Bereits seit Jahren terrorisieren islamistische Extremisten die Küstenregion. Dabei brennen sie Hütten nieder und attackieren Dorfbewohner.

Foto: MARCO LONGARI / AFP

Drei lange Jahre dauerte es, bis die Regierung die Gefahr endlich erkannte. Zuerst sprach Mosambiks Präsident von "bewaffneten Banditen", die den äußersten Norden des 2500 Kilometer langen südostafrikanischen Staates unsicher machen würden. Dann waren es "ausländische Aufrührer", die sich dort eingeschlichen hätten. Inzwischen schätzt die Regierung in Maputo die Gefahr sogar dermaßen gravierend ein, dass sie selbst nicht mehr damit fertigwerden könne.

Präsident Filipe Nyusi bat kürzlich den Staatenbund im Südlichen Afrika (SADC) um Waffenhilfe in seinem Kampf gegen den jüngsten Ableger des "Islamischen Staates" (IS) auf dem Kontinent. Nach der westafrikanischen Sahelzone, Nigeria, dem Kongo und Somalia verfügt jetzt auch das südliche Afrika über seine eigene IS-Niederlassung – die "Zentralafrikanische Provinz des Islamischen Staats" (Iscap).

Plünderungen und Gefechte

Deren Kämpfer waren im Schatten der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen so aktiv wie noch nie. Ende vergangener Woche griffen rund 100 Bewaffnete das Städtchen Macomia im Zentrum der Provinz Capo Delgado an, brannten Häuser nieder, plünderten Geschäfte und lieferten sich Gefechte mit den Sicherheitskräften.

Davor hatten die Extremisten zweimal kleine Küstenstädtchen am Indischen Ozean vorübergehend eingenommen: Sie töteten dutzende Polizisten und Soldaten, rissen Staatsgebäude nieder und pflanzten ihre schwarze Flagge auf. Inzwischen spricht in der Hauptstadt Maputo keiner mehr von einem lokalen Ganovenproblem: Nun ist es ein Fall von internationalem Terror. In beiden Fällen will die Regierung für die Entwicklung im Norden des Landes nicht verantwortlich sein – obwohl sie bei der Destabilisierung der Provinz eine Rolle gespielt hat.

Eine Teerstraße

Mosambiks Nordosten scheint vom Rest der Welt ungefähr so weit entfernt zu sein wie der Neptun von der Sonne. Die einzige Straße aus dem Nachbarland Tansania verwandelt sich nach der Grenze in einen Feldweg, die Region verfügt über eine Teerstraße. Noch bis vor kurzem schlummerten ihre Küstenstädtchen: ideale Voraussetzungen für ein Schmuggler- und Dealerparadies.

Capo Delgado hatte sich nach dem Bürgerkrieg 1992 in ein Eldorado der Unterwelt entwickelt. Ein Drehkreuz des Heroinhandels aus Pakistan, des illegalen Edelholz- und Rubinenexports sowie des Menschenhandels.

Im Gegensatz zum Rest des Landes wird Mosambiks Küstenstreifen wie die gesamte ostafrikanische Küste seit Jahrhunderten von Muslimen bewohnt. Sie fühlen sich schon seit der Ankunft der portugiesischen Seefahrer und Kolonialisten von christlichen Eindringlingen an den Rand gedrängt. Auch nach der Unabhängigkeit setzte die Regierung in Maputo ihre Marginalisierung fort.

Erdgasvorkommen entdeckt

Modernisierung wird von den Einwohnern Capo Delgados als korrupte Geschäftemacherei fremder Profiteure betrachtet. Wie anderswo in Afrika, wo extremistische islamische Bewegungen entstanden, verspricht sich die Bevölkerung von der Einführung der Scharia einen Damm gegen den moralischen Verfall.

Vor zehn Jahren wurde vor der Küste Capo Delgados auch noch eines der größten Erdgasvorkommen der Welt entdeckt. Unter dem Indischen Ozean soll sich fossiler Brennstoff im Wert von 60 Milliarden Dollar befinden. Amerikanische, italienische und französische Konzerne bereiten die Voraussetzungen für die Exploration des Gases vor: Es steht fest, dass die Bevölkerung davon höchstens am Rande profitieren wird.

Machtlose Truppen

Die ersten Angriffe der sich Ansar al-Sunna (Jünger der Tradition) nennenden Extremistentruppe fielen vor knapp drei Jahren blutrünstig aus: Die Jihadisten überfielen Dörfer, die sich nicht anschließen wollten, enthaupteten Menschen und plünderten Geschäfte. Von der Regierung in den Norden entsandte Kräfte erwiesen sich als machtlos. Daraufhin versuchte Maputo sein Glück mit russischen Söldnern: Rund 200 Kämpfer der berüchtigten Wagner-Gruppe (die derzeit in mindestens drei weiteren afrikanischen Konflikten mitmischt) waren im vergangenen Jahr in Capo Delgado aktiv. Nachdem mindestens elf russische Söldner gestorben waren, zog sich die von Putin-Freund Jewgeni Prigoschin finanzierte Truppe zurück.

Gegenwärtig versucht es Präsident Nyusi mit einer Söldnertruppe, der "Dyck Advisory Group" (DAG). Auch sie konnte es nicht vermeiden, dass Ende März rund 40 Männer zum zweiten Mal in das Küstenstädtchen Mocímboa da Praia einfielen. Über den Vorfall wurde auf den Seiten des "Islamischen Staates" berichtet, auch den Angriff auf Macomia in der vergangenen Woche feiert die Terrorgruppe als ihren Erfolg. (Johannes Dieterich, 2.6.2020)