Wanderarbeiter in Indien gehören zu den großen Opfern dieser Krise.

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Ganz am Anfang, im Februar und März, schien es, Corona sei eine Krankheit der Reichen. Schauspieler, Bosse und Royals gaben nacheinander bekannt, dass sie sich angesteckt hatten, wohl bei Reisen. Das ist nun nicht mehr so. Covid-19 hat sich in eine Seuche entwickelt, die zeigt, wer in der Gesellschaft benachteiligt ist – oder wird.

Anzeichen dafür gab es schon lange, bevor das Thema in Österreich rund um Post-Leiharbeiter, Fleischindustrie-Angestellte und Flüchtlinge aktuell wurde – und bevor im April in Deutschland der Corona-Tod eines rumänischen Erntehelfers in seiner Unterkunft dessen womöglich ungenügenden Zugang zu Versorgung publik machte.

Immerhin waren es im Jänner Wanderarbeiter aus Wuhan, deren Heimreise zu Chinas Neujahrsfest zur Verbreitung des Virus beitrug. Für sie und ihre rund 280 Millionen Kolleginnen und Kollegen ist der Weg zurück zur Normalität noch immer ein langer. Viele kehren zwar in die Städte zurück, wo sie vor dem Lockdown gearbeitet haben – Restaurants, Baustellen und andere Arbeitsstätten sind aber dicht. So haben sie keinen Anspruch auf staatliche Gelder. Jene, die doch wieder Arbeit finden, müssen sich oft mit Dumpingpreisen zufriedengeben.

Millionen zu Fuß unterwegs

Auch in Indien wurde vor wenigen Tagen die Ausgangssperre zum dritten Mal, bis zum 31. Mai, verlängert. Auch dort stellt das Wanderarbeiter vor große Probleme. Durch den Stillstand haben die Tagelöhner die Möglichkeit verloren, Geld zu verdienen. Nur einige Bundesstaaten schafften es, die vielen Menschen in Zelten zu verpflegen. Viele – laut Schätzungen bis zu 20 Millionen Menschen – sind seit Beginn des Lockdowns wegen der fehlenden Versorgung in den Städten auf dem Weg in ihre Heimatdörfer. Oft geschieht das zu Fuß, etliche sind an Hunger und Erschöpfung gestorben. Weil die Massen-Heimreise auch zur Corona-Verbreitung beiträgt, werden sei daheim dann vielerorts Opfer von Diskriminierung.

Systematische Benachteiligung und schlechte Gesundheitsversorgung sind es auch in der reicheren Welt, die für ein anderes Phänomen grundlegend sind: Sowohl in Großbritannien als auch in den USA liegen die Covid-Erkrankungen und Todesfälle unter Angehörigen von Minderheiten deutlich über den Werten für Weiße. Sie haben öfter Vorerkrankungen, sie schuften vielfach in schlecht bezahlten systemerhaltenden Jobs.

Und schließlich gibt es noch jene, die im Dienst eines Wohlstandsphänomens tätig waren und nun in der Klemme stecken. 58.000 Angestellte von Kreuzfahrtfirmen saßen laut der US-Küstenwache im Mai allein noch in US-Gewässern auf Schiffen fest, ohne Aussicht, ihre Situation bald hinter sich lassen zu können. Dort wächst die Verzweiflung, es gab schon mehrere Suizide. (Manuel Escher, Anna Sawerthal, 27.5.2020)