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Neue Zeiten, neue Wege: Der Immobilienentwickler SÜBA und Silver Living machten sich im März eine exklusive Kooperation bei Betreutem Wohnen und Generationen Wohnen aus. Die Geschäftsführer Heinz Fletzberger und Thomas Morgl beschlossen die Kooperation Corona-konform mit einem Fuß-Shake.

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Bauträger starteten auch während des Lockdowns neue Projekte. Die IFA AG begann etwa mit Green Paradise Graz – 139 Wohnungen mit einem Investitions volumen von rund 43 Millionen Euro.

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Stopp des Höhenflugs: Dem Retailsektor geht es an den Kragen. Zuletzt rettete die Gastronomie die Bilanzen, ihre Umsätze fehlen jetzt auch, und der Online-Handel dürfte nun noch stärker werden.

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Während ein Land stillstand, passierte Folgendes: Noch im März unterzeichnete die zur deutschen Deka-Gruppe gehörende WestInvest den Kauf des Forum 1 in Salzburg – ein ganzes, gemischt genutztes Gebäudeportfolio in der Mozartstadt. 6B47 Real Estate Investors fädelte eine Kapitalerhöhung von satten 25 Millionen Euro ein – die finanzielle Basis für weitere Expansion. Während des Lockdowns hat das Unternehmen außerdem ein Grundstück für studentisches Wohnen in Warschau erworben. Zahlreiche Projekte wurden begonnen (IFA baut zum Beispiel 138 Wohnungen unter dem Titel Green Paradise in Graz, die Alpenland errichtet 263 Wohnungen in St. Pölten), Zinshäuser wechselten eifrig die Besitzer. Das in der Wiener Schwarzspanierstraße ging zum Beispiel an die OeNB-Tochter BLM, die WINEGG-Gruppe von Christian Winkler kaufte im April gleich vier Zinshäuser (Margareten, zwei mal in Ottakring, Oberdöbling), und einen Zinshausanteil am Althangrund. Andere schlossen Partnerschaften und besiegelten selbige mit Mundschutz und Fuß-Shake. Auch das Personalkarussell drehte sich munter – am aufsehenerregendsten sicher Ronny Pecik als neuer Immofinanz-CEO, aber auch andere spannende Nachfolgen, wie Christian Farnleitner für Jasmin Soravia als Geschäftsführer bei SoReal.

Die Immobilienwirtschaft ist träge. Sie entwickelt, handelt, betreut Produkte, die nicht wie eine heiße Kartoffel – oder eine Aktie – fallen gelassen werden können. Gerade deswegen und wegen der makroökonomischen Umstände segelt sie eigentlich recht bevorteilt durch den konjunkturellen Corona-Sturm. Was ist am Horizont zu erkennen? Kaum jemand erwartet ernsthaft ein Ansteigen der Zinsen, schon gar nicht jetzt, wo sich Staaten noch mehr entschulden müssen. Dieser Umstand treibt den Motor der Immo-Investitionen an. Noch mehr als je zuvor fehlen den großen Kapitalgesellschaften sinnvolle Möglichkeiten, was sie mit ihrem Geld, das aus Versicherungen, Pensionsveranlagungen etc. stammt, tun sollen. Alles schlecht verzinst und/oder zu unsicher. Da bleibt den Institutionellen wieder nur Betongold. Es bleibt also wie vor Corona: Viel Geld, wenig passende Objekte, in die investiert werden kann.

Konsolidierungen schon jetzt

Für Private tut sich vielleicht sogar hie oder da eine Chance auf, wenn es zu gelegentlichen Notverkäufen von Ex-Airbnb-Wohnungen kommt. Der Wohnungsmarkt en gros werde aber stabil bleiben, meinen die meisten Experten. Wichtig wird in Zukunft sein, noch genauer auf die Unterschiede der einzelnen Immobilienarten zu achten. Die Assetklassen klaffen immer weiter auseinander. Das Covid-Chaos hat bereits bröselnde Bereiche wie Hotel und Retail mit einem Turbobooster in die Krise geschickt. Es hat bestehende Trends wie Logistik und Homeoffice und flexibles Arbeiten rascher vorwärts gebracht. Wolfgang Scheibenpflug, Geschäftsbereichsleiter Immobilien- und Standortmanagement beim Flughafen Wien: "Die Krise wirkt wie ein Katalysator. Trends wie die neuen Arbeitswelten bleiben aufrecht, sie werden sogar deutlich beschleunigt."

Weiteres Beispiel für diesen Effekt: PropTechs. Wagemutige Fonds sind plötzlich verhalten, Geld in beliebig ungewisse Ideen zu stecken. Der PropTech-Wahnsinn scheint sich einzubremsen, die Konsolidierung passiert schneller und schon jetzt. Mitarbeiter werden entlassen, die US-Vermarktungsplattform Opendoor musste 35 Prozent seines Personals vor die Tür setzen (600 Menschen), Airbnb 25 Prozent (1.900). Der Softbank/Wework-Streit um diverse Milliarden passt da bestens ins Bild. Positiv: Solide und gute Ideen bleiben bestehen. Das digitale Schließsystem Kiwi meldete mitten in der Krisenzeit, dass seine Bestandsinvestoren 10 Millionen Euro investierten, selbst Co-Living-Anbieter wie Starcity bekam 30 Millionen US-Dollar. Die Makler-Software onOffice erzählt von mehreren Neukunden und hat während der ersten Corona-Wochen fünf Mitarbeiter eingestellt, pro Woche soll ein weiterer folgen, verspricht CEO Stefan Mantl.

Routinierte Developer

Zufrieden trotz Krise zeigen sich auch die Bauträger. Vife Developer könnten nun profitieren, glaubt Alexander Widhofner, Geschäftsführer von Wieninvest: "Die bis Beginn des Shutdowns extrem überzogenen Grundstückspreise sind dabei, sich auf ein vernünftiges Level zu regulieren, was schon seit längerer Zeit notwendig ist." Während des Lockdowns hat Widhofner Unternehmen Liegenschaften im 14. Bezirk in Wien sowie in Groß Enzersdorf und Tribuswinkel gekauft.

Developer ziehen jetzt aus der langen Dauer ihrer Arbeit bzw. Wertschöpfung einen Nutzen. Sie konnten planen, einreichen und sogar bauen. Großflächige Material- und Personalengpässe auf den Baustellen blieben aus. Welche Flächen in Zukunft wo gebraucht werden, ist eine permanente Fragestellung in diesem Geschäft. Hier mischt sich nun eine Portion Verunsicherung ein. "Bei der Planung unserer neuesten Projekte fließen vor allem im Wohnbereich erste Erfahrungen aus der intensiven Zeit zu Hause ein. Vor allem hinterfragen wir, welche Funktionen und Räume man wirklich braucht. Wir haben aus der derzeitigen Situation auch gelernt, dass die Zimmeranzahl, Größe und Freiräume der Wohneinheiten eine wichtigere Rolle spielen als bisher", so Maximilian Pasquali, Deputy CEO eyemaxx Real Estate Group. Auch Anton Bondi de Antoni, Geschäftsführer von Bondi Consult, spricht von einem nötigen Umdenken: "Es muss auch der bisher ‚nicht vorstellbare‘ Fall eines kompletten Shutdowns mitgedacht werden. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen." Im Wohnbereich würde das vor allem die Mindestgröße der Wohnung und neue multifunktionale Räume betreffen. Grundsätzlich gilt für Entwickler aber: Wer sich an den Daten der Demografie, an Klimaveränderung und an allgemeinen Lifestyle-Trends orientiert, wird seine Strategie wegen des Virus nicht wesentlich ändern. Beispiel E&M-Holding – ihre Gründung wurde Anfang Mai bekannt gegeben, gebastelt wurde daran natürlich schon länger. Die Idee: mehrgeschossigen Wohnbau in weniger als 12 Monaten zu realisieren – also etwa doppelt so schnell, wie das derzeit im Massivbau möglich ist. Das erste Projekt in Ober-Grafendorf bei St. Pölten soll 168 Wohneinheiten haben (42 Einheiten in der ersten Bauphase) und ist bereits in der Vermarktung. Wie das so schnell geht? Die Holding ist ein Joint Venture zwischen ELK und der MITRAS-Gruppe, hochentwickelte Fertigteilbautechnologie trifft demnach auf angewandtes Bauträger-Know-how.

Asset Manager suchen Lösungen

Andere konnten in den letzten Monaten nicht so strategisch vorgehen. Jene, die Asset Manager auf der Visitenkarte stehen haben, wussten oft nicht, wo links und rechts ist. Gemeinsam mit den Juristen loten sie aus, welcher gewerbliche Mieter seine Miete wann und wie bezahlen muss bzw. kann. Was für ein Tschoch – besonders bei der unklaren Rechtslage! Aber genau das ist eben der Job des Asset Managers, er ist Schnittstelle zwischen Mieter und Eigentümer und muss sich auch sonst um einen Interessenausgleich kümmern. Das Finanzielle stand für Bernhard Ölz, Vorstand der PRISMA Holding AG, bei solchen Fragen allerdings im Hintergrund. Ölz: "Ja, wir haben durch Corona sicher einen Schaden als PRISMA, aber ich habe mich in den letzten Jahren auch nicht beschwert, dass die Zinsen niedrig waren. Wir sehen uns als Partner unserer Mieter und Auftragnehmer. Jetzt ist die Zeit, in der wir gemeinsame Lösungen finden. Dies gilt vor allem für besonders betroffene Branchen wie beispielsweise Fitness- und Bildungseinrichtungen, Handel und Gastronomie, die können den entgangenen Umsatz nicht oder schwer wieder einholen.

Wenn dabei Liquidität gefragt ist, war für uns eine Stundung der Miete eine wichtige kurzfristig wirksame Maßnahme. Nebensatz, der die Bemühungen noch glaubwürdiger macht: Mehrere Mitarbeiter am Vorarlberger PRISMA-Standort waren selbst, ganz am Anfang der Pandemie, von Corona betroffen. Ölz glaubt, dass es in keinem Immobilienbereich extrem dramatische Auswirkungen geben werde. "City Logistik, Co-Working, Elektromobilität – Trends, die vorher da waren, bleiben, verstärken sich mitunter sogar. Im Handel verschärfen sich die Bedingungen, die vorher schon schwierig waren", so Ölz.

Billiges Geld bleibt

Auch die Berufsgruppe, die Immobilien finanziert, war in den letzten Monaten gefordert. Ähnlich wie beim Asset Management wurden so sämtliche Fälle Schritt für Schritt analysiert und gegebenenfalls neu strukturiert. Der CEO der Raiffeisen-Leasing, Alexander Schmidecker, spricht sogar von Neufinanzierungen: "Solche Projekte haben immer entsprechende Vorlauf- bzw. Strukturierungszeiten. Sie sind daher von einigen Wochen eines geänderten Arbeitsmodus unberührt." Außerdem berichtet Raiffeisen-Leasing – wie etwa der Immobiliendienstleister CBRE auch – derzeit von einem stärkeren Interesse an Sale-&-Lease-Back-Modellen, um "stille Reserven" zu heben und Liquidität zu schaffen. Positiv für die Finanzierung sei laut Wolfgang M. Fessl, Immobilienbewerter und Geschäftsführer der MRG Metzger Reinberg Gruppe, das Null- oder Negativzinsniveau, das "für die nächste Generation aufrechterhalten bleibt". Allerdings: "Die Banken wurden jetzt von der Regierung dazu verdonnert, Finanzierungen zu übernehmen, wobei der Bund für den größten Teil eine Ausfallshaftung übernimmt. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Banken dabei einige Finanzierungen übernehmen müssen, die sie sich freiwillig nicht ausgesucht hätten. Hier zeigen sich erste Tendenzen, dass die Institute diese Tatsache durch höhere Aufschläge ausgleichen werden."

Der Schnelle gewinnt

Während viele Neufinanzierungen, deren Risiko derzeit effektiv nicht rasch zu beurteilen ist, von großen Banken einfach nicht behandelt werden können, müssen opportune Investoren und Developer rasch agieren und flexibel auf Kapital zugreifen können. "Im jetzigen Umfeld arbeiten wir verstärkt an der Bereitstellung von Zwischenfinanzierungen. Dabei ersetzen wir beispielsweise das Eigenkapital von einem bestehenden Projekt, damit der Entwickler neue Grundstücke und Projekte erwerben kann. Zudem gibt es eine stärkere Nachfrage nach Lösungen, bei denen der Eigenkapitalanteil komplett ersetzt werden wird", sagt Helmut Kogler, Vorstand der Pallas Capital Advisory AG. Genau das brauchen manche jetzt, was die Firma Anfang des Jahres begonnen hat: einen eigenen Fonds, der ergänzend Mezzanin- und Eigenkapitalersatz bereitstellen kann. Gespeist wird der Fonds aus semi-privaten Quellen, erzählt Kogler, also von Stiftungen, Family Offices, Vermögenden, die ihre Investments diversifizieren und bankenunabhängig machen wollen. "Wir sind aktuell in der Due Diligence der ersten Projekte und erwarten erste Auszahlungen in den kommenden Wochen", so Kogler über die ersten "Anwendungsfälle".

FM – mehr denn je?

Wenn die Wirtschaft stillsteht, sind Unternehmen, die im Operativen ihr Geld verdienen, extra blöd dran. In einem leeren Bürohaus braucht es kein externes Personal. Ein Hotel braucht keine Wartung – oder etwa doch? "In den Bereichen FM und Gebäudereinigung wurden die Leistungen in vielen Objekten von einem Tag auf den anderen eingestellt, was für die gesamte Branche eine enorme Herausforderung war", berichtet Brigitte Fiedler, Geschäftsführerin der WISAG Facility Management in Österreich. "Hinzu kommt, dass bei geschlossenen Objekten, und hier vor allem Hotels, trotz Shutdown weiterhin Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten notwendig sind. Vor dem Wiedereröffnen der Objekte wiederum müssen Vorleistungen erfolgen, da sechs bis acht Wochen nicht gereinigt wurde und Teile der Gebäudetechnik nicht in Betrieb waren, die wieder hochgefahren werden." Fiedler weiter: "In der Sparte Sicherheit und Service wurden einerseits viele Dienste schlagartig abbestellt, andererseits haben Neukunden durch den plötzlichen Mehraufwand kurzfristig Sicherheitsleistungen angefordert. Auch das musste in kurzer Zeit organisiert und umgesetzt werden." Zusätzlich musste freilich die Versorgung mit Schutzanzügen, Masken und Desinfektionsmitteln organisiert werden – bei steigendem emotionalen Druck für viele Mitarbeiter. Der Service-Anbieter Attensam hat die Flucht nach vorne angetreten und gleich seine Werbekampagne auf Corona getrimmt – schnell und professionell. Bei Hygiene, Reinigung und Bürobetreuung können diese Unternehmen nach der gröbsten Welle einen Trumpf ausspielen. Wer schnell die kontaktlose Übergabe von Essen oder Schutzmasken organisiert haben will, wer sicher seine Räume nach einem speziellen Qualitätsstandard (der plötzlich wichtig wird!) gereinigt haben will, wird ebenso auf diese Services zurückkommen wie jene, die nun IT-Sicherheitsfragen ganz oben auf der Liste stehen haben. PRISMA-Chef Bernhard Ölz meint, eine "Sensibilisierung für Qualität" zu erkennen. Beim Wohnen, bei Büros, bei Services. Das wäre gut für alle.

Das Virus hat die Immobilienwirtschaft also zumindest bis jetzt verhältnismäßig verschont. Corona hat Trends beschleunigt, die ohnehin schon da waren, für manche eröffnen sich sogar neue Geschäftsideen, andere Parameter wie Zinsen, Demografie, Energie und Nachhaltigkeit bleiben. Der bemerkenswerteste Effekt ist jedoch: Die Trägheit des Produkts – Entwicklung, Planung, Finanzierung, Bau – wurde zu seinem Schutzschild. (Heimo Rollett, 29.05.2020; der Artikel wurde auch im Magazin "Immobilienwirtschaft" veröffentlicht)