Die Herrschaft über das All zu erringen ist eine der Lieblingsaufgaben vieler Computerstrategen. Ein Bedarf, der schon seit Master of Orion immer wieder mit hochklassigen Games gedeckt wird, die sich aber oft an Einzelspieler richten. Neuere Games lassen sich auch zu mehrt spielen, doch in der Regel ist bei vier bis acht Teilnehmern meist Schluss.

Wer mehr Wettbewerb sucht, wurde bislang nur bei Browsergames fündig. Auch unter diesen gibt es mit Titeln wie O-Game bereits recht alte Vertreter. Doch den großen Strategie-Kick können sie mit ihren recht rudimentären Mechaniken meist nicht bescheren. Erlösung soll der Free2Play-Titel Starborne bieten. Gleich 10.000 Spieler stürzen sich hier pro Match in einen zwei Monate dauernden Machtkampf. Das vom isländischen Studio Solid Clouds entwickelte Spiel ist 2017 in die Alpha-Phase gestartet und mittlerweile in der offenen Beta angekommen. DER STANDARD hat sich nun auch in die "unendlichen Weiten" begeben.

Screenshot: Starborne

Vom Rand ins Zentrum

Wobei: So unendlich sind die Weiten des Spiels gar nicht. Das All besteht hier aus einer riesigen, sechseckigen und in Hexfelder gegliederten Karte, an deren Rändern sich Startzonen befinden. Von diesen kann man eine wählen und bekommt dann einen zufälligen freien Platz mit der ersten Raumstation zugewiesen. Eine Woche lang ist man vor etwaigen Feindaktivitäten geschützt, aber selbst danach kann man in diesem Areal nicht effektiv angegriffen werden.

Von dort aus arbeitet man sich vor in den inneren Bereich der Map, der in zwölf spiralförmig angeordnete Arme gegliedert ist. Je weiter ins Zentrum man vorrückt, desto mehr Ressourcen gibt es abzugreifen, desto enger wird der Platz und desto härter die Konkurrenz. Gewonnen werden kann in drei Kategorien. Das erste Kriterium ist die räumliche Ausdehnung der eigenen Allianz. Das zweite ist der Kampf um bestimmte wichtige Planeten im Zentrum der Karte. Das dritte ist die erste erfolgreiche Erzeugung einer sogenannten Dyson-Sphäre – ein hypothetisches Konstrukt, erdacht von Freeman Dyson, das in der Lage sein soll, die Energie eines Sterns umzuleiten.

Screenshot: Starborne

Ohne Allianz keine Chance

Zehn Wochen dauert eine Partie, wobei es speziell nach der sechsten Woche zur Sache geht. Denn dann wird besagte Kartenmitte zugänglich. Neben den Kontrollpunkten finden sich dort auch jene Planeten, deren Kontrolle für die Produktion von Dyson-Sphären nötig ist, wobei am Ende die hergestellte Sphäre mit dem höchsten Level entscheidet.

Der Weg dorthin ist ein weiter, und ihn allein zu beschreiten ist sinnlos. Wie auch schon in O-Game und Co kommt man als Einzelner nicht weit. Aussichten auf einen Sieg haben ausschließlich Allianzen, die sich, da ihre Mitgliederzahl auf 20 beschränkt ist, in inoffizielle (weil im Spiel bislang noch nicht implementierte) Koalitionen begeben.

Bauen und ernten

Die Ähnlichkeiten zu O-Game reißen hier nicht ab. Man errichtet Gebäude, um das Einkommen an Ressourcen zu steigern, neue Funktionen freizuschalten und Einflusspunkte zu erhalten. Hat man von diesen genug erreicht, lässt sich die Station aufleveln, wodurch sich ihr Einflussradius erweitert. Im abgedeckten Territorium können verschiedene Außenposten errichtet werden, wiederum für Ressourcengewinn, zur Verteidigung, den Bau größerer Raumschiffe oder diverse andere Vorteile. Ein Stargate beispielsweise beschleunigt die Reise eigener Schiffe mit der Zeit erheblich.

Der "Fuhrpark" ist recht übersichtlich gehalten. Das Game kennt zwölf Typen für die militärische Nutzung, Transport und Aufklärung. Vier davon stehen zu Beginn zur Verfügung, der Rest muss freigespielt werden. Den ersten großen Meilenstein erreicht man, wenn man die eigene Station und Flotte so weit aufgerüstet hat, dass man sich erstmals den Bau einer zweiten Station leisten kann.

Screenshot: Starborne

Viel zu tun

Was bisher recht einfach klingt, wird von den Starborne-Entwickler mit zunehmender Zeit massiv verkompliziert. Und zwar mit der schieren Masse an unterschiedlichen Mechaniken. Zu den Standardressourcen – Metall, Gas, Kristall und Arbeit – kommen weitere hinzu, die sich aber zum Teil nicht einfach abbauen lassen. So benötigt man für manche Bauwerke bestimmte Bauteile, etwa "Diamant-Nanostäbe", die aber nur über Events zu bekommen sind. Um diese zu absolvieren, muss lediglich ein Button betätigt und abgewartet werden, was eher mäßig einfallsreich ist.

Ebenso kann man Missionen suchen und erfüllen, indem man eine Flotte an einen Ort schickt, die die gegebenen Anforderungen erfüllt. Das beschert Ressourcen und Kisten mit Karten. Dazu gibt es computergesteuerte Basen, sogenannte Marauder-Camps, die man überfallen und plündern kann. Sie sind eine ergiebige Quelle, solange man genug Schiffe zur Überwindung ihrer Verteidigung mitbringt. Gegenangriffe hat man nicht zu befürchten. Wer es aggressiver angehen will, kann außerhalb der Schutzzone auch andere Spieler plündern.

Eine Menge Basisressourcen kann man sich außerdem mit dem Sammeln von Solar Flares verdienen, die bei den Sternen des Starborne-Universums zufällig auftreten. Wer unmittelbar informiert werden will, muss Scans durchführen und dann hoffen, mit der Abbauflotte als Erster am Ziel zu sein. Und dann wären da noch passive Boni durch die Wahl einer Fraktion und die Erforschung von Policies.

Screenshot: Starborne

Zeit ist ...

Der größte Faktor in Starborne ist allerdings Zeit. Lassen sich Basis-Produktionsgebäude noch binnen weniger Minuten errichten, steigen die Zeitanforderungen für Bauwerke höheren Ranges sowie für jedes Level-up. Es ist möglich, mehrere Aufträge für Schiffe und Gebäude pro Station im Voraus abzugeben, allerdings nur bis zu einem zeitlichen Limit. Wer schneller fertig werden will, kann Karten einsetzen, die die Wartezeit verkürzen. Karten mit kleineren Zeitbeträgen wie einer, fünf oder 15 Minuten spuckt das Game regelmäßig über Belohnungen für Missionen oder Achievements aus, zudem gibt es vor allem zu Beginn auch eine üppige Ausschüttung mächtigerer Zeitkarte. Dem steht aber stetig wachsender Bedarf gegenüber.

Karten gibt es aber auch für alle möglichen anderen Dinge. Stationen und Flotten können auf je drei Slots permanent und auf zwei Slots temporär verstärkt werden, was etwa hilfreich sein kann, wenn ein Schwarm Industrieschiffe gerade nicht die notwendigen Frauchtraumkapazitäten mitbringt, um eine neue Station zu errichten. Ebenso lässt sich der Ressourcenausstoß von Stationen verbessern. Und natürlich auch in der Schiffswerft oder der Policy-Forschung Zeit abkürzen – für diese beiden Kategorien gibt es allerdings nur extrem selten Karten.

Screenshot: Starborne

... Geld

Macht aber nichts, zumindest wenn man gewillt ist, Geld einzuwerfen. Denn im Shop können hilfreiche Zeitkarten gegen eine Premium-Ingame-Währung (Platinum) erworben werden. Es gibt zwar auch Angebote für eine zweite, erspielbare Währung (Credits), die sich aber nur sehr begrenzt ausgeben lässt. Als "kosteneffizienteres" Angebot gibt es in Starborne aber auch ein 28-tägiges Premium-Paket für 15 Euro. Zum Preis eines Indiegames darf man längere Bauplanung durchführen, schneller Policies erforschen und erhält zusätzliche Belohnungen für Achievements und Events.

Anders gesagt: Das Spiel beinhaltet mehrere Pay2Win-Optionen. Wie sehr sich diese auswirken, ist schwer zu sagen, da nicht transparent ist, ob ein Spieler diese in Anspruch nimmt. In Diskussionen im globalen Chat trifft man auch durchaus auf den Standpunkt, dass dieser Aspekt kaum Einfluss habe, da schließlich Planung, Kooperation und die Kenntnis der diversen Spielmechaniken viel bedeutender seien.

Das trifft allerdings nur teilweise zu. Dass sich ein einzelner Spieler zum Sieg kaufen kann, dürfte tatsächlich eher ausgeschlossen sein, dafür sind Allianzen in Starborne schlicht zu wichtig und mächtig. Doch gerade wenn es um den Wettstreit mehrerer Verbünde geht, die auf dem Papier etwa gleich stark sind, kann die Bereitschaft, sich Vorteile zu finanzieren, spielentscheidend werden.

Angesichts des Aufbaus des Spiels muss man die Entwickler auch verdächtigen, es mit der Kombination aus dem großen Einfluss der Karten, der "Gruppendynamik", die Teilnehmer auch ob ihrer Allianzfreunde im Spiel hält, und des Zeitfaktors darauf angelegt zu haben. Andernfalls hätten sich wohl andere Finanzierungswege – von kosmetischen Items über Werbung bis zum klassischen Monatsabo für den Spielzugang – ebenso angeboten, um das Spiel am Laufen zu halten.

Screenshot: Starborne

Verscherbeltes Potenzial

Das ist schade, denn im Kern ist Starborne eigentlich kein schlechtes Spiel und hätte durchaus das Potenzial zu einer Art Stellaris-MMO. Die Kernmechaniken funktionieren, auch wenn an einigen Stellen noch Politur vonnöten ist. Andere spielerische Elemente wie die Events könnten in veränderter Form ebenfalls eine gelungene Ergänzung werden. Grafisch und akustisch ist die Präsentation nicht spektakulär, aber okay. Die Menüführung hat allerdings etwa Optimierungsbedarf.

Was von den guten Ansätzen letztlich bleibt, ist der schale Nachgeschmack von verschenktem – oder besser: verkauftem – Potenzial. Statt ein Spiel zu schaffen, mit dem man vielen Sci-Fi-Strategen weltweit Freude bereiten könnte, ist Starborne leider ein Titel, bei dem im Zweifel Geld über Können gestellt wird. (Georg Pichler, 30.5.2020)