Vielflieger sind, wie man weiß, High Polluter: Zahlreiche Kondensstreifen am Himmel waren in jüngster Zeit aufgrund des Corona-Shutdowns nicht zu sehen.

Foto: APA / dpa / Federico Gambarini

Wann kommt die CO2-Kennzeichnung für Produkte? Die von zahlreichen Experten geforderte Maßnahme könnte einen wesentlichen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Verhaltensanpassung in Sachen Klimawandel leisten. Wobei für Petra Bußwald die noch wichtigere Frage lautet, wie man diese Kennzeichnung gestaltet, sodass sie tatsächlich Relevanz hat und Wirkung zeigt.

Bußwald weiß, wovon sie spricht. Seit vielen Jahren entwickelt sie im Unternehmen Akaryon IT-Tools, die den CO2-Fußabdruck berechnen – zugeschnitten auf Einzelpersonen, Gemeinden oder Unternehmen, für den pädagogischen Einsatz in Schulen oder als Werkzeug, um auf Beratungsangebote hinzuweisen.

Vergangene Woche war Bußwald Vortragende beim 74. Digitaldialog, der sich dem Thema "IT & Global Footprint" widmete. Die Veranstaltungsreihe des steirisch-kärntnerischen Microelectronic-Clusters Silicon Alps erfolgt in Kooperation mit der FH Campus 02, Joanneum Research und der IT Community Styria – Letztere war die Organisatorin des diesmal coronabedingt erstmals online abgehaltenen Events.

Tool für Kinder und Jugendliche

Als Beispiel für eine zielgruppengerechte Aufbereitung des Themas CO2-Abdruck hebt Bußwald etwa ein Tool für Kinder und Jugendliche hervor. Damit lassen sich sogenannte Logs zusammenstellen, "Tagebücher", in denen CO2-relevante Handlungen, Anschaffungen und Nutzungszeiten vermerkt werden. Es lassen sich "Tagestypen" definieren, also etwa Schul-, Ferien- oder Wochenendtage, die dann zu einem Jahres-CO2-Abdruck verknüpft werden können.

Doch wie fügen sich die derart ermittelbaren individuellen CO2-Abdrücke zu einer gesellschaftlichen Perspektive? Franz Prettenthaler und Michael Brenner-Fließer von Joanneum Research, ebenfalls Vortragende der Online-Veranstaltung, hatten die Antworten: Sie stellten Daten von etwa 18.000 europäischen Bürgern vor, die über den "Climate LifestyleCheck", ein eigenes CO2-Footprinting-Werkzeug des Forschungsinstituts, erhoben wurden. Mit dem Tool können sich Bürger mit jeweiligen Durchschnittswerten ihres Landes vergleichen.

"High Polluter"

Ein wichtiges Ergebnis Prettenthalers: Die Unterschiede zwischen den konsumbasierten CO2-Fußabdrücken der jeweiligen Länder sind lange nicht so groß wie jene zwischen verschiedenen Lebensstilen innerhalb der Länder. So sind in Österreich die "High Polluter", also jene zehn Prozent, die die meisten Emissionen verursachen, für mehr als 20 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr verantwortlich, die "Low Polluter" dagegen, also jene zehn Prozent mit dem geringsten Ausstoß, dagegen nur für etwa sechs Tonnen.

Diese hohe Varianz zwischen Lebensstilen geht vor allem auf einen Faktor zurück – die Mobilität. Low Polluter in Österreich emittieren etwa "um den Faktor 18 weniger" als High Polluter, veranschaulicht Prettenthaler. Größter Verursacher ist hier – wenig überraschend – das Fliegen.

Auftrag an die Politik

Brenner-Fließer griff in seiner Analyse mit unselbstständig Erwerbstätigen in der Steiermark eine gesellschaftliche Gruppe heraus. Von den gut 13 Tonnen (13.308 kg) CO2-Emissionen pro Jahr, die den Personen im Durchschnitt zurechenbar sind, sind gut die Hälfte (7408 kg) individuelle Emissionen, die die Menschen also durch ihre täglichen Handlungen produzieren.

Der Rest entfällt auf Basisemissionen, die durch öffentliche Infrastruktur entstehen. Wiederum knapp die Hälfte der Individualemissionen (3588 kg) entfällt auf die Mobilität, gefolgt von Ernährung (2312 kg). Der Bereich Information, dem die Nutzung digitaler Kommunikationsmittel zurechenbar ist, fällt hier vergleichsweise klein aus (41 kg).

Pendeln mit dem Auto

In dieser Gruppe sind es nicht Flüge, die den Großteil der Mobilitätsemissionen ausmachen – sie betragen kaum ein Viertel. Der überwiegende Anteil entfällt auf Pkw-Fahrten und auf das Pendeln zur Arbeit per Privatauto, erläutert Brenner-Fließer. Die abgefragten Nachteile der Öffi-Benutzung gegenüber einem Privat-Pkw – mehr Zeitaufwand, ungünstige Arbeitsmodelle – sind für den Forscher auch ein Auftrag an Politik und Verwaltung.

Das große "Sozialexperiment" der Corona-Krise hat aber auch unterstrichen, dass die Digitalisierung durchaus ein Mittel sein kann, Pendleremissionen zu drücken: Telearbeit hat für Brenner-Fließer das Zeug dazu, einen Beitrag zu leisten, um Mobilitätsemissionen einzusparen – sofern sie organisatorisch und technisch entsprechend gut umgesetzt wird. (Alois Pumhösel, 9.6.2020)