Hat ein Tête-à-Tête mit zwei Beschuldigten in der Casinos-Affäre Sektionschef Christian Pilnacek sein Amt gekostet? Zweifelsohne hatte der Besuch, bei dem Pilnacek laut eigenen Angaben zur "Klagemauer" für die Beschuldigten wurde, eine verheerende Symbolik. Es wurde der Eindruck erweckt, dass Betuchte und gut Vernetzte beim Sektionschef vorsprechen können – als gäbe es eine Zweiklassenjustiz, in der meist ÖVP-nahe Verdächtige Einfluss auf die Verfahren nehmen können.

Beweise dafür gibt es nicht, aber eine Masse an Vorwürfen, sowohl justizintern als auch vonseiten der Politik. Die neue, grüne Ministerin Alma Zadić konnte das nicht ignorieren. Festzuhalten ist, dass sich der Name Pilnacek in den vergangenen Jahren zu einer Chiffre entwickelt hat, die reale Probleme, aber auch den Frust über die Komplexität des Justizsystems in sich vereint.

Natürlich hat Pilnacek einige Fehler gemacht. Alles andere wäre in zehn Jahren Sektionsleitung auch erstaunlich. Pilnacek ist ein emotionaler Heißläufer, wie abendliche E-Mails zeigen. Wohlwollend könnte man das als leidenschaftlich bezeichnen – kritisch als unprofessionell und unvorsichtig.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne).
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Pilnacek ist aber vor allem die Fehlkonstruktion seiner "Supersektion" zum Verhängnis geworden. Als Leiter der Legistik, die Gesetze entwickelt, muss er im intensiven Austausch mit der Außenwelt stehen; als Leiter der Fachaufsicht und wichtiges Glied der Weisungskette darf er nicht mit der Außenwelt über laufende Verfahren kommunizieren.

Kluger Schachzug

Diesen Widerspruch durch die Aufteilung der Sektion aufzulösen ist ein kluger Schachzug von Justizministerin Alma Zadić – und eine gesichtswahrende Lösung für Pilnacek.

Die Probleme der Justiz verschwinden damit aber keineswegs. Es braucht tiefgreifende strukturelle, aber auch kulturelle Änderungen, um das Vertrauen in die Leistungen der Justiz bei politisch aufgeladenen Verfahren zu stärken. Einerseits ist das eine Ressourcenfrage, andererseits gibt es aber auch Ressourcenfresser: etwa die Berichtspflicht für Staatsanwaltschaften in clamorosen, also medial interessanten Causen. Dazu kommen "heimliche" Weisungen – also etwa Äußerungen bei Dienstbesprechungen oder auch nur draußen auf dem Gang bei der Staatsanwaltschaft, die also nicht formal ausgesprochen werden.

Ein riesiges Problem ist auch die mangelnde Fehlerkultur im Justizministerium. Da setzen Staatsanwälte und deren Vorgesetzte in der Weisungskette Himmel und Erde in Bewegung, um anderen den schwarzen Peter zuzuspielen, anstatt sich Versäumnisse einzugestehen. Dass sich Ministeriumsmitarbeiter und Staatsanwälte gegenseitig heimlich aufnehmen, anzeigen oder per E-Mail spätabendliche Rachepläne schmieden, muss sofort aufhören.

Aber vielleicht ist die Neustrukturierung auch ein guter Zeitpunkt, um über eine neue Öffentlichkeitsarbeit der Justiz zu sprechen. Denn oftmals sind Handlungen zwar moralisch verwerflich, aber juristisch nicht verfolgbar. Gerade bei Großverfahren in Wirtschaft und Politik ist in solchen Fällen ein dem Anschein nach korruptes Verhalten nicht zu beweisen, auch wenn man jahrelang nach der Smoking Gun sucht. Man kann diskutieren, ob das sinnvoll ist – es darf aber nicht dazu führen, dass der nächste Sektionschef als Manipulierer dasteht, nur weil das Recht keine Anklage hergibt. (Fabian Schmid, 27.5.2020)