DER STANDARD hat sich unter Menschen umgehört, die wegen der Corona-Pandemie arbeitslos wurden. Viele fürchten, dass sie in ihrer Branche noch länger keinen neuen Job finden werden.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Sommer 2021. Frühestens dann fahren auf der Donau wieder regelmäßig Kreuzfahrtschiffe, fürchtet Karin Bruch. Für die 41-Jährige heißt das auch: Frühestens dann wird es in ihrer Branche wieder Arbeit geben. Die Mutter von zwei Kindern lebt in Eichgraben und ist selbstständige Fremdenführerin. Spezialgebiet: Vorträge auf Flusskreuzfahrtschiffen, geführte Stadttouren und Radtouren. Sie sei gut aufgestellt, dachte sie. Doch dann kam Corona. Eigentlich wollte Bruch Mitte April wieder Vollzeit ins Berufsleben einsteigen, das jüngere Kind hatte sie gerade erst im Kindergarten eingeschrieben. Aber mit den Touristen aus dem Ausland blieben auch die Aufträge aus.

Und jetzt? Bruch weiß nicht, wie es beruflich für sie weitergehen soll. Dabei habe sie im Vergleich zu anderen in der Branche Glück, da ihr Mann genug verdiene, sagt sie. Sie kann sich vorstellen, sich umzuorientieren. Viele in der Branche wollen in andere Berufe wechseln, sagt die Fremdenführerin, die ihren bisherigen Job aber nach wie vor als ihren Traumjob bezeichnet. Die Unsicherheit sei riesig, niemand wisse, wann sich ausländische Touristen wieder auf Kreuzfahrtschiffe wagen, auf denen sich Viren auf engem Raum rasch ausbreiten können. Eine zweite Welle und damit womöglich eine zweite verpfuschte Saison würden der Branche das Genick brechen, fürchtet Bruch. Vielen der fast 1500 aktiven Fremdenführer im Land drohe langsam das Ersparte auszugehen, wenn der Tourismus nicht bald zurückkommt.

Vergangenen Sommer kein seltenes Bild: Heuer dürften kaum Flusskreuzfahrtschiffe auf der Donau unterwegs sein, fürchtet Fremdenführerin Bruch.
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Umgehört

Aber nicht nur der Tourismus leidet. DER STANDARD hat sich unter Leserinnen und Lesern umgehört und mit Menschen gesprochen, die in der Corona-Krise arbeitslos wurden und fürchten, noch für längere Zeit keinen neuen Job in ihrer Branche zu finden. Zahlreiche Berichte sind eingegangen. Dabei zeigt sich: In manchen Branchen gibt es unzählige Arbeitssuchende, aber kaum ein Angebot. Zum Beispiel im Eventmanagement. Immer weniger dort Beschäftigte glauben daran, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird. Jedenfalls nicht schnell genug für sie.

Wie schwierig es derzeit ist, einen Job im Eventbereich zu bekommen, weiß Elena Gregori. Die 24-Jährige hat im März eine Stelle als Sales-Managerin bei einem Catering-Unternehmen angetreten. Ihren Job bei einem Wiener Luxushotel hatte sie wegen der neuen Stelle Ende Jänner gekündigt. "Corona war damals nur in China und noch keine konkrete Bedrohung", erinnert sie sich.

Den neuen Job verlor sie nach nur zwei Wochen, Gregori war noch in Probezeit. Ein Event nach dem anderen wurde abgesagt, der Arbeitgeber zog die Reißleine. Ihre Hoffnung auf eine Rückkehr, wenn die schlimmste Krise vorbei ist, wurde in dieser Woche zerstört. Denn auch ihr ehemaliger Vorgesetzter, der ihr eine Wiedereinstellung in Aussicht gestellt hatte, wurde wegen Corona gekündigt. In den vergangenen Wochen hat Gregori über 50 Bewerbungen verschickt. Sie habe sich auf fast alles beworben, was ausgeschrieben war, erzählt sie. Es gebe kaum Stellenanzeigen. Rückmeldung hat sie so gut wie keine bekommen. Das einzige Job-Interview, zu dem Gregori eingeladen wurde, sei über "Vitamin B" zustande gekommen.

Nicht mehr gebraucht

Neue Arbeitslose gibt es in zahlreichen Branchen. Auch bei solchen, für die Experten eine baldige Erholung erwarten. So waren die Betroffenen, die sich beim STANDARD gemeldet haben, beispielsweise bei Laudamotion, einer Interessenvertretung oder einem großen Möbelhersteller angestellt. Auch Zahntechniker und Marktanalysten waren dabei.

Die Denkfabrik Agenda Austria hat die jüngsten Entwicklungen am heimischen Arbeitsmarkt in zahlreichen Grafiken zusammengefasst. Und zwar hier, auf der Homepage des Thinktanks.

Jedoch: Das Gros der Rückmeldungen spiegelt wider, was man auch aus Arbeitsmarkt-Statistiken herauslesen kann: Ob Fotografen, Feuerwerkstechniker oder Rezeptionisten – besonders hart getroffen wurden Eventbereich, Tourismus und Gastronomie. Ende April waren etwa in Beherbergung und Gastronomie keine sieben Prozent der Menschen vollbeschäftigt. In der Unterhaltungsbranche waren es weniger als 20 Prozent. Kurzarbeit hat einen noch drastischeren Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert. Aber erst ein Drittel aller neuen Arbeitslosen hat seit dem historischen Höchststand Mitte April, als insgesamt 588.000 Menschen ohne Job waren, wieder eine Stelle gefunden.

Selbstständige wie Fremdenführerin Bruch und Freischaffende scheinen in dieser Statistik nicht einmal auf – aber viele fürchten hier um ihre wirtschaftliche Existenz. Wie ein Trompeter, der anonym bleiben möchte. Der junge Musiker spielt seit Jahren als Aushilfe in diversen Orchestern Österreichs mit. Wenn die Orchester ab Juni wieder spielen dürfen, habe er nichts davon, berichtet er. Denn aufgrund des reduzierten Programms brauche es auf absehbare Zeit keine sogenannten "Substituten" mehr – die Angestellten der Orchester decken das volle Programm selbst ab.

Berufe kommen wieder

Irgendwann ist die Krise vorüber. Und ob Reiseführer, Catering-Manager oder Eventfotograf: "Diese Berufe wird es auch nach der Krise noch geben", stellt Ulrike Huemer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) klar. Die Corona-Krise werde nicht dazu führen, dass ganze Berufsfelder verschwinden. Trotzdem drängt die Zeit. Die zentrale Frage ist: Wann gibt es für Fremdenführer, Eventmanager und andere wieder genügend Beschäftigung?

Die Aussichten sind trüb. In manchen Branchen dürfte noch länger Flaute am Arbeitsmarkt herrschen. Solange es keine Impfung gibt, wird das Konsumverhalten, etwa in Hotels und in der Gastronomie, wohl trübe bleiben, prognostiziert der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria – mit entsprechendem Ausblick auf die Beschäftigungslage.

Wer ein Jahr arbeitslos ist, gilt bereits als langzeitarbeitslos, warnt Expertin Huemer. Wie sich Langzeitarbeitslosigkeit auf die Gesundheit auswirkt, ist bekannt. Auch der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt wird immer schwieriger, je länger die Arbeitslosigkeit andauert.

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Die junge Trompeterin Tian Hsu ist Mitglied des National Youth Orchestra of Great Britain. Musiker, die keine festen Orchestermitglieder sind, haben es derzeit schwer, Substituten-Stellen zu finden.
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Selbst wenn Berufe nicht einfach verschwinden: Wenn heimische Orchester wieder Substituten suchen, hat der junge Trompeter womöglich längst einen anderen Beruf ergriffen. Wenn in der Flusskreuzfahrt wieder Hochbetrieb herrscht, hat Fremdenführerin Bruch möglicherweise seit vielen Monaten keine Reisegruppen mehr begleitet. Irgendwann kehren Branchen zum Vorkrisenniveau zurück – oder übertreffen es gar. Aber für viele Einzelne birgt die Corona-Krise womöglich eine fundamentale Veränderung im Berufsleben.

Von Branchen und Einzelschicksalen

Einzelschicksale gibt es aber auch aufseiten der Unternehmen. Eine Studie der Unternehmensberater von McKinsey zeigt: Existenzbedrohend ist die Corona-Krise besonders für kleine und Einpersonenunternehmen, also Selbstständige. "Diese könnten vermehrt in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder sogar vom Markt verschwinden", befürchtet Sebastian Stern, Leiter des Public Sector in Deutschland und Österreich bei McKinsey und einer der Studienautoren. Das liege daran, dass staatliche Hilfe für kleine Firmen schwieriger zu organisieren sei. Und auch die Unternehmen seien häufig nicht fit genug, um durch den Rettungsprozess zu gehen.

Entscheidend ist auch hier, wie schnell sich die am härtesten gebeutelten Sektoren der Wirtschaft wieder erholen. Und wie gut es der Regierung gelingt, angeschlagene Betriebe zu retten. Ansonsten sind es größere Firmen, die den Platz der Krisenverlierer künftig einnehmen. Oder neue Unternehmen, die im Aufschwung wieder für Beschäftigung sorgen. (RUNDSCHAU: Aloysius Widmann, 31.5.2020)