In Bosnien und Herzegowina haben Himbeeren und überteuerte Beatmungsgeräte mehr miteinander zu tun, als die Steuerzahler annehmen würden.

Nun kann man dem Fahrudin Solak, dem Chef der Zivilschutzbehörde, ja nicht grundsätzlich unterstellen, er hätte jetzt ausgerechnet einen Himbeerbauern ausgesucht, um Steuergelder zu missbrauchen. Der Solak ist auch eher ein Befehlsempfänger, vielleicht so etwas wie ein treuer Soldat der bosniakisch-nationalistischen SDA, aber doch keiner, der selbst auf solche Ideen kommt. Fraglich ist aber schon, wie der Solak und der Himbeerfabrikant Fikret Hodžić sich in dieser Sache gefunden haben. Sicher ist nur, dass Herr Hodžić, der auch ein fescher TV-Moderator ist und ein fester Patriot, den Auftrag bekam, 100 chinesische Beatmungsgeräte für 5,25 Millionen Euro für den bosnischen Landesteil Föderation zu einfliegen zu lassen.

Weshalb eine Himbeerfabrik für Respiratoren zuständig sein sollte, hat von Anfang an keiner so richtig verstanden. Aber man weiß ja vieles nicht und verstehen kann man noch weniger. Weil aber ein paar Journalistinnen zu recherchieren begannen, taten sich noch weitere Fragen auf. Offen ist etwa bis heute, weshalb die Firma "Silberne Himbeere" vom Hodžić so teure Beatmungsgeräte beschaffte – auf dem freien Markt hätte man die 100 Maschinen wohl schon für drei Millionen bekommen. Und gänzlich ungeklärt bleibt, weshalb diese chinesischen Modelle dann so gar nicht funktionierten. Also für was waren sie dann eigentlich?

Unnützer Schmarren für 5,25 Millionen Euro

Experten, die für die Staatsanwaltschaft die Geräte unter Augenschein nahmen, stellten nämlich einhellig fest: "Die beschafften Beatmungsgeräte verfügen nicht über die erforderlichen Mindestmerkmale für eine angemessene Behandlung von Patienten auf Intensivstationen, zu denen auch Patienten mit COVID-19-Erkrankung gehören." Offensichtlich hatte der Himbeerbauer Hodžić also einen unnützen Schmarren für 5,25 Millionen Euro ins Land fliegen lassen. Der Innenminister der Föderation, Aljoša Čampara meinte dazu nachdenklich, dass der Umstand, dass man die Beatmungsgeräte nicht auf den Intensivstationen verwenden könne,"ein zusätzliches Problem darstelle".

Die Sache mit dem Differenzbetrag

Irgendwann fragte man sich dann in Bosnien-Herzegowina, ob es hier überhaupt um die Beatmungsgeräte, um Kranke und die Pandemie-Bekämpfung ging oder vielleicht doch eher um einen gewissen Differenzbetrag.

Die Sache mit dem Differenzbetrag ist nämlich ein altbewährtes Modell, mit dem man mittels öffentlicher Aufträge, Freunde und vor allem die Partei füttern kann. Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Wenn man einen Himbeerentsafter oder auch ein Beatmungsgerät ein wenig teurer macht, als es tatsächlich ist und diesen Betrag dann als tatsächlichen Preis angibt, dann kann man der Steuerzahlerin und dem Steuerzahler durchaus diese Summe verrechnen, ohne dass diese bemerken können, dass sie gerade über den Tisch gezogen werden. Und trotzdem bleibt dieser wunderbar süße Differenzbetrag zwischen dem tatsächlichen Preis des Himbeerentsafters oder des Beatmungsgeräts und dem öffentlich zur Verfügung gestellten Geld. Und dieser Betrag geht dann vielleicht an die Partei, an die Leute, die von der Partei profitieren oder an jene, die künftig über solche Sachen nicht so viel reden sollen.

Staatsanwaltschaft beginnt zu schnüffeln

Das geht aber nur, wenn das alles nicht besonders auffällig ist. In unserem Fall begann sich aber sogar die bosnische Polizei zu fragen, wie die Himbeeren mit der Beatmung zusammen hängen könnten und die Staatsanwaltschaft auf lokaler Ebene begann zu schnüffeln, bis ihr die Sache zu heiß wurde, sodass die Staatsanwaltschaft auf höchster Ebene eingeschaltet wurde, solange bis dann der Solak, der Hodžić und der Premier der Föderation, ein Mann, namens Fadil Novalić diesen Donnerstag festgenommen und von der Sonderpolizei Sipa einvernommen wurden.

Noch ist nicht bekannt, ob die drei nun erklären konnten, wie Himbeeren und Beatmungsgeräte und die überteuerten Preise zusammen hängen könnten. Wahrscheinlich ist, dass die Parteiführung der SDA die Devise ausgab, dass sich alle in die Opferrolle begeben sollten. Der Chef der Partei SDA, Bakir Izetbegović, sprach sogar davon, dass es sich bei der Festnahme vom Novalić um einen Angriff auf die Bosniaken handle, also gleich auf alle Menschen, die sich dieser Gruppe zugehörig fühlen, was ein wenig übertrieben erscheint, weil die Mehrheit dieser Leute wirklich gar nichts von der Sache wussten und auch gar nicht festgenommen wurden – wie etwa der Novalić oder der Solak. Die Aufregung war aber jedenfalls groß. Die Staatsanwaltschaft verlangt 30 Tage Untersuchungshaft für Novalić. Es geht um den Verdacht der Geldwäsche, der Fälschung von Dokumenten und der Annahme von Bestechungsgeldern.

"Silberne Himbeere" ohne Lizenz mit Auftrag

Der Solak, Chef der Zivilschutzbehörde des Landesteils Föderation, wurde bereits am 5. Mai auf eigenen Wunsch hin suspendiert. Das Unternehmen "Silberne Himbeere", das sich der Verarbeitung von Obst und Gemüse widmet, hatte nämlich gar keine Lizenz, medizinisches Gerät für die Pandemie-Bekämpfung einzuführen. Die Staatsanwaltschaft versucht nun herauszufinden, wie und vor allem wieso die "Silberne Himbeere" trotzdem zu dem Auftrag kam, obwohl es zahlreiche Firmen gibt, die solche medizinischen Beschaffungen durchführen und wieso der Hodžić dann doch eine Lizenz bekam.

Mittlerweile tauchte ein Foto auf, auf dem eine Verbindung zwischen den Spitzen der SDA und dem Schwiegervater von Hodžić zu sehen ist. Neben SDA-Chef Izetbegović ist Ševal Gabeljić, der einen Tennisplatz, eine Tennisakademie und ein Autozubehörgeschäft besitzt, zu sehen. Ševal`s Tochter Ševala, die Lala genannt wird, ist wiederum Fikret Hodžićs Ehefrau. Und in Sarajevo ist deshalb das Gerücht im Umlauf, dass der Himbeer-Schwiegersohn vom Tennis-Schwiegervater den Respiratoren-Auftrag zugeschanzt bekommen hat.

Noch liegen viele Details im Dunklen, aber die vorgeführten Verbindungen bilden einen schönen Übergang zu einem weiteren bosnischen Schildbürgerstreich, der zwar nicht so kostspielig ist wie die Himbeeraffäre, aber deutlich zeigt, wie Parteien, Freund- und Verwandtschaften dicke Verbindungen schaffen, die jene, die zu diesen gehören, über alles stellen: das Gesetz und die Scham.

Vergnügung im Clubrestaurant

Vor etwa einem Monat, als noch kein bosnischer Bürger Freunde oder Bekannte treffen durfte und die Stadt in der beherrschenden Stille des Lockdown verschwand, vergnügten sich ein paar Wichtige oben, über den Hügeln der Stadt, in dem Restaurant des Golfclubs, von welchem die allermeisten Bosnier nicht einmal etwa wissen, so weit ist er von ihren kühnsten Träumen entfernt.

Eingeladen zu einer kuscheligen Geburtstagsfeier, bei der Abstand gemäß der veröffentlichten Videos keine Rolle spielte, vielmehr aber Gesang und Weinseligkeit, hatte der Arzt Jusuf Šabanović, Direktor der Klinik für Allgemeine Chirurgie. Gekommen war auch der Minister für Außenhandel und Wirtschaftsbeziehungen Staša Košarac und der Dekan der Veterinärmedizinischen Fakultät in Sarajevo Nihad Fejzić, der Mitglied des Wissenschaftlichen Gremiums zur Überwachung und Analyse der Pandemie ist. Für Unterhaltung sorgten ein paar bekannte Sänger und die Sängerin Slađana Mandić, die die Handy-Aufnahmen der Party mit 19 Personen – vielleicht ein bisschen voreilig und naiv – auf Instagram teilte. (Adelheid Wölfl, 30.5.2020)