So hat man sich bei der Europäischen Südsternwarte die Oberfläche von Proxima b ausgemalt. (Eine Vision der vorsichtigen Art – insgeheim hoffen natürlich alle auf wuchernde Dschungel und vor Leben wimmelnde Meere.)
Illustration: ESO/M. Kornmesser

Noch näher geht es wirklich nicht, wenn man in anderen Sternsystemen erdähnliche Planeten finden will. Proxima Centauri ist der uns nächstgelegene Stern und nur 4,244 Lichtjahre von uns entfernt. Als dort im Jahr 2016 Hinweise auf die Existenz eines etwa erdgroßen Planeten gefunden wurden, war die Euphorie unter Astronomen daher groß.

Die errechnete Mindestgröße des Planeten Proxima b beträgt laut jüngsten Messungen 1,17 Erdmassen, könnte aber auch etwas höher liegen. Seine (erhoffte) Erdähnlichkeit liegt aber nicht allein an seinen Dimensionen, sondern auch daran, dass er lebensfreundliche Bedingungen bieten könnte. Diese Ähnlichkeit kommt freilich nur auf Umwegen zustande.

Denn Proxima Centauri ist ein Roter Zwerg, ein lichtschwacher und kühler Stern. Seine habitable Zone – also der Bereich, in dem Wasser in flüssiger Form existieren kann – liegt daher wesentlich enger um ihn herum als die um unsere Sonne. Doch der Planet Proxima b zieht auch in einer so engen Bahn um den Stern, dass er für eine vollständige Umkreisung statt eines Jahrs nur 11,2 Tage benötigt. Zwei große Unterschiede zwischen den beiden Sternsystemen gleichen einander damit so gut aus, dass tatsächlich beide ihre jeweilige Erde haben könnten.

Exaktere Messungen bestätigen den Eindruck

Die potenzielle Lebensfreundlichkeit von Proxima b wurde nun durch eine Studie im Fachmagazin "Astronomy & Astrophysics" noch einmal bestätigt. Sie beruht auf Messungen des Spektrografen Espresso ("Echelle Spectrograph for Rocky Exoplanet- and Stable Spectroscopic Observations") am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile. Gegenüber den ersten Messungen mit dem älteren Spektrografen Harps ("High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher") gelang es dank Espresso, die Messgenauigkeit zu verdreifachen.

Mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode lassen sich die Bewegungen von Stern und Planet um den gemeinsamen Schwerpunkt messen und daraus Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Planeten ziehen. Dies führte nun einmal mehr zum Ergebnis, dass die Oberflächentemperatur von Proxima b es ermöglichen müsste, dass Wasser in flüssiger Form vorliegt – und damit wäre Leben auf dem Planeten theoretisch möglich.

Große offene Fragen

Die bloße Möglichkeit heißt natürlich noch lange nicht, dass es dort tatsächlich auch Leben gibt. Und wenn doch, dann hätte es mit Erschwernissen zu kämpfen, die uns glücklicherweise erspart geblieben sind. So legt seine enge Bahn die Vermutung nahe, dass sich Proxima b in gebundener Rotation befindet, seinem Stern also wie der Mond der Erde immer dieselbe Seite zuwendet. Auf dieser Seite wäre es dann zu heiß, in der dunklen Hemisphäre hingegen zu kalt. Leben dürfte dann voraussichtlich nur in der Zwielichtzone dazwischen möglich sein – oder gleich unterirdisch.

Noch problematischer ist die Nähe zum Stern aber aus einem anderen Grund: Kommt es auf Proxima Centauri zu Strahlungsausbrüchen, treffen diese den Planeten mit voller Wucht. Und auch der ganz normale, ständig "wehende" Sternwind könnte laut früheren Messungen bis zu 2.000-mal stärker sein als der Sonnenwind, der die Erde trifft. Wenn Proxima b überhaupt jemals eine Atmosphäre entwickelt hat, ist sie möglicherweise längst davongeblasen worden.

Die Diskussion darüber, ob Proxima b eine hypothetische Biosphäre vor seinem Stern schützen könnte, wogt unter Wissenschaftern seit Jahren hin und her. Christophe Lovis, Leiter der Datenverarbeitung des Espresso-Teams, setzt auf neue Instrumente. Sie werden speziell für den Nachweis des von Proxima b emittierten Lichts gebaut und könnten schon bald eine Antwort liefern. Eines davon wird übrigens in mehr als nur einer Hinsicht die Arbeit von Espresso fortsetzen und den Namen Ristretto tragen. (jdo, 29.5.2020)