Naomi Osaka hat Serena Williams als bestbezahlte Sportlerin überholt.

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Eigentlich macht Naomi Osaka "gar nichts". Es ist Anfang Mai, die Tennisspielerin unterhält sich mit Kollegin Venus Williams per Social-Media-Stream. Ein Trend gerade unter Tennisprofis, die in virtuellen Tête-à-Têtes private Einblicke geben, nicht ganz so geheime Geheimnisse lüften, über Training, Kollegen, Gott und die Welt plaudern. Die Streber versichern Fitness. "Ich bin weit weg von einer Matchform", sagt Osaka in ihrem Haus in Kalifornien. Die 22-Jährige lehnt sich zurück. Das kann sie auch.

Präsentierte das Wirtschaftsmagazin Forbes in den vergangenen vier Jahren die Liste der bestbezahlten Sportler, gehörte bei den Frauen der Platz an der Sonne stets Serena Williams. Sie war und ist mehr als eine der besten Tennisspielerinnen aller Zeiten, nämlich eine Popikone, ein begehrtes Werbe-Testimonial, ein Weltstar. Das wird honoriert, vor allem finanziell. Sport ist Business und Tennis eine Speerspitze. In der aktuellen Liste ist Williams aber nur noch Zweite. Osaka soll im vergangenen Jahr rund 37,4 Millionen Dollar verdient haben, 1,4 Millionen mehr als Serena Williams. Im Ranking mit den Männern belegt sie Platz 29, Williams ist 33. Die beiden sind die einzigen Frauen unter den top 100.

Osaka wurde in Japan geboren, zog, als sie drei Jahre alt war, mit ihrer Familie in die USA. Die Mutter ist Japanerin, der Vater stammt aus Haiti – eine Konstellation, die in der überhomogenen Gesellschaft Japans nach wie vor eine Besonderheit darstellt. Für Aufregung sorgte 2019 eine japanische Nudelfirma, die sie als Testimonial heller retuschierte.

Osaka hat einen japanischen und einen US-Pass, Tennis spielt sie unter der Sonnenwappenflagge. 2018 gewann sie die US-Open und legte Anfang 2019 den Titel bei den Australian Open nach – und bog dabei auf die finanzielle Überholspur ein. Die Tenniskarriere hatte mehr Kurven. Trotzdem: Insgesamt 26 Wochen war die Japanerin Nummer eins der Weltrangliste, aktuell ist sie Zehnte. "Ich bin extrem scheu", sagte Osaka einmal. Und obwohl sie in den USA und in Japan ein Popstar ist, wirkt die famose Aufschlägerin zurückhaltend und schüchtern – als wäre ihr das Rampenlicht unangenehm.

Bemerkenswert ist bei ihr außerdem eine Offenheit, die im oft glatten Tenniszirkus unüblich ist. "Zwischenzeitlich habe ich die Freude am Tennis verloren, sie aber wiedergefunden", gestand Osaka 2019. Mit dieser Freude holte sie später im selben Jahr in Peking und Tokio noch zwei Titel. (Andreas Hagenauer, 28.5.2020)