frosts Mitarbeitern zur Bekämpfung von Sars-CoV-2 abgestellt, seien diese mittlerweile wieder im Brexit-Einsatz, berichtete der Unterhändler. Alle Appelle der Opposition, den engen Zeitplan zu überdenken, hat Johnson bisher stets zurückgewiesen. "Wir werden keine Verlängerung beantragen und auch einer entsprechenden Bitte der EU nicht entsprechen", sagte auch Frost.

Bei einem der entscheidenden Themengebiete, dem Zugang zu den fischreichen Gewässern rund um die Insel für Fangflotten aus Frankreich, Spanien und anderer Fischereinationen, ist Frosts Taktik offenbar nach hinten losgegangen. Barnier hatte am Ende der jüngsten Verhandlungsrunde Mitte Mai noch anklingen lassen, Brüssel werde sich in der besonders schwierigen Streitfrage womöglich bewegen. Das scharfe Frost-Schreiben aus London scheint nun zu einer Verhärtung der EU-Position gesorgt zu haben.

Bei einer Videokonferenz pochten die zuständigen Fischereiminister am Dienstag jedenfalls auf der bisherigen Verhandlungsposition, wonach die bisherige Praxis unverändert weitergehen soll. Barnier werde "unnachgiebig" bleiben, berichtete Irlands Minister Michael Creed anschließend.

Den Parlamentariern gegenüber bekräftigte Frost die britische Position: Der Status quo komme nicht in Frage. "Die Kontrolle über unsere eigenen Gewässer ist sehr wichtig." (Sebastian Borger aus London, 28.5.2020)