Das zunehmend schöne Wetter lockt verstärkt zum Sport oder Spaziergang ins Freie und in den Garten. Nicht selten kommt es dabei vor, dass man auf ein scheinbar hilfloses Jungtier stößt und das kleine Lebewesen vor möglichen Gefahren retten möchte. Aber woher weiß man, ob ein Wildtier Hilfe benötigt oder man durch einen zu ambitionierten Einsatz die Überlebenschancen ungewollt schmälert?

Start der Brutsaison

Abhängig von vielen Faktoren wie Wettereinfluss im Brutgebiet, Bedingungen auf der Flugroute von Mittel- und Langstreckenziehern oder Nahrungsverfügbarkeit beginnt die Brutsaison für manche Vögel bereits sehr zeitig im Jahr. Darunter finden sich einige Tag- und Nachtgreifvögel, bei denen mitunter schon ab Februar mit Nachwuchs zu rechnen ist.

Im urbanen Raum konnten Bruten von Waldkäuzen, bei sehr guten Bedingungen, bereits im Dezember nachgewiesen werden. Andere Arten wie die Kohlmeise, die ebenfalls ganzjährig in Österreich lebt, legen ein paar Monate später die ersten Eier. In Bezug auf die Nistplatzwahl kann es ein klarer Vorteil sein, unter den Ersten im Brutgebiet anzukommen oder gar das ganze Jahr am gleichen Ort zu verbringen. Viel größer ist die Chance, einen der besten Nistplätze zu ergattern, bevor auch die Zugvögel heimkehren und ihren Anspruch geltend machen. Dennoch bringt einigen Vogelarten auch der beste Brutplatz nichts, wenn die Eier zu zeitig im Jahr gelegt werden und die Jungen dementsprechend früher schlüpfen. Viel zu hoch ist das Risiko der mangelnden Nahrungsverfügbarkeit, besonders von Insekten, die bei niedrigen Temperaturen weder fliegen noch schlüpfen. Dazu kommt noch ein erhöhter Energiebedarf aufgrund niedriger Außentemperaturen, der zusätzlich ausgeglichen werden muss.

So gilt es für viele Arten, die ganz unterschiedliche Ansprüche an die Bedingungen während der Jungenaufzucht stellen, den optimalen Zeitpunkt für Paarung, Nestbau und Eiablage abzupassen, um so viele Jungtiere wie möglich durchzubringen.

Junger Habichtskauz
Foto: Richard Zink

Selbstständigkeit

Während Nesthocker bis zum Erlangen einer gewissen Eigenständigkeit im Nest heranwachsen, kommen Nestflüchter bereits weit entwickelt zu Welt. Besonders bei Bodenbrütern macht es Sinn, dass Jungtiere kurz nach dem Schlüpfen das Nest verlassen und von Beginn an laufen beziehungsweise schwimmen können, um dem Altvogel zu folgen. Küken von Vogelarten wie der Stockente schlüpfen bereits weit entwickelt.

Sinnesorgane wie Augen und Ohren sind voll funktionsfähig, ebenso die Motorik und die Temperaturregulation, dank des von Anfang an angelegten Federkleids. Viele Nestflüchter werden anfangs trotz der hohen Selbstständigkeit von ihren Eltern gefüttert und bei Bedarf gewärmt, aber es gibt auch einige Arten, die von Beginn an selbstständig Nahrung aufnehmen. Durch die hohe Eigenständigkeit des Nachwuchses können Weibchen, unabhängig von Faktoren wie geografischer Breite oder Nahrungsangebot, mit wenig Energieaufwand mehr Jungtiere versorgen als Elterntiere von klassischen Nesthockern.

Facetten der Natur

Ein ganz anderes Verhalten legen Nesthocker, wie es bei den meisten in Bäumen lebenden Vögeln der Fall ist, an den Tag. Die Jungtiere kommen hilflos zur Welt und sind voll und ganz auf die Versorgung durch die Altvögel angewiesen. Die Augen sind meist geschlossen und die Tiere nackt. Ohne die Fütterung und Wärmezufuhr durch die Elterntiere hätten sie keine Überlebenschance. Aber auch hier zeigt die Natur viele Facetten.

Während Aaskrähen blind und unbefiedert zur Welt kommen, öffnen Wanderfalken bereits einige Stunden nach dem Schlupf die Augen und besitzen auch ein erstes Dunenkleid. Dennoch sind sie komplett auf ihre Eltern angewiesen. Erst wenn das Federkleid ausgebildet ist, verlassen Nesthocker den sicheren Ort und beginnen mit dem Flugtraining, während sie weiterhin von den Altvögeln versorgt werden. Eine weitere Ausnahme bilden hier die Mauersegler. Die Jungvögel können nach dem Verlassen des Nestes sofort fliegen und selbstständig Nahrung erwerben.

Gerettete Mauersegler in der Greifvogelstation Haringsee.
Foto: EGS Archiv

Nestling versus Ästling

Je nach Alter und Entwicklung unterscheidet man zwischen Nestlingen und Ästlingen. Der Name lässt bereits vermuten, dass mit Nestling ein Jungvogel gemeint ist, der sich im Nest befindet und weitgehend zur Gruppe der Nesthocker zählt. Wie bereits erwähnt, sind die Tiere komplett auf die Bereitstellung von Nahrung und Wärme durch die Altvögel angewiesen. In den ersten Tagen nach dem Schlüpfen verhalten sie sich sehr ruhig und unauffällig. Erst im Laufe der Entwicklung werden sie zunehmend mobiler und mutiger, weshalb es durchaus passieren kann, dass ein kleiner Vogel aus dem Nest fällt. Hier besteht dringend Handlungsbedarf, denn außerhalb des Nestes wird er von seinen Eltern weder gefüttert noch gewärmt.

Ästlinge sind hingegen bereits ein wenig älter und halten sich im Nahbereich des Nestes auf. In dieser Phase der Entwicklung werden die ersten kurzen Flüge unternommen und die Muskulatur trainiert. Oft sieht man sie auf einem Ast oder am Boden sitzen, wo sie weiterhin von den Eltern versorgt werden, da sie sich noch nicht zur Gänze selbstständig ernähren können. Durch laute Rufe bleiben sie stets mit den Altvögeln in Kontakt, was unter Umständen auch Feinde anlockt. Droht Gefahr, bleiben Ästlinge meist reglos sitzen oder ducken sich und vertrauen auf den Schutz durch ihr gut getarntes Federkleid.

Turmfalkennestlinge
Foto: Stefan Knöpfer

Findelkinder erkennen

Vogelarten, die ihre Nester in exponierter Lage in Felswänden errichten, alternativ aber auf Gebäude ausweichen, wie zum Beispiel Mauersegler oder Schwalbenarten, aber auch Falken und andere Gebäudebrüter, verlassen als Jungtiere diese erst in flüggem Zustand.

Durch extreme Hitze gezwungen, springen ihre Jungen aber oft vorzeitig aus den Nestern und landen dann auf Gehsteigen oder gar Fahrbahnen, wo sie verhungern oder durch andere Umstände umkommen. Findet man im urbanen Bereich solche hilflosen Jungtiere, ist ihre Bergung gerechtfertigt und notwendig.

Die kleine, unbeholfene und noch nicht flugfähige Jungamsel im Garten, der hüpfende Jungspatz auf der Terrasse oder die nur flatternde Jungmeise im Gebüsch benötigen unsere Hilfe aber in der Regel nicht. Sie sollten unbedingt in ihrem Familienverband belassen werden. Obwohl die Gefahr der Erbeutung durch die Katze des Nachbarn oder den eigenen Hund, die Krähen im nahen Park oder den Steinmarder und Fuchs oder Waldkauz in der Nacht immer besteht, ist das kein Grund und keine Rechtfertigung, in natürliche Vorgänge einzugreifen.

Hilfe benötigen darüber hinaus Jungtiere, deren Eltern nachweislich umgekommen oder durch Verletzungen ausgefallen sind, oder kleine, noch kaum befiederte Junge aller Nesthocker, die am Boden liegend und unterkühlt aufgefunden werden. Das kann zum Beispiel bei Nestraub durch Eichhörnchen, Krähenvögel oder Spechte passieren oder bei innerartlichen Auseinandersetzungen oder Gartenarbeiten wie Strauchschnitt, aber auch bei Erkrankungen kleiner Nestlinge.

Professionelle Pflege ist in allen Fällen, wo Bergung notwendig ist, essenziell erforderlich. Die Temperatur- und speziellen Futteransprüche von Wildtieren sind außerordentlich hoch und in der Regel durch noch so bemühte Laien nicht erfüllbar. Zu beachten ist darüber hinaus der gesetzliche Schutz der Wildtiere, der eine Aufnahme ausschließlich aus Tierschutzgründen und nur vorübergehend erlaubt. (Natalie Eder, Hans Frey, Richard Zink, 2.6.2020)