Das Büro der Statistik Austria in Wien-Erdberg.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Tobias Thomas betont die Unabhängigkeit seiner Behörde.

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Wien – Die Statistik Austria hat die umstrittene Vorabübermittlung von Pressemitteilungen an das Kanzleramt ausgesetzt. Das sagt der neue fachstatistische Generaldirektor Tobias Thomas im APA-Interview und kündigt eine rechtliche Prüfung der seit März laufenden Praxis an.

Der Verhaltenskodex der EU-Statistikämter verpflichtet die Statistik Austria ja zur Gleichbehandlung aller Nutzer. "Jeglicher bevorzugte Vorabzugang externer Nutzerinnen und Nutzer ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öffentlich bekanntgegeben", heißt es darin. Dass die Statistik Austria seit 24. März alle Pressemitteilungen vorab dem Kanzleramt sowie ihren Aufsichtsgremien Wirtschafts- und Statistikrat vorlegen muss (DER STANDARD berichtete), hat daher Warnungen der Opposition vor türkiser Message-Control bei der amtlichen Statistik neue Nahrung verliehen.

Die Statistik Austria ist seit 2000 eine unabhängige Institution, bis vor kurzem waren Pressemitteilungen nicht weitergeleitet worden.

Vorabübermittlung ausgesetzt

Thomas, seit Dienstag einer von zwei Generaldirektoren der Statistik Austria, hat diese Vorabübermittlung nun vorerst ausgesetzt: "Mir ist wichtig, dass die Unabhängigkeit nicht infrage gestellt und der rechtliche Rahmen strikt eingehalten wird. Das sehen unser Wirtschafts- und Statistikrat übrigens genauso." Daher habe er als erste Amtshandlung eine rechtliche Prüfung der Vorabübermittlungen eingeleitet. "Bis diese Überprüfung abgeschlossen ist, werden wir die Meldungen zeitgleich übermitteln."

Generaldirektor der Statistik Austria, Tobias Thomas, war am Dienstag zu Gast in der "ZIB 2".
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"Die Unabhängigkeit ist die DNA einer Statistikbehörde", betont Thomas, der zuletzt das wirtschaftsliberale Institut Eco Austria geleitet hat. Auch er selbst würde sich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen, versichert der Deutsche, dessen Vorgänger Konrad Pesendorfer der SPÖ nahestand: "Ich bin in keiner Partei, weder in Österreich noch in Deutschland."

Wer genau die rechtliche Überprüfung durchführt, steht laut Statistik Austria noch nicht fest. Jedenfalls soll es sich um externe Fachleute ohne Naheverhältnis zur Statistik Austria handeln, heißt es auf STANDARD-Anfrage.

Jedenfalls "Abstand davon nehmen"

"Es ist richtig, die Vorabübermittlung der Presseaussendungen an das Bundeskanzleramt zu stoppen. Sie untergraben das Vertrauen in die Unabhängigkeit der amtlichen Statistik, selbst dann, wenn sie rechtmäßig wären. Man sollte Abstand davon nehmen", sagt Harald Oberhofer, Professor an der WU Wien und Mitglied der Plattform Registerforschung, die sich für einen besseren Zugang der Wissenschaft zu Statistikdaten einsetzt. Die Prüfung müsse durch unabhängige Juristen erfolgen, das Ergebnis gehöre veröffentlicht.

Thomas kündigt unterdessen auch an, die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft intensivieren zu wollen. Hier geht es insbesondere um den von Forschern geforderten besseren Datenzugang über das im Regierungsprogramm angekündigte "Austrian Micro Data Center". Von der Plattform Registerforschung kamen am Dienstag für diesen Vorstoß lobende Worte.

Thomas ist zuversichtlich, "in absehbarer Zeit Verbesserungen erreichen zu können". Der rechtliche Rahmen und die Finanzierung seien aber zu klären, denn die Statistik Austria habe schon in den vergangenen Jahren einen strammen Konsolidierungskurs vorgelegt: "Es ist klar, dass wir das nicht aus dem eigenen Fleisch bis auf ultimo machen können."

Geht die Rechnung auf?

Geführt wird die Statistik Austria von zwei Generaldirektoren, wobei Thomas für fachliche Fragen und seine Kollegin Gabriela Petrovic für die Finanzen zuständig ist. Zur Forderung seines Vorgängers Pesendorfer nach mehr Budget will Thomas daher nicht viel sagen. Er verweist aber darauf, dass der Beitrag des Bundes seit Jahren nicht angepasst wurde.

Sollten die Mittel nach Ausschöpfung aller Sparpotenziale nicht ausreichen, um alle vorgeschriebenen Aufgaben und alle weiteren Wünsche zu erledigen, die an die Statistik Austria herangetragen werden, "dann ist es offensichtlich, dass diese Rechnung nicht aufgeht", sagt Thomas. "Aber ich glaube, das ist allen bewusst." (szi, APA, 2.6.2020)