Der Artikel "Lehrer müssen Asylanten-Kindern gute Noten geben" erschien in dieser Ausgabe der Zeitschrift "Die ganze Woche".

Foto: Die ganze Woche

Wien – Der Österreichische Presserat lässt kein gutes Haar an einem Artikel, der in der Wochenzeitung "Die ganze Woche" erschienen ist. Der Artikel "Lehrer müssen Asylanten-Kindern gute Noten geben" in der Ausgabe 4/20 verstoße gleich mehrfach gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse, teilte das Selbstkontrollorgan am Freitag mit. "Die ganze Woche" ist mit gut 277.000 verkauften Exemplaren pro Ausgabe Österreichs größte Wochenzeitschrift.

Im Artikel wird über eine nicht namentlich genannte Neue Mittelschule in Kärnten berichtet. Die Autorin zitiert – anonym – mehrere Lehrerinnen dieser Schule. Der wesentliche Vorwurf lautet, dass auf Anweisung des Direktors Flüchtlingskindern Einser und Zweier geschenkt würden, weil sich diese Kinder nicht integrieren können und der Direktor sich ein Versagen nicht eingestehen wolle, während heimische Kinder für gute Noten büffeln müssen.

Der Presserat wurde tätig, nachdem sich der Pressesprecher des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser (SPÖ) an den Presserat wandte und den Artikel als falsch und diskriminierend kritisierte.

"Gravierende Zweifel an der Korrektheit"

Auch der Senat 3 des Presserats hegte gravierende Zweifel an der Korrektheit der im Artikel angeführten anonymen Zitate der Lehrerinnen, heißt es in einer Aussendung. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass der Artikel lediglich auf einige wenige Neue Mittelschulen in Kärnten zutreffen könnte: In einem Zitat heißt es nämlich, dass die Schule mehr als 130 Kinder habe und fast ein Viertel davon aus dem Iran, Irak oder Afrika stamme. Trotzdem war es offenbar nicht möglich, die Behauptungen im Artikel auch nur ansatzweise zu verifizieren.

Mehrfach gegen Ehrenkodex verstoßen

Der Presserat ortet gleich mehrere Verstöße gegen den Ehrenkodex und schreibt: "Für die unkorrekte Herangehensweise der Journalistin spricht überdies, dass zwei im Artikel namentlich angeführte Experten in ihren Stellungnahmen gegenüber dem Senat hervorgehoben haben, dass ihre Zitate falsch wiedergegeben worden seien. Der Senat bewertete die Angaben dieser beiden Experten als glaubwürdig.

Der Senat betonte zwar, dass es zu den Aufgaben von Journalisten zählt, über Missstände im Schulwesen zu berichten bzw. diese aufzudecken. Dabei muss jedoch gewissenhaft recherchiert und die gewonnen Informationen im Artikel korrekt dargestellt werden. Nach Meinung des Senats beachtete die Journalistin diese Vorgaben im konkreten Fall nicht und verstieß daher gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

Darüber hinaus erkannte der Senat in dem Artikel aber auch einen Verstoß gegen Punkt 7 des Ehrenkodex (Schutz vor Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung). Der Senat sieht in den falschen Zitaten der beiden namentlich genannten Personen und in den fragwürdigen Zitaten der Lehrerinnen einen Beleg dafür, dass es der Journalistin anscheinend darum gegangen ist, Schüler mit Migrationshintergrund und Sprachdefiziten in ein schlechtes Licht zu rücken und zu diskriminieren.

Schließlich weist der Senat auch noch darauf hin, dass sich die Journalistin beim Telefonat mit einem der Experten als "Bekannte einer Mutter" ausgab. Sie täuschte demnach eine falsche Identität bewusst vor. Der Senat stufte dieses Verhalten als irreführend iSd. Punkt 8 des Ehrenkodex ein; ein besonderes öffentliches Interesse für eine verdeckte Recherche lag nicht vor."

"Die ganze Woche" wollte gegenüber dem Presserat keine Stellungnahme angeben und nahm nicht am Verfahren teil. Sie wird aufgefordert, die Entscheidung zu veröffentlichen.

SPÖ Kärnten fordert Entschuldigung

In einer Aussendung begrüßte auch die SPÖ Kärnten die Entscheidung des Presserats. SPÖ Kärnten Landesgeschäftsführer Andreas Sucher fordert eine Entschuldigung von Medium und verantwortlicher Redakteurin, "gerichtet an den SPÖ Kärnten Landesparteivorsitzenden Peter Kaiser, gegenüber allen engagierten und bemühten Lehrerinnen und Lehrern in Kärnten und letztlich dem Land Kärnten selbst, aber auch gegenüber allen verantwortungsbewusst publizierenden Medien", heißt es.

"Ich will gar nicht rekapitulieren, was für Schauergeschichten die verantwortliche Redakteurin sich in dem betreffend Artikel aus den Fingern gesogen hat. Es ist schlimm genug, dass weder Medium noch Redakteurin über einen funktionierenden moralischen Kompass zu verfügen scheinen, ich will ihren wilden Fantasien nicht noch mehr Platz einräumen. Aber sowohl Medium als auch Redakteurin sollten den Anstand haben, sich bei SPÖ Kärnten Landesparteivorsitzenden und Bildungsreferenten des Landes Kärnten, Peter Kaiser, zu entschuldigen", so SPÖ Kärnten Landesgeschäftsführer Andreas Sucher.

Kritisiert wird auch die FPÖ, da einige Funktionäre den Artikel gleich ungeprüft auf Facebook geteilt hätten, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. (red, 29.5.2020)