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In der Coronakrise können Gummihandschuhe zum Zankapfel werden. Der Verkauf der Gummihandschuh-Produktion von Semperit konveniert der Politik nicht.

Foto: dpa / Robert Michael

Wien – Corona führte zu einer Rückbesinnung auf die Versorgungssicherheit. Seit Schutzmasken aus China Mangelware wurden und die Unterbrechung von Lieferketten die Warenproduktion gefährdet, werden die Rufe nach Autarkie Europas lauter. Auch in Österreich und es gibt gerade im heiklen medizinischen Bereich aktuelle Beispiele, die die Abhängigkeit sogar noch vergrößern könnten.

So wurde erst diese Woche bekannt, dass der in Wien ansässige Impfstoffspezialist Themis vom US-Pharmariesen Merck geschluckt wird. Die Österreicher forschen unter anderem an einem Impfstoff gegen Covid-19. Hohe Wellen schlägt auch das drohende Aus der Penicillin-Produktion im Tiroler Kundl. Eigentümer Novartis überlegt, den Wirkstoff trotz internationaler Engpässe aus China zuzukaufen.

Tauziehen um Semperit

Hinter den Kulissen gibt es zudem ein Tauziehen um den Verkauf der Medizinsparte von Semperit. Der Konzern will die in Malaysia angesiedelte Produktion von Untersuchungshandschuhen wegen massiven Margendrucks abgeben, was die Regierung bei der Ankündigung im Jänner quasi achselzuckend zur Kenntnis nahm. Im niederösterreichischen Wimpassing werden Operationshandschuhe produziert, von der Abspaltung wären dort an die hundert Beschäftigte betroffen. Das konveniert inmitten der Corona-Krise natürlich nicht mehr.

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Untersuchungshandschuhe stellt Semperit längst nicht mehr in Österreich her, sondern in Südostasien.
Foto: dpa / Rolf Venne

Allerdings könnte die Wirtschaftlichkeit von Semperit deutlich beeinträchtigt werden, würde die Politik die Abgabe des längst ausgelagerten Bereichs verhindern. Im Jänner wurde der Verlust der Sparte Sempermed mit 34 Millionen Euro angegeben, und Forschung & Entwicklung sollen erklärtermaßen in Wimpassing bleiben, wie die Geschäftsführung stets versicherte.

Dass sich im Zuge der Merck-Übernahme mit dem Gründerfonds auch die staatliche Förderbank AWS aus dem vielversprechenden Pharmaunternehmen Themis zurückziehen wird, gibt dem politischen Schutzreflex übrigens eine besondere Note.

"Maximalkritische Sektoren"

Noch fehlen die Details der geplanten Schutzklauseln für Austrounternehmen. Der am Donnerstag verteilte Ministerratsvortrag weist aber den Weg: Besonderen Schutz soll jetzt nicht jede Art von kritischer Infrastruktur, sondern eigens definierte "maximalkritische Sektoren" bekommen. Zu ihnen gehören Verteidigungsgüter und -technologien, kritische Energie- und Digitalinfrastruktur (insbesondere 5G-Mobilfunk), Wasser sowie Forschung und Entwicklung für Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung. Für diese Sparten soll der Schwellenwert für Einstieg oder Übernahme durch Investoren aus Drittstaaten (USA, China, Asien, Russland, etc) von 25 auf zehn Prozent gesenkt werden.

Dies nach dem Willen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) bis längstens Ende 2022. Danach würde man wieder auf die im Außenwirtschaftsgesetz festgelegte Prüfschwelle zurückfallen. Die im Regierungsprogramm ausgeschilderte Genehmigungspflicht ab zehn Prozent wäre damit obsolet, was weitere Verhandlungen über das geplante Investitionskontrollgesetz zwischen den Koalitionsparteien wahrscheinlich macht.

Hinter der EU-Verordnung

Denn mit dieser Befristung würde Österreich deutlich hinter den Möglichkeiten FDI-Screening-Verordnung der EU-Kommission bleiben und vor allem weit hinter dem Nachbarland Deutschland. Dessen Liste an schutzwürdigen Branchen ist um einiges länger. Man wolle Investoren nicht verschrecken, betonte Schramböck. "Es geht nicht um ein Abschotten der Volkswirtschaft", aber um die Möglichkeit, Auflagen zu erteilen. Denn Investoren seien auf "Shoppingtour" und wollten "Schnäppchen zum Billigpreis" machen.

Dies nach dem Willen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck freilich nicht ad infinitum, sondern bis längstens Ende Dezember 2022. Danach würde man wieder auf die im Außenwirtschaftsgesetz festgelegte Prüfschwelle von 25 Prozent zurückfallen. Die im Regierungsprogramm ausgeschilderte Genehmigungspflicht ab zehn Prozent wäre damit obsolet, womit sich der Verdacht aufdrängt, dass zwischen den Koalitionsparteien das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Corona-Ausverkauf

"Natürlich wollen wir weiter Investoren", betonte Schramböck am Donnerstag in einer Pressekonferenz. "Es geht nicht um ein Abschotten der Volkswirtschaft", aber in Zukunft habe sie die Möglichkeit, Auflagen zu erteilen. Investitionskontrollen gebe es auch den USA, China und auch in der Europäischen Union. In Kraft treten soll das Gesetz spätestens im Herbst. Österreich dürfe nicht "naiv" sein. Investoren seien in der Krise auf "Shoppingtour" und wollten "Schnäppchen zum Billigpreis" machen, warnte Schramböck.

Insgesamt wirkt der Vorstoß etwas halbgar. Zunächst heißt es, die 25 Prozent Genehmigungspflicht besteht für die Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen, Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung einschließlich Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen. Danach ist von sensiblen Bereichen die Rede, die der Zehn-Prozent-Schwelle unterliegen sollen: Forschung & Entwicklung in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung.

Entwurf bis spätestens Juli

Im Ministerratsvortrag hingegen ist nur die Forschung und Entwicklung bei diesen Bereichen bei der Zehn-Prozent-Schwelle angeführt, was inklusive Auslaufklausel wohl die tatsächliche Stoßrichtung sein dürfte. Dann wären im Umkehrschluss aber Versorgung und Herstellung in diesen sensiblen Bereichen weiter unter der 25-Prozent-Prüfschwelle, was allerdings dem Status quo im Außenwirtschaftsgesetz entspricht. Allerdings ist dort die Aufzählung der Bereiche offen gestaltet, also nicht eingeschränkt.

Die Diskussion geht jetzt vermutlich erst so richtig los, denn die Wirtschaftsministerin wurde gemäß Antrag vom Ministerrat lediglich beauftragt, "im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen bis spätestens Juli 2020 den Entwurf für ein Investitionskontrollgesetz vorzulegen". (Luise Ungerboeck, 29.5.2020)