Tauen die Permafrostböden, können große Mengen Treibhausgas in die Atmosphäre gelangen und die globale Erwärmung verstärken.
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Rund um den Globus liegen aktuell über 20 Millionen Quadratkilometer Boden das ganze Jahr über unter null Grad Celsius. In diesen sogenannten Permafrostböden befinden sich enorme Mengen an Biomasse, den Großteil davon nehmen Überreste von Pflanzen ein. Durch die Erderwärmung tauen immer größere Flächen dieser Böden auf, Bodenbakterien werden aktiv und die Zersetzungsprozesse des organischen Materials setzen ein. In der Folge wird der Kohlenstoff als Kohlendioxid und als Methan in die Atmosphäre freigesetzt.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Grenze der Permafrostregion bereits bis zu 80 Kilometer nach Norden verschoben, die weltweite Permafrostfläche hat damit deutlich abgenommen. Obwohl Wissenschafter die Entwicklung längst mit großer Sorge beobachten, ist noch vieles über die dynamischen Prozesse im Boden unbekannt. Forscher haben haben die Vorgänge in den Kaltgebieten der Erde nun mit aktualisierten Modellen erneut ins Visier genommen.

Instabile Böden

Die im Fachjournal "Nature Communications" präsentierten Ergebnisse sind wenig ermutigend: Es zeigte sich, dass viel Permafrost, der gegenwärtig noch sehr kalt ist, bereits am Ende dieses Jahrhunderts verschwinden könnte – also früher als befürchtet. Neu ist, dass sie bei ihren Modellierungen Thermokarst-Prozesse berücksichtigt haben. Eine Folge des tauenden Permafrostes ist nämlich auch, dass der Boden durch das schmelzende Eis seine Stabilität verliert, sich kleinere und größere Senken und Rutschungen bilden. Diese Veränderung des Landschaftsbilds wird Thermokarst bezeichnet.

Wissenschafter des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Humboldt-Universität und der Universität Oslo haben nun mit Hilfe von neuen Computermodellen näher untersucht, wie sich Thermokarst-Prozesse auf das Auftauen von Permafrost in Nordostsibirien, einer Region, in der sehr kalter und vermeintlich stabiler Permafrost existiert, unter verschiedenen Klimaerwärmungsszenarien auswirken können.

Grafik: Verteilung und Arten von Permafrost.
Grafik: Brown et al.

"Wir haben herausgefunden, dass unter Berücksichtigung von Thermokarst-Prozessen sehr viel Permafrost, der gegenwärtig noch sehr kalt ist, also etwa minus zehn Grad, bereits am Ende dieses Jahrhunderts verschwinden könnte. Wenn Thermokarst nicht berücksichtigt wird, bleibt der Permafrost in den Projektionen der Modelle hingegen meistens stabil", sagt Geoforscher Jan Nitzbon, der am AWI und der Humboldt-Universität promoviert. Thermokarst-Prozesse sind im eisreichen Permafrost Sibiriens und Alaskas weit verbreitet, wurden bislang allerdings bei Modellierungen der Entwicklung von Permafrost im Zuge der Klimaerwärmung kaum berücksichtigt.

Verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Ergebnissen

Generell sehen die Forscher, dass Thermokarst-Prozesse lokal zu schnellerem Auftauen von Permafrost führen. "Das haben unsere Ergebnisse weitgehend bestätigt. Wir haben allerdings auch stabilisierende Prozesse berücksichtigt, die das Auftauen bremsen können. Uns hat erstaunt, dass unter einem moderaten Erwärmungsszenario diese bremsenden Prozesse das schnelle Auftauen von Permafrost weitgehend eindämmen könnten", so Nitzbon. Unter einem stärkeren Erwärmungsszenario überwogen jedoch selbstverstärkende Prozesse, sodass sehr viel Permafrost auftauen und die Landschaft sich drastisch verändern würde.

Die Forscher haben für die Studie neue Methoden entwickelt. Sie dienen der Verbesserung von Erdsystemmodellen, da sie das Auftauen von Permafrost in einer sich erwärmenden Arktis realistischer abbilden können, als das bisher der Fall ist. Die Ergebnisse zeigen auch, dass eine Begrenzung der menschgemachten Erderwärmung dazu beitragen kann, arktische Ökosysteme vor drastischen Veränderungen durch das Auftauen von eisreichem Permafrost zu schützen. (red, 2.6.2020)