Bereits seit Tagen wird Kritik an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) laut: Die Opposition ärgerte sich unter anderem über die kurzfristige Bekanntgabe der aktualisierten Budgetzahlen.

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Wien – Als der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer am Donnerstag kurz vor neunzehn Uhr das Wort ergriff, waren die meisten Abgeordneten gedanklich schon in Feierabendstimmung. Drei volle Tage lang hatte der Nationalrat hitzig über das Budget von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) debattiert: über die veralteten Zahlen aus der Vor-Corona-Zeit, die die Regierung in ihr Zahlenwerk geschrieben hatte, über eine "Missachtung des Parlaments", die die Opposition dem Finanzminister deshalb vorwarf und über eine mögliche Verfassungswidrigkeit seiner milliardenschweren Überschreitungsermächtigung.

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Im Laufe des Donnerstags war es dann ein schnell geschriebener türkis-grüner Abänderungsantrag aus der vorigen Nacht, der die Wogen hoch gehen ließ. Zu spät sei der Antrag ausgeschickt worden, zu wenig Zeit würde man den Parlamentariern zugestehen, um die neu aufgeschlüsselten Ausgabenposten zu prüfen. "Bitte red’ ma doch noch mal drüber" hatte die rote Ex-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek die Regierungsfraktionen ersucht. Vergeblich. ÖVP und Grüne waren entschlossen, ihr Budget noch am selben Abend zu beschließen. Schließlich sei es ja wohl zumutbar, einen zweiseitigen Abänderungsantrag in ein paar Stunden zu lesen, wie ÖVP-Klubobmann August Wöginger die Opposition schulmeisterte.

Kai Jan Krainer hat sich diesen Ratschlag offenbar zu Herzen genommen und den Antrag genau studiert – und dabei Erstaunliches zu Tage gefördert. Die zweite Lesung des Gesetzes war bereits absolviert, der endgültige Beschluss in dritter Lesung stand unmittelbar bevor, als Krainer zum Mikrofon schritt, um dem Plenum seine Entdeckung mitzuteilen, die kurz darauf für ein regelrechtes Tohuwabohu sorgen sollte.

Krainer zelebrierte seinen Auftritt genüsslich und doch mit ruhiger Stimme: "Ich glaube, dass sowohl Grüne als auch ÖVP mir noch dankbar sein werden für diese Wortmeldung." Ob mit oder ohne Dankbarkeit, den Regierungsfraktionen blieb nach dem Auftritt des roten Finanzsprechers nichts Anderes übrig, als einer sofortigen Sitzungsunterbrechung zustimmen.

Der Grund: In den Gesetzesantrag hatte sich ein kleiner Fehler von großer Dimension eingeschlichen, die Schreiber hatten hinter der Zahl des Ausgabenbudgets vergessen, den Passus "in Millionen Euro" hinzuzufügen. Somit hätte der Finanzminister statt der gewünschten rund 102 Milliarden Euro bloß 102.389 Euro zur Verfügung gehabt. Nachdem sich die verdutzten Mandatare von dem Lapsus überzeugt hatten, schlug Krainer vor, den Fehler noch zu korrigieren, allerdings erst am Freitagvormittag. Er könne auch bei der Korrektur der Zahlen behilflich sein, legte er schelmisch nach. Ein zügiger Beschluss des türkis-grünen Budgets war damit gescheitert.

"Oppositionstheater"

Die Präsidiale beschloss daraufhin, die Sitzung zu stoppen und erst am Freitag wieder aufzunehmen, wie die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures verkündete. Dann soll ein Antrag zur Behebung von Widersprüchen im Budget abgestimmt werden, im Nachgang kann dann das Budget, diesmal wirklich, beschlossen werden.

ÖVP-Klubobmann Wöginger kommentierte die Verschiebung des Beschlusses umgehend als "Oppositionstheater", was eher gegen Krainers Dankbarkeits-Hypothese sprechen dürfte. Letztlich hätten nur drei Worte auf 1500 Seiten gefehlt und es werde das Budget eben ein paar Stunden später beschlossen.

Um einen Tag verzögern wird sich auch die Abstimmung über den am Donnerstag von der FPÖ eingebrachten Misstrauensantrag gegen Blümel. Die SPÖ hat angekündigt, dem Finanzminister ebenfalls das Misstrauen aussprechen zu wollen. (Theo Anders, 28.5.2020)