Langweilig war Julian Wickham nicht im Corona-Lockdown der vergangenen Wochen. Täglich versorgt die Londoner St.-Michael-Primarschule die Schüler online mit Schulaufgaben. Brav sitzt der Neunjährige täglich vor dem Computer seines Vaters – "drei bis vier Stunden", wie er sagt. Mit den Eltern oder einem seiner drei Geschwister geht der Fan des Fußballklubs Arsenal spazieren, klettert auf Bäume oder spielt im Garten Fußball.

Julian Wickham (9 Jahre) wohnt in Großbritannien. Dort sind die Schulen immer noch geschlossen.
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Ob er sich fürchtet vor dem unheimlichen Virus? "Ich will natürlich nicht krank werden", sagt Julian, Angst hat er eigentlich keine. "Man muss eben Abstand halten und sich oft die Hände waschen."

Er glaubt aber nicht, dass er seine Großeltern bald wieder sehen kann, die seien schließlich gefährdet, "da muss man aufpassen". Für sich selbst aber wünscht er sich, dass er bald wieder Freunde treffen kann. Also bald wieder in die Schule? "Das wäre sehr gut."

"Hatten den Schulhof für uns"

In Wirklichkeit wird es für Julian und hunderttausende anderer Schulkinder in Großbritannien noch dauern mit einer Rückkehr in die Schule. In Schottland, wo ohnehin bald die Sommerferien beginnen, dürfen die Kinder erst ab Mitte August zurückkehren, hat die Ministerpräsidentin von Schottland in der Hauptstadt Edinburgh gesagt.

Die englischen Schulen sollen laut dem Willen von Premierminister Boris Johnson aber schon am 1. Juni für die zweite Hälfte des letzten Schuldrittels wieder öffnen.

Doch diese Ankündigung könnte am Widerstand von Bürgermeistern, Arbeitervertretern und der schlechten Vorbereitung der Regierung scheitern.

In der Corona-Zeit geht Julian spazieren, klettert auf Bäume oder spielt im Garten Fußball.
Foto: privat

Anfangs war es schön

Schon Anfang März nahmen viele Eltern ihre Kinder aus der Schule, obwohl sie offiziell erst viel später geschlossen wurden. Julian erinnert sich begeistert an die Zeit, als seine Klasse von 28 Buben und Mädchen auf etwa die Hälfte reduziert war. "Alle meine Freunde kamen weiterhin, in den Pausen hatten wir den Schulhof für uns." Derzeit sind nur die Kinder in den Schulen, deren Eltern in jetzt besonders wichtigen Berufen arbeiten, etwa in Krankenhäusern oder bei der Polizei.

Das wird wohl noch eine Zeit lang so bleiben. Große Städte wie zum Beispiel Birmingham, Liverpool und Leeds haben einen Neuanfang am 1. Juni bereits ausgeschlossen. Man müsse die Schulen in der ersten Juniwoche erst einmal für die neue Lage herrichten, sagen sie – kommende Woche sind sowieso Ferien. Generell scheinen die Briten etwas zögerlich. Laut Umfragen wollen nur wenige, dass die Schulen bald wieder öffnen.

Die Schule von Julian hat sich bei seinen Eltern bisher nicht gemeldet. Julians Vater James sieht das kritisch. Er ist auch kein Fan des virtuellen Unterrichts. Er glaubt, dass von den online erledigten Aufgaben "gerade mal zehn Prozent" korrigiert werden. Julians Vater ist Fernsehjournalist. Er vergleicht Julians Schulerlebnis mit dem seiner älteren Söhne, die private Schulen besuchen: "Da wird der ganz normale Stundenplan unterrichtet, nur eben online."

Arme Familien haben es schwer

Statistiken zeigen, dass Kinder aus ärmeren Familien oft am stärksten unter dem Lockdown leiden. Oft fehlen ihnen Computer zur Teilnahme am virtuellen Unterricht, bei schwierigen Hausaufgaben können Eltern oft nicht helfen. Und bei Familien, die ursprünglich aus anderen Ländern kommen, kommen manchmal noch Probleme mit dem Englisch dazu. Deswegen will man zuerst die kleineren Kinder unter elf Jahren als Erste wieder in die Schule schicken.

Selbst im optimalen Fall muss der Viertklässler Julian also noch ein wenig länger warten. (Sebastian Borger, 29.5.2020)