Pamela Rendi-Wagner äußert ihre Unzufriedenheit in Sachen Sportpolitik.

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Wien – "Dem Sport eine Stimme geben" will Pamela Rendi-Wagner, am Samstag jedenfalls hat die SPÖ-Vorsitzende genau das auch getan. Sie saß im roten Klubsitzungssaal zwischen dem Sportfunktionär Peter Kleinmann, der seit Jahr und Tag für die Bewegung von Kindern trommelt, und SPÖ-Sportsprecher Maximilian Köllner. Aus Innsbruck war die Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz zugeschaltet, ihr liegt klarerweise der Spitzensport am Herzen, "weil das mein Job ist". Aber: "Viel, viel wichtiger sind der Breiten- und der Nachwuchssport. Da geht's um die Gesundheit."

Die ehemalige Gesundheitsministerin Rendi-Wagner sieht das nicht anders. Der Regierung warf sie am Samstag vor, den Sport insgesamt zu vernachlässigen. "Es gibt keine aktive und spürbare Sportpolitik dieser Bundesregierung. Sport ist ihr kein großes Anliegen, Sport ist für diese Regierung ein Randthema. Die Missachtung des Sports muss beendet werden. Sport ist ein Gesundheitsfaktor, ein Gesellschaftsfaktor und ein Wirtschaftsfaktor." Vom Sport hängen mehr als 300.000 Arbeitsplätze ab. "Das kann uns nicht egal sein!"

Einstimmiger Beschluss

Die SPÖ macht ihre Kritik speziell an Sportminister Werner Kogler (Grüne) und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) fest. Rendi-Wagner appellierte, die unter dem Schlagwort "tägliche Turnstunde" bekannt gewordene Sport- und Bewegungseinheit an Pflichtschulen einzuführen. Einen einstimmigen Parlamentsbeschluss dazu gibt es seit Jahren, die bundesweite Umsetzung lässt aber auf sich warten. ÖOC-Vorstandsmitglied Peter Kleinmann: "Es wird viel geredet, aber wenig getan."

Den Einwand, dass auch Regierungen mit SPÖ-Beteiligung an diesem Projekt gescheitert seien, ließ Rendi-Wagner nicht gelten. Am Fehlen der finanziellen Mittel für die tägliche Turnstunde, sagte sie, sei die ÖVP schuld. Diese stellt seit Anfang 2007, als Wilhelm Molterer dem ab 2003 parteiloses Karl-Heinz Grasser folgte, den Finanzminister.

"Schildbürgerstreich"

Am Samstag, nur kurz vor Rendi-Wagners Pressekonferenz, hatte auch Bildungsminister Faßmann über den seit Wiederaufnahme des Schulunterrichts ausgeklammerten Sport gesprochen. Sport- und Bewegungseinheiten sollen demnächst an Nachmittagen und auf freiwilliger Basis möglich sein. Kleinmann sprach in dem Zusammenhang von einem "Schildbürgerstreich", schließlich gehörten Kinder vor allem auch am Vormittag und von ausgebildeten Experten bewegt. Die WHO habe kürzlich aufgerufen, der Corona-Krise auch mit Sport zu begegnen. Kleinmann: "In Österreich haben sie dieses Unterrichtsfach verboten. Wie kann man ein solches gesellschaftspolitisches Signal setzen? Was geht da in den Köpfen der Entscheider vor?"

SPÖ-Sportsprecher Köllner wies auf die "existenzbedrohende Situation vieler Vereine" hin, denen es wie vielen Betrieben gehe. "Viele Ehrenamtliche fühlen sich allein gelassen", sagte Köllner. "Wieso dauert das im Sport so lange?" Kürzlich hat die Regierung ein Hilfspaket über 700 Millionen Euro abgesegnet, von dem Non-Profit-Organisationen aus dem Sport, der Kultur und aus sozialen Bereichen profitieren sollen. Laut Köllner wurde dabei "zu viel in einen Topf geworfen. Hier droht Streit".

Probleme der Fitnesscenter

Der SPÖ-Sportsprecher sieht auch die Betreiber von Fitnesscentern allein gelassen. Die Öffnung der Einrichtungen wurde zwar ermöglicht, die Regierung habe aber die Betreiber weitgehend im Unklaren über Auflagen und Richtlinien gelassen. Für Rendi-Wagner ist Bewegung ein "Teil des Gesundbleibens und des Gesundwerdens". Die Corona-Krise habe das noch deutlicher gemacht. Seit Monaten stehe der Schutz der Gesundheit im Vordergrund. "Doch wenn wir dieses Thema zu Ende denken, müssen wir an den Sport denken." (Fritz Neumann, 30.5.2020)