Als am 17. Mai 2019 das Ibiza-Video über die Bildschirme flimmert, ist klar: Das wird einen U-Ausschuss auslösen. Jetzt, rund ein Jahr später, ist es so weit. Am Donnerstag, dem 4. Juni, startet der "Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". Schon vor dessen Beginn ist klar, dass es ein breiter, umfassender U-Ausschuss werden wird, der viele komplexe Themen beinhaltet. DER STANDARD hat die wichtigsten Informationen zusammengefasst und betont, dass bei allen strafrechtlichen Vorwürfen die Unschuldsvermutung gilt.

1. Themenkomplex: Die Inhalte des Ibiza-Videos

Die ersten zwei Ausschusstage beschäftigen sich direkt mit den Inhalten des Ibiza-Videos und den Aussagen von Heinz-Christian Strache, dass Parteispenden "am Rechnungshof vorbei" geschleust wurden.

4. Juni:

  • Florian Klenk, "Falter"-Chefredakteur
  • Heinz-Christian Strache, einst Vizekanzler und FPÖ-Chef
  • Johann Gudenus, einst Klubobmann der FPÖ

Der U-Ausschuss startet ungewöhnlich, nämlich mit der Befragung eines Journalisten. Normalerweise verweisen diese stets auf ihr Redaktionsgeheimnis und werden deshalb selten geladen. "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk hat sich aber offenbar bereiterklärt, den Abgeordneten über die Inhalte des Ibiza-Videos zu erzählen, in das ihm "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" Einblick gewährt haben.

Langjährige Weggefährten, nach Ibiza zerstritten: Johann Gudenus (links) und Heinz-Christian Strache (rechts).
Foto: APA/Fohringer

Nach Klenk sind die beiden Hauptdarsteller des Ibiza-Videos geladen – vermutlich nicht zum letzten Mal. Am Donnerstag werden Strache und Gudenus vor allem über finanzielle Zuwendungen an ihre Partei befragt werden. Spannend wird, wie die FPÖ ihre Befragung von Strache anlegen wird.

5. Juni:

  • Johann Graf, Novomatic-Gründer (abgesagt)
  • Heidi Horten, "Kaufhaus-Erbin" (abgesagt)
  • Gaston Glock, Waffenindustrieller (abgesagt)

Für Freitag wären dann drei Milliardäre geladen gewesen, die Strache im Ibiza-Video als Geldgeber der Politik nennt. Alle drei haben das dementiert, auch der einstige Vizekanzler hat seine Aussagen später zurückgezogen. Allerdings steht Grafs Novomatic im Zentrum der Ermittlungen, er selbst ist Beschuldigter. Horten tauchte im Wahlkampf 2019 als legale Spenderin der ÖVP auf.

Gaston Glock ist öffentlichkeitsscheu.
Foto: APA/Eggenberger

Alle drei Milliardäre haben bereits ihre Absage aus gesundheitlichen Gründen übermittelt. Nun überlegt die Opposition, den zuständigen Amtsarzt im ersten Wiener Gemeindebezirk einzuschalten. Andere Zeugen wird es am Freitag nicht geben, die Befragungen entfallen also.

2. Themenkomplex: Die Casinos-Affäre

Sehr vereinfacht gesagt geht es um die Frage, ob die FPÖ mithilfe der Novomatic den möglicherweise nicht ausreichend qualifizierten Kandidaten Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria AG (Casag) hievte und dem Unternehmen – und somit der Republik – damit unnötige Zahlungen in Millionenhöhe verursachte, etwa für die Abfertigung der bisherigen Vorstandsmiglieder. Und: Warum hat die Novomatic das gemacht, was war die Gegenleistung?

Komplizierter erklärt: Die Casag gehört unterschiedlichen Eigentümern. Großteils der tschechischen Sazka-Gruppe (38 Prozent), außerdem über die Österreichische Beteiligungs AG (Öbag) der Republik (33 Prozent) sowie der Novomatic (17 Prozent) und anderen kleineren Aktionären. Der Vorstand der Casag bestand aus dem SPÖ-Politiker Dietmar Hoscher, der einstigen ÖVP-Vizeparteichefin Bettina Glatz-Kremsner sowie dem Manager Alexander Labak. Die FPÖ wollte jedoch ihren Bezirksrat Sidlo unterbringen. Das geschah offenbar mithilfe der Novomatic, wie Chatprotokolle nahelegen. Durch die Neubesetzung des Vorstands entstanden Kosten in der Höhe von mehr als fünf Millionen Euro – so mussten Hoscher und Labak nach ihrer Ablöse weiter bezahlt werden.

Ermittler vermuten, dass die Novomatic sich nicht aus Sympathie so für Sidlo einsetzte, sondern eine Gegenleistung erwartete: beispielsweise Neuregelungen beim sogenannten kleinen Glücksspiel, also Automatenspielen, oder eine sogenannte Onlinelizenz für Glücksspiel im Internet. Da bei der Neubestellung des Vorstands der prominent besetzte Aufsichtsrat der Casag involviert war – und in letzter Konsequenz somit auch Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) –, gibt es mehr als ein Dutzend hochrangiger Beschuldigter. Dazu kommt, dass Postenbesetzungen in der türkis-blauen Regierung offenbar in einer "Sechserrunde" ausgemacht wurden, wie Peter Pilz' Onlinemedium Zackzack berichtet. Welche Deals gab es hier?

9. Juni:

  • Harald Neumann, Ex-CEO der Novomatic
  • Matthias Purkart, Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
  • Alexander Merwald, Geschäftsführer

Neumann stand als Vorstandsvorsitzender der Novomatic in engem Kontakt mit der Politik. Ermittler sehen in ihm eine zentrale Figur der Affäre, das sollen SMS belegen. Neumann schrieb Strache etwa nach einem Treffen mit dem freiheitlichen Finanzstaatssekretär Herbert Fuchs: "War echt mühsam, aber hier hat Löger auch sehr geholfen." Neumann weist alle Vorwürfe von sich. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Harald Neumann leitete jahrelang die Geschicke der Novomatic.
Foto: APA/Thomas Mayer

Mit Alexander Merwald wird ein weiterer Novomatic-Manager befragt werden. Er ist derzeit Geschäftsführer der Novo Equity GmbH und soll vor Sidlo als Casag-Vorstandskandidat der Novomatic gehandelt worden sein. Merwald soll sowohl in die Bestellung von Sidlo als auch in mögliche Gegenleistungen eingebunden worden sein, denken Ermittler. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gegen Neumann und Merwald ermittelt Oberstaatsanwalt Matthias Purkart von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Er soll den Abgeordneten einen Überblick über die laufenden Casinos-Ermittlungen bieten.

10. Juni:

  • Markus Tschank, Ex-Abgeordneter der FPÖ
  • Alexander Labak, ehemaliger Generaldirektor Casag (abgesagt)
  • Dietmar Hoscher, ehemaliger Vorstandsdirektor Casag (abgesagt)

Am kommenden Mittwoch tauchen die Abgeordneten in das Netz der blauen Vereine ein, die nach dem Erscheinen des Ibiza-Videos bekannt wurden. In einigen Vereinsvorständen schien der Anwalt Markus Tschank auf, der von 2017 bis 2019 im Nationalrat saß. Er gründete beispielsweise das Institut für Sicherheitspolitik (ISP), das Geld vom einst roten, dann blauen Verteidigungsministerium und der Novomatic erhielt. Tschank hatte außerdem eine Firma mit dem späteren Novomatic-Pressesprecher Bernhard Krumpel, die Polimedia Gmbh. Die wurde dann von Peter Sidlo übernommen. Ermittler sehen hier enge Verflechtungen zwischen dem FPÖ-Umfeld und der Novomatic. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Name Markus Tschank findet sich immer wieder im blauen Vereinsnetz.
Foto: APA/Punz

Die einstigen Casinos-Manager Alexander Labak und Dietmar Hoscher hätten anschließend Auskunft darüber geben sollen, wie sie die Neubesetzung des Casag-Vorstands erlebt haben. Beide haben allerdings bereits abgesagt; Hoscher führt eine ernsthafte Krankheit als Grund an. Die Abgeordneten werden rasch neue Befragungspersonen für diesen Termin laden.

Der Ausblick bis zur Sommerpause im Juli

Die Casinos-Affäre wird den U-Ausschuss bis zu seiner Sommerpause ab 17. Juli dominieren. Neben den bereits erwähnten vier Ausschusstagen stehen sechs weitere Sitzungen mit je drei Befragungspersonen an. Am 24. und 25. Juni wird die türkise Tangente der Causa thematisiert werden, geladen sind beispielsweise Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel. Danach geht es in Richtung FPÖ, am 1. Juli erscheint Ex-Finanzstaatssekretär Herbert Fuchs, am 2. Juli FPÖ-Chef Norbert Hofer. Hier dürfte es auch einen Exkurs zu anderen Postenbesetzungen geben, beispielsweise bei der Austro Control, in deren Aufsichtsrat unter Türkis-Blau die Ehefrau von Gaston Glock, Kathrin Glock, geschickt wurde.

Mitte Juli wird dann der Blickwinkel der Justiz abgefragt. Geladen sind Sektionschef Christian Pilnacek, dem von der Opposition Befangenheit vorgeworfen wird, sowie Staatsanwälte der Oberstaatsanwaltschaft, der WKStA und der Staatsanwaltschaft Wien.

Die Teams der Parteien

Eingesetzt wurde der U-Ausschuss mit den Stimmen von SPÖ und Neos. Deren Fraktionsführer Jan Krainer und Stephanie Krisper arbeiten eng zusammen, bei den anderen Parteien sind sie als "KuK" verschrien. Die ÖVP wird von ihrem Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl vertreten, die Grünen von Nina Tomaselli. Bei der FPÖ ist der einstige Generalsekretär Christian Hafenecker im Einsatz. (Fabian Schmid, Renate Graber, 4.6.2020)