Finanzminister Gernot Blümel bekommt nun doch etwas mehr Budget als 102.389 Euro

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Der zweite Anlauf der dritten Lesung ging am Freitag in der Früh reibungslos über die Bühne. Die entscheidende Zeile, wonach die Zahlen im Antrag der Regierungsfraktionen "in Millionen Euro" angegeben sind, wurde eingefügt.

Das Ausgabenbudget des Finanzministers beträgt jetzt also wirklich – wie gewünscht – rund 102 Milliarden Euro und nicht nur die mickrige Summe von 102.389 Euro, die im Antrag stand. Entdeckt wurde der gravierende Zahlenfehler vom Chefjuristen des SPÖ-Klubs, Florian Steininger, wie Finanzsprecher Jan Krainer hervorhob. Krainer hatte das Malheur am Donnerstagabend in letzter Sekunde vor dem Budgetbeschluss der verdutzten Abgeordnetenschar präsentiert und damit für eine Sitzungsunterbrechung gesorgt. Tags darauf war die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Nationalrat voll des Lobes, der Hinweis der roten Fraktion habe gezeigt, dass die Zusammenarbeit im Parlament gut funktioniere.

Novelle mit Verzögerung

Krainer selbst kritisierte allerdings die Praxis der Regierungsparteien, hastig verfasste Abänderungsanträge – wie jenen mit der Zahlenverwechslung – zu spät an die Abgeordneten zu schicken, was quasi zwangsläufig zu Problemen führe. Es sei gut, dass die Panne nun behoben worden sei, denn sonst hätte es zwischen dem Beschluss und einer Reparatur zu einer technischen Zahlungsunfähigkeit der Republik kommen können, was die Auszahlung der Corona-Gelder blockiert hätte, so Krainer. Aber wie schlimm wäre es wirklich gekommen, hätte man die Abstimmung über das falsche Budget nicht gestoppt?

Der Parlamentarismusexperte und frühere ÖVP-Klubdirektor Werner Zögernitz erläutert, dass nach der Kundmachung des verunglückten Gesetzes der Nationalrat in einer neuerlichen Sitzung eine Novelle hätte beschließen müssen, um die richtigen Zahlen im Budget zu haben. Da dieser Prozess aber ein paar Tage dauert, hätte es in der Zwischenzeit zu Verzögerungen bei den Hilfsgeldern kommen können, weil die Auszahlungen an die Obergrenze in Höhe der besagten 102.389 Euro gestoßen wären. "In der Novelle hätte man diese Förderungen allerdings rückwirkend aufstocken können, sodass es insgesamt wohl zu keinen großen Problemen gekommen wäre", sagt Zögernitz zum STANDARD.

Strenger Maßstab

Doch hätte man den Fehler nicht einfach ignorieren können? Es muss doch jedem klar sein, dass 102 Milliarden Euro gemeint waren, wie auch in den Debatten stets kommuniziert wurde. Rechtlich ist das aber nicht von Belang, erklärt Verfassungsjurist Heinz Mayer im Gespräch mit dem STANDARD. "Wenn 100.000 Euro vom Gesetzgeber beschlossen werden, dann gelten auch 100.000 Euro, da gibt es keinen Interpretationsspielraum." Der Verfassungsgerichtshof habe in der Vergangenheit gezeigt, dass hier strenge Maßstäbe anzulegen sind.

Zahlen richtig auslegen

Eine davon abweichende Auffassung vertritt Claudia Wutscher, die an der Wirtschaftsuniversität Wien Öffentliches Recht lehrt. Sie weist darauf hin, dass im Antrag der Regierungsfraktionen nicht nur die Quantität "Millionen", sondern auch die Einheit "Euro" fehlt. Man sei also ohnehin auf eine Auslegung der Zahlen angewiesen. Für die Auslegung müsse man dann den Bundesvoranschlag heranziehen, der als Anlage zum Bundesfinanzgesetz ebenfalls Gesetzescharakter habe, meint Wutscher.

Da nun im Bundesvoranschlag die Summen korrekt mit "Millionen" veranschlagt seien, könne man folgern, dass auch bei den Schlusssummen im Budget von Millionenbeträgen auszugehen ist. Für die Juristin ist daher klar, dass auch nach einem unkorrigierten Budgetbeschluss am Donnerstag der vom Finanzminister gewünschte Betrag von 102 Milliarden gelten würde. Es sei freilich dennoch besser, die fehlende Zeile zu ergänzen, wie es auch am Freitag geschehen ist. (Theo Anders, 29.5.2020)