Am Montag folgte die nächste Finte, als der Gastronom Berndt Querfeld im STANDARD-Interview heftige Kritik an den Hilfen für die Branche geäußert hatte.

Foto: Regine Hendrich

Dass eine Kanzlerpartei ihre Kritiker nicht mit Samthandschuhen anfasst, mag nicht weiter überraschen. Doch wie türkis geführte Ministerien und der Parteichef selbst Angriffe von Skeptikern und Gegnern in den letzten Wochen pariert haben, sprengt sogar die Grenzen ruppiger politischer Diskussionskultur. Da wird abgestritten, beschönigt, diffamiert und konstruiert. Das gelingt auch deshalb so gut, weil sich zunehmend Medien für Propaganda einspannen lassen.

Dabei sorgte zuletzt die Ballung an seltsamen bis unfairen Praktiken im Hause ÖVP für Kopfschütteln. Wenn ein ehemaliges Mitglied im Corona-Expertenstab überzogene Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie sachlich anspricht, wird das von Sebastian Kurz brüsk zurückgewiesen: Er höre zum Glück nicht auf die falschen Experten. Wenn Verfassungsjuristen schwerwiegende Ungereimtheiten bei Notstandsverordnungen bemängeln, spricht der Regierungschef von juristischen Spitzfindigkeiten. Wenn sich der Kanzler in der Kleinwalsertaler Menge badet, sind Dorfbewohner und Journalisten an der Missachtung der Abstandsregeln schuld.

Nun haben die ÖVP-Stäbe ordentlich nachgelegt. Kritiker der Regierung oder zumindest des türkisen Teils des Kabinetts müssen mit Revanche rechnen. Da wäre das Beispiel des roten Finanzsprechers Jan Krainer, dem eigentlich ein Dankeschön dafür gebührt, dass er fehlende Nullen im Budgetantrag entdeckt hat. Das Finanzministerium brachte daraufhin falsche Anschuldigungen gegen den SPÖ-Mandatar in Umlauf, die auch medialen Niederschlag fanden.

Am Montag folgte die nächste Finte: Weil der Gastronom Berndt Querfeld im STANDARD-Interview heftige Kritik an den Hilfen für die Branche geäußert hatte, rückte das Tourismusministerium aus. Querfeld habe mehrere Instrumente für Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen, wurde medial gestreut. Das mag stimmen – oder auch nicht. Natürlich muss ein Ministerium die Möglichkeit haben, sich gegen allfällig falsche Äußerungen zur Wehr zu setzen. Aber wenn die ÖVP als traditionsreiche Hüterin des Amtsgeheimnisses angebliche Hilfen an ein Unternehmen plötzlich nach außen spielt, liegt das Kalkül auf der Hand: Wer nicht artig ist, muss mit erzieherischen Maßnahmen rechnen. Im konkreten Fall mit Bloßstellung.

Der Landtmann-Chef hat einen Nerv getroffen. Das großspurig angekündigte Hilfspaket wird von immer mehr Betrieben als Schmalspurprogramm empfunden. Die Versprechen umfassender, rascher und unbürokratischer Hilfe klingen für Unternehmer, die seit zweieinhalb Monaten auf Geld warten und am Rande des Abgrunds stehen, wie blanker Hohn. Die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP samt ihrer Kammer kommt ausgerechnet wegen Kritik der Betriebe unter Druck.

Und wie kontert Kurz? In Ö3 auf den Härtefallfonds angesprochen, suggeriert er, Unternehmer könnten ihren Namen nicht richtig schreiben oder hätten ihr Einkommen nicht voll versteuert. Derartige Rundumschläge eines ansonsten so besonnenen Regierungschefs legen nahe, dass er viel von seiner Souveränität eingebüßt hat. Die Wunden müssen tief sein.

Kurz sollte Kritik ernst nehmen und sich und seine Spindoktoren zügeln, vor allem jene in den Ministerien. Propaganda mag zum Geschäft der Parteizentralen zählen, in der öffentlichen Verwaltung hat sie nichts verloren. (Andreas Schnauder, 2.6.2020)